Hicks der Verräter

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In der großen Halle hatten sich einige Wikinger versammelt. Viele tuschelten und hielten es immer noch für ein Gerücht, was die junge Hofferson herum erzählt hatte. Andererseits, sie log fast nie, war immer ehrlich zu den anderen Wikingern. Also warum sollte sie jetzt auch lügen?
„Meine Güte. Dieser Hicks war wirklich niemand von unsersgleichen.", konnte man es überall hören. Ein anderer Wikinger sagte wiederrum: „Es ist aber schon erstaunlich, dass diese wandelnde Fischgräte es geschafft hat, einen der gefährlichsten Drachen zu bezwingen."
Alle diskutierten sie über den Vorfall und wie sie damit am besten umgehen könnten. Viele wussten schon eine Lösung: Hicks sollte verbannt werden. Und da er schon weg war, würde sich das einfacher gestalten, als gedacht.
„Ruhe, Ruhe Wikinger von Berk!" Haudrauf erschien an der anderen Seite der Halle. Mit Grobian an seiner Seite, der alles andere als fröhlich dreinblickte, schritt er durch die Menge und platzierte sich auf einem erhöhten Punkt im Raum.
„Also. Wie wir alle von unserer lieben Astrid gesagt bekommen haben, scheint Hicks mit einem Nachtschatten davongeflogen zu sein. Er hat sich damit des höchsten schuldig gemacht, was ein Wikinger machen kann. Es ist eindeutig Hochverrat. Nach Gesprächen mit den Ältesten sind wir zu einer Meinung gekommen. Hicks soll von Berk ausgeschlossen werden. Sollte er es jemals wieder wagen, einen Fuß mit seinem verfluchten Drachen auf unsere Insel zu setzen, dann wird ihm ein schlimmes Schicksal blühen."
Seine Worte waren mit Zorn und Verzweiflung durchsetzt. Nie hätte er gedacht, dass sein Sohn so etwas tun würde. Er hatte doch immer davon geträumt ein Drachentöter so wie alle anderen im Dorf zu werden. Immer hatte er versucht, bei Drachenangriffen, den Wikingern unter die Arme zu greifen. Obwohl es nicht immer so gelang, wie sich Hicks es vorgestellt hatte, war es doch lobenswert gewesen. Ehrlich zugegeben, Hicks war wirklich nicht das Ideal von einem Wikinger. Aber Haudrauf konnte es sich nicht verkneifen, ein wenig Stolz für seinen Jungen empfunden zu haben.
Jetzt jedoch waren seine Gedanken nur von Enttäuschung und Zorn geprägt. Wie konnte sein Sohn, der spätere Nachfolger in der Führung des Volkes von Berk, wagen mit einem Drachen abzuhauen. Er hatte all das, was einen Wikinger ausmachte, verraten und über den Haufen geworfen. Wenn er es wagen würde, wieder einen Schritt auf Berk zu tun, dann würde er persönlich dafür sorgen, dass es Hicks letzter sein würden. Der Drache würde in die Arena zu Trainingszwecken gesteckt werden, denn so wie Astrid geschildert hatte, konnte der Nachtschatten ohne Hicks Hilfe gar nicht richtig fliegen.
Noch ein weiterer Grund, Hicks für den Rest seines Lebens zu verfluchen. Er hatte sich nicht nur mit diesem teuflischen Wesen verbündet, sondern ihm auch noch geholfen, sich wieder in die Lüfte zu erheben. Ein Vergehen, welches den Verrat bei Weitem überstieg.
Haudrauf ballte seine Faust und schritt wieder durch die Menge, die ihn immer noch unterstützend anschaute. Sie alle hatten Hicks schon lange als den Wikinger bezeichnet, der zu nichts taugen würde. Nur in der Schmiede konnte er Grobian zur Hand gehen und nichts weiter. Seine Erfindungen hatten immer das ganze Dorf zerstört und den Drachen mehr Chancen gegeben, das Vieh zu stehlen. Da kamen schon in dem einen und anderen Wikinger der Gedanke auf, dass Hicks schon seit Langem versucht hatte, die Drachenangriffe zu unterstützen. Es sprach bloß keiner laut aus.

„Was werden wir jetzt weiter machen Haudrauf?" Grobian hatte sich zu seinem alten Freund gesetzt. Mit seinem eigens entworfenen Metkrug für seine Prothese trank er einen kleinen Schluck, wischte sich mit der anderen Hand die Flüssigkeit aus seinem Bart und schaute den Häuptling von Berk mit besorgter Miene an.
„Ich weiß es auch nicht Grobian. Mein Hicks ist ein Verräter und nun habe ich keinen Nachfolger für das Amt des Stammesoberhauptes." Haudrauf schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass einige Teller für einen Moment in die Höhe sprangen.
„Ach weißt du. In der Rangfolge ist es doch so festgelegt, dass der nächste Verwandte das übernimmt. Hast du das schon wieder vergessen?" – „Stimmt ja. Dann wird es eben Rotzbacke sein, der späteres Oberhaupt werden wird." – „Genau. Und ich sage dir noch was. Wenn Hicks doch zurückkommen sollte, dann rede doch einmal mit ihm..." – „Nein! Das werde ich nicht tun. Er hat all das verraten, was einen Wikinger ausmacht. Er ist nicht mehr mein Sohn, denn er hat sich diesen Kreaturen verschrieben, die schon so viele Wikinger auf dem Gewissen haben."
Noch einmal schlug er mit seiner Faust auf die Tischplatte. Dieses Mal aber so heftig, dass das Holz anfing zu bersten. Haudrauf merkte gar nicht, wie seine Hand anfing zu bluten. Es war ihm aber auch egal, hatte er heute etwas viel wichtigeres verloren. Sein Sohn war zum Todfeind gewechselt, so wie Astrid es schilderte.
„Nun gut. Ich kenne deine Sturheit und weiß genau, wann ich nichts mehr zu sagen habe. Aber denk mal drüber nach Haudrauf. Wenn Hicks sowas geschafft hat – ich meine – einen Drachen zu zähmen oder zu bezwingen, wie immer es auch gewesen war, dann stelle dir mal vor, was wir dann machen könnten." – „Grobian, lass es. Diese Biester kann man nicht zum friedlichen Miteinander bringen. Hicks muss von diesem Drachen entweder hypnotisiert haben, oder die Götter haben sich von Anfang an gegen mich verschworen. Schon damals, als sie meine geliebte Valka mir genommen hatten."
Grobian seufzte. Er schien wieder einmal bei Haudrauf auf Granit zu beißen. Und wenn das der Fall war, konnte der blondhaarige Dorfschmied nur warten und hoffen, dass er seine Meinung ändern würde. Bei dem Oberhaupt konnte dies jedoch sehr, sehr lange dauern.

