54 Regentropfen

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"Halt, Polizei!", brüllte der Mann hinter Rico. Es war nicht Kommissar Herbst, sondern der dünne Riese. Sein Funkgerät rauschte, er nannte Position und Richtung. Der Kollege würde kommen und Rico den Weg abschneiden.

Wenn sie ihn jetzt in Handschellen abführten, war alles umsonst. Sie würden ihm nicht glauben, sie sahen doch nur die Waffe in seinen Händen!

Rico erreichte endlich die Straße, raus aus der Gasse, in der es nichts als ein Vorwärts gab. Kein verworrener Fluchtweg, kein Versteck. Aber an der Straße war es nicht besser.

Rico bog nach links und sein Blick haschte nach hinten, aber viel mehr als Blaulicht konnte er nicht erkennen. Vorne kam ihm nur ein einsamer Mofafahrer entgegen, der sich genauso durch den Regen kämpfte.

Die Schritte des Polizisten wurden langsamer oder bildete er sich das nur ein? Rico sah sich um, sah den Mann, sah dessen Waffe in der Hand. Shit. Würde er auf Rico schießen?

Der Mofafahrer winkte ihm zu und drehte dann auf seiner Höhe um. Unter dem Helm schrie jemand etwas.

„Spring auf, verdammt!" Das war Lou. Was zum Teufel?

Rico starrte die Person auf dem Mofa an, eindeutig Lou, die ihn herbei winkte. Er zögerte nicht und schwang sich hastig auf das Fahrzeug. Schon gab sie Gas, dass er sich gerade noch bei ihr festhalten konnte.

Prompt schlug ihm der Regen noch fester ins Gesicht und er kniff die Augen zu, während er seine Waffe an sich heranzog und unter seinem Pullover versteckte. Lou bog derweil auf eine vielbefahrene Straße ein, Abgase und Lichter lenkten Rico ab. Er klammerte sich mit einer Hand an Lou fest. Unter ihrer nassen Regenjacke konnte er ihren warmen Körper spüren, aber sein Körper rauschte vor Adrenalin. Er konnte nicht daran denken und dachte doch an alles gleichzeitig.

Bei der ersten Ampel schlängelte Lou sich gekonnt zwischen den wartenden Autos ganz nach vorne. Gegen den Stadtverkehr hatte der Polizeiwagen keine Chance. Aber es war egal, sie kannten Ricos Namen, wahrscheinlich auch Lous Kennzeichen.

Gegen den Lärm schrie er: „Was machst du hier?"

„Ich rette deinen Arsch!"

„Ach, ja? Was, wenn wir jetzt beide am Arsch sind?"

Lou antwortete darauf nicht, sondern bog in eine kleinere Straße ein und kurz darauf nochmal irgendwo in eine Gasse. Keine Ahnung, wo genau sie jetzt eigentlich waren, aber hier war es ruhig und nirgends war Blaulicht zu sehen. Nur der Regen blieb, unaufhörlich durchnässte er seine Kleidung, seine Haare, alles an ihm und er fühlte sich elend.

Zwischen zwei parkenden Autos lenkte Lou das Mofa auf die Seite und stoppte. Schwungvoll sah sie zu ihm hinter, wobei er fast von ihrem Helm erschlagen wurde. Ihre Nähe, die Bewegungslosigkeit überforderte ihn und so stieg er ab, marschierte unruhig hin und her. "Und jetzt?"

Lou zuckte mit den Schultern. „Du bist doch der Irre, der einen Plan hatte. Scheinbar ein sehr bescheuerter Plan, wo zum Teufel hast du eine Waffe her? Ist die echt?"

„Jap, ist sie." Rico sah zögerlich auf den gefährlichen Gegenstand in seiner Hand. War ja nicht so, als hätte er die Pistole benutzt, aber als Drohung hatte sie funktioniert. Ob er sie wirklich einsetzen würde ... nach all dieser Aufregung eben war er sich das nicht mehr so sicher.

Davor war er so fixiert gewesen. Da war dieser Gedanke, um Leben und Tod, und alles für Felina zu riskieren. Würde er immer noch. Irgendwie, wenn er gerade nicht so unsicher wäre.

"Hast du wenigstens etwas rausbekommen vom Flieder?", riss Lou ihn zurück in die Gegenwart. "Oder hat nicht einmal das geklappt?"

"Doch." Rico schluckte. "Ich habe die Handynummer von diesem Psychopathen. So scheiße ist der Plan also doch nicht gewesen, okay?"

Wie Glaspapier im Scheinwerferlicht ✔Where stories live. Discover now