56 Alles wird gut

43 9 0
                                    

Felina weinte. Zuerst in völliger Dunkelheit, in der sie an ein schweres Regal gefesselt war, und dann, weil sie Mamas Stimme hörte. Und zwar hörte sie sie wirklich, es war keine Aufnahme, kein Fake. Mehr als weinen schaffte Felina aber nicht.

Sie konnte sich nicht bewegen, saß eingeklemmt auf einem Stuhl direkt an dem Regal. Hände gefesselt, ein Tuch im Mund. Ein bisschen Stampfen konnte sie, das war alles.

"Felina!", brüllte Mama wieder. Papa war auch da. Sie hörte sie beide rufen, dort vorne, wo die Tür aufgegangen war. Licht fiel herein, aber es war so weit weg und erreicht sie nicht. Aber Mama und Papa erreichten sie.

Felina konnte erst nur ihre Silhouetten sehen, aber dann hörte sie auch die Schritte. Immer wieder stampfte Felina oder versuchte trotz des Tuches zu Schreien.

"Fee!" Mama breitete die Arme aus, wollte sie umarmen, obwohl sie noch ein Stück entfernt war, und Felina glaubte, dass Mama auch weinte. Sie weinten beide. Papa auch, bestimmt er auch.

Das Licht ging an. Urplötzlich, aber das wusste Felina, weil es war auch urplötzlich ausgegangen. Dagobert musste in der Nähe sein und dann bekam Felina wieder Angst und sie verstummte. Sie bewegte sich nicht, wurde ganz starr.

Nur dann kam Mama und umarmte sie. Ihr vertrauter Duft brachte Felina wieder zum Weinen, die Nähe und ihre Stimme, wie Mama immer wieder sagte: "Alles wird gut, alles wird gut! Wir haben dich, ja? Oh mein Baby! Alles wird gut!"

Papa war still geblieben. Er hatte sich umgesehen, kurz, hatte die Kamera und die Scheinwerfer und all das Zeug bemerkt, dass hier immer war. Hier hatten sie gedreht, hier drehten sie gerade wieder. Das rote Licht an der Kamera leuchtete.

"Fill, hilf mir mal!", rief Mama. Sie versuchte, den festen Knoten zu lösen, der das Tuch um Felinas Mund hielt. Mamas Finger zitterten und rutschten immer wieder ab.

Gerade wollte Papa ihr helfen, da hörte man von der Seite ein Lachen. Es war Dagobert, dieses wahnsinnige Lachen und dieses Mal stellte sich Felina nicht tot. Dieses Mal schrie sie. Sie schrie und brüllte unter ihrem Tuch, und sie hörte erst auf, als Mama sie ganz fest an sich drückte und nie wieder loslassen sollte. An Mamas Brust war es schön.

"Und was jetzt?", brüllte Papa. "Das ist das große Finale?"

"Oh, ja." Dagobert schmunzelte leicht. Er trug wieder seine Maske, so wie anfangs. Felina hasste Enten, jetzt hasste sie sie. Das waren keine schönen Tiere.

Dagobert drückte auf eine Fernbedienung, und fast zeitgleich knallte weit vorne die Tür zu. Das war der Ausgang, versteckt hinter all dem blendenden Scheinwerferlicht, und jetzt war er geschlossen. Dagobert stellte das auch nochmal klar: "Wir sind hier eingesperrt."

"Aha. Und weiter?", wollte Papa wissen.

"Wir sind live."

"Habe ich schon vermutet." Papa blieb ruhig und stand aufrecht vor Felina, wobei er halb den Blick zur Kamera verdeckte. Mama fummelte an den übrigen Fesseln herum, bekam sie aber nicht auf. Dagobert war gut mit Knoten.

Jetzt lachte das Entenmonster nur wieder und trat ein wenig um die Familie herum. Dabei blieb er außerhalb des Hauptscheinwerfers, aber man konnte ihn trotzdem sehen. Felina sah vor allem die Waffe in seiner Hand.

"Was verlangst du von uns? Was willst du erreichen?", rief Papa ungeduldig. "Du wirst doch irgendeinen Plan haben. Oder ist das ein reines Vergnügen für dich?"

"Ein bisschen." Dagobert war stehen gelieben und lachte kurz auf. Es machte ihm Spaß, das wusste Felina. Er hatte Spaß, weil er die Macht hatte, weil er bestimmen konnte und es nach seinem Plan verlief.

Für einen Moment sagte niemand etwas. Mama löste endlich Felinas Fesseln und erleichtert schlossen sie sich in die Arme. Sie wirbelten im Kreis und Mama weinte vor Freude, während Felina lachte und zitterte zugleich. Da war immer noch Dagobert.

"Lass uns gehen!", forderte Papa von Dagobert. Sofort wurde Mama wieder ruhig und stellte Felina auf den Stuhl, die sich darauf ganz groß fühlte. Neben Mama, die sich klein machte, und bei Papa, der keine Angst vor Dagobert zu haben schien.

"Ach, ich wollte noch etwas plaudern", sagte Dagobert und sofort brüllte Papa zurück: "Aber nur mit mir! Lass die beiden gehen!"

"Nope." Dagobert zuckte mit den Schultern. "Wäre ja langweilig."

"Langweilig?!"

"Ja. Das hier ist meine letzte Show. Ich bin schlau genug um zu wissen, dass ich hier nicht mehr rauskomme. Will ich auch gar nicht, wollte ich nie. Ich wollte sterben, aber einfach nur sterben ist so langweilig", erzählte Dagobert und schlenderte entspannt auf und ab, dort, hinter der Kamera. So sah Felina immer im Augenwinkel das rote Licht und das war bedrohlich. Dahinter versteckte sich die grausame Welt.

"Also lieber eine große Show daraus machen? Drei Menschen sind tot!"

Felinas Mund klappte auf. Drei? Wer? Sie wusste es nicht, sie wusste nur Donald und sie wollte nicht daran denken. Mit zusammengekniffenen Augen sah sie erneut und erneut, wie Donald fiel und wie Donald nicht mehr Donald war. Sein Kopf war explodiert, sie hatte sein Gehirn gesehen und nicht mehr sein Gesicht, sein Gesicht war weg, wo war sein Gesicht?

"Fee!", flüsterte Mama. Sie hatte ihre Arme um Felina geschlungen, weil Felina zuckte und weinte und nicht wusste, was geschah. Mamas Duft war da. Mamas Wärme war da. Mama war da.

Und die hatte immer Recht. Deshalb würde auch alles gut werden.

Das sagte sich Felina auf, im Kopf, damit Dagobert sie nicht bemerkte, und immer wieder sagte sie es, wie ein Mantra, wie ein Gebet. Es sollte nur stimmen, es sollte wahr werden, es sollte endlich wieder alles gut sein.

Wie Glaspapier im Scheinwerferlicht ✔Where stories live. Discover now