„Meine Güte. Hicks reitet wirklich einen Nachtschatten. Boar, ich kann es immer noch nicht glauben. Wie cool das sein muss. Einen Plasmaball abschießen und dem Drachen Befehle erteilen, ein ganzes Dorf nieder zu machen." – „Jetzt halt doch endlich mal deine Klappe Taffnuss, oder muss ich dir erst wieder eine mit dem Morgenstern scheuern!?"
Die Zwillinge hatten sich mit den anderen außerhalb der großen Halle eingefunden. Mit Astrid, die ihnen von den Ereignissen am Krähenkliff erzählt hatte, sprachen sie über dieses Vergehen. Die einen mit mehr die anderen mit weniger Begeisterung.
Besonders die Zwillinge schienen eher fasziniert zu sein. Hicks hatte den unheiligen Spross aus Blitzschlag und Tod bezwungen. Das hieß eine Zerstörungskraft von nie gekannten Ausmaßen. Wie gerne hätten sie jetzt an Hicks Stelle sein können. Aber Astrid gab ihnen zu verstehen, dass dies nur einem verrat gleich kommen würde.
Ohne Vorwarnung hatte sie ihre Axt gezückt und sie den Zwillingen entgegen geworfen. Nur knapp verfehlte sie ihr Ziel und schlug in das massive Tor der großen Halle ein.
„Sagt mal, ihr habt sie doch nicht mehr alle." – „Ähm nö – haben wir wirklich nicht mehr..." Diese dumme Antwort konnte sich jedoch Taffnuss sparen. Schon im selben Augenblick stürmte die blonde Schildmaid nach vorne und hielt dem jungen Spross der Thorstons ein Messer an die Kehle.
„Hicks ist ein verdammter Verräter. Er wird für seine verräterischen Taten zu büßen haben. Und wenn ich persönlich ihn und seinen Nachtschatten vom Himmel holen werde. Er hat all dies abgelegt, was ein Wikinger ausmacht!" – „Ja ja. Das wiederholst du schon den ganzen Abend über. Wenn du endlich mal deinen Mund halten könntest. Wir wissen schon alles."
Jetzt platzte Taffnuss Schwester Raffnuss dazwischen. Sie hatte sich das Ganze mit angesehen und schaute mit einem genervten Blick ihren Bruder und Astrid an. „Ist doch egal, ob die wandelnde Fischgräte Hicks uns verraten hat. Jetzt ist er weg und wird sicherlich nie wieder zurückkommen. Was sollen wir uns dann noch groß um ihn scheren. Er hat schließlich immer nur genervt. Also eine Sorge weniger."
Raffnuss sah das Ganze von der positiven Seite. Für sie war Hicks immer nur die Nervensäge gewesen, die danach strebte, so wie alle andern Jugendlichen aus dem Dorf zu sein. Dabei wusste dieser Hicks doch selber, dass er niemals dazu im Stand gewesen wäre.
Für sie war es nur eine Belastung weniger.
„Da stimme ich Raffnuss voll und ganz zu. Hicks war nur eine Nervensäge. Wir sollten und glücklich schätzen, dass er wahrscheinlich nie wieder kommen wird." Jetzt meldete sich auch Rotzbacke zu Wort. Der junge Jorgenson hatte die Nachricht von Hicks Verrat mit einem Freudentanz kommentiert. Voller Euphorie schwang er sein Schwert und machte dem ganzen Dorf klar, wer ab sofort der neue Nachfolger für Haudrauf sein würde.
Astrid konnte darüber nur die Augen verdrehen. Wenn der an der Macht sein würde, dann hätte Berk bald den Beinamen: Dorf des dummen Häuptlings. Dagegen war selbst Dagur der Durchgeknallte von den Berserkern der schauere. „Ach komm schon Rotzbacke. Wir wissen es jetzt." Astrid schritt währenddessen zum Tor und zog ihre Axt raus.
„Ja genau. Und ich weiß schon, wen ich als meine Braut wählen werde." Mit einem ekelig funkelnden Blick visierte Rotzbacke Astrid an. Doch die ließ nur die Klinge ihrer Axt im Schimmer der Leuchtfeuer außerhalb der Halle blitzen und der junge Jorgenson verstand, dass er wohl sonst bald die Sopranlage singen würde.
„Wