29 The loosing card

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Der Junge hatte recht. Es war Fills Schuld, dass das alles hier geschah. Seine, ganz allein. Die Liste war unnötig, zumindest die Kontakte von Viktorias oder Ricos Seite aus. Da waren nur ein, zwei Sicherheitsbeamte mit Guillermo unter einer Decke. Einer davon war bereits tot, aber da waren mehr. Fill spürte es. Da kam noch mehr auf sie zu, Guillermo war noch nicht zu Ende.

Fill hing an seinem Handy und wartete auf die nächste SMS von ihm. In letzter Zeit war Guillermo still gewesen, seitdem Felina verschwunden war. Das war kein Zufall.

Aber sollte sich deshalb Fill bei ihm melden? Genau das wollte der wahrscheinlich und Fill spürte, dass das sein Untergang werden würde. Sein Blick fiel auf die letzte SMS von Guillermo.

„Passt du gut auf deine Tochter auf? - G."

Fill hatte sie zu spät gelesen.

Hätte er rechtzeitig auf sein Handy geschaut, wäre er sofort losgestürzt um Felina nicht mehr aus den Augen zu lassen, aber er war betrunken gewesen. Betrunken, fertig und mit einem Terminplan, der ihn in der Früh zum Flughafen gebracht hatte. Weg von Felina.

„Wann sagst du es ihnen?", fragte Lars und riss Fill aus Gedanken. Verwirrt sah er zu Lars hinüber, der auf dem Fensterbrett saß. Vorhin, nachdem Rico abgehauen war, hatte sich auch Viktoria verabschiedet. Sie wollte wieder nach Hause und mit ihrer Mutter telefonieren, vielleicht auch einfach nur weg von Fill.

„Hast du mir zugehört? Wann sagst du es ihnen?"

„Was?"

„Guillermo. Du weißt, dass er hinter all dem steckt."

„Nein, ich weiß es nicht mit Sicherheit", widersprach Fill und sah wieder zu Manfred hinüber. Noch immer war keine Reaktion von dem alten Freund gekommen, er schlief durch. Fast beneidenswert.

„Aber Guillermo weiß etwas."

Fill holte tief Luft. „Möglich."

„Du hältst die Ermittlungen auf, ist dir das klar? Die Ermittlungen, die sich um deine Tochter drehen."

Wenn Lars das so zusammenfasste, klang das ziemlich scheiße. Fill schluckte und mied seinen Blick. Lieber starrte er weiter auf Manfreds Brust, die sich ruhig hob und senkte.

Das reichte Lars. Er stand schnaubend auf und ging zur Tür hinüber, wo er noch ein letztes Mal stehen blieb. „Fill, du bist echt eine Enttäuschung. Dein Sohn hat Recht."

Dann ging Lars und Fill blieb allein zurück. Er wollte die Worte nicht hören und verdrängte sie. Wieso musste auch alles seine Schuld sein? Es war ja nicht so, als hätte er freiwillig Kontakt zu Guillermo.

„Die haben doch keine Ahnung", murrte Fill und beobachtete, wie Manfred weiter atmete. Sein Schnaufen war laut und angestrengt, aber er widersprach nicht.

„Guillermo pfuscht nur ein wenig in meinem Leben herum, um seine Macht zu demonstrieren. Klar hat er seine Spione unter meinen Leuten, aber was bringt es ihm Felina zu entführen? Er hat seine Prinzipien und darunter fällt ganz sicher nicht die Entführung von Kindern."

Warum erzählte er das einer schlafenden Person?

„Wir haben uns damals im Knast kennen gelernt. Mir war klar, dass man dort nicht überlebt, wenn man sich nicht mit den richtigen Leuten anfreundet und das war Guillermo. Ich habe da drinnen überlebt und das verdanke ich ihm."

Eine Melodie geisterte in Fills Gedanken herum. Sie war ihm vertraut, er hatte sie eine Zeit lang im Gefängnis dauernd als Ohrwurm gehabt. Sie hat ihn überleben lassen, mehr nicht, obwohl die Alternative irgendwie da gewesen war.

Suicide is painless
It brings on many changes
And I can take or leave it if I please

Er erinnert sich gut an seine Zelle. Oft hatte er auf seinem Bett gesessen und die dicken Stangen angestarrt, die ihn von der Freiheit getrennt hatten. Ein paar Monate hatte es gedauert, bis er sich getraut hatte, an diesem Ort zu singen.

In diesem Gefängnis hatten ihn alle Männer eingeschüchtert. Sie waren stärker, mächtiger und er war nur Frischfleisch. Berühmtes Frischfleisch, um genau zu sein, was noch schlimmer war.

Suicide is painless, die Version von Marilyn Manson, war das erste Lied, das er gesungen hatte. An diesem Abend hatte es geregnet, das wusste er auch noch, und das ganze Gebäude erschien so still.

Auch jetzt begann Fill leise zu singen. Noch immer war ihm der Text so vertraut, als wäre es erst gestern gewesen. Als hätte er eben erst Guillermo kennen gelernt statt ihm seit Jahren aus dem Weg zu gehen.

The game of life is hard to play
I'm gonna lose it anyway
The loosing card I'll someday lay

Die Maschinen piepten schneller, als wollten sie ihren eigenen Rhythmus erschaffen, nur dann stürmte eine Krankenschwester herein. Es wurde hektisch. Pflegepersonal, Ärzte.

Sie riefen etwas durcheinander. Jemand scheuchte Fill aus dem Raum und er folgte stolpernd den Anweisungen. Überfordert stand er im Weg, rückte zur Seite und beobachtete benommen die fremden Menschen um sich herum.

Es dauerte, bis er verstand, was geschah.

A brave man once requested me
To answer questions that are key
Is it to be or not to be
And I replied 'oh why ask me?'

Wie Glaspapier im Scheinwerferlicht ✔Where stories live. Discover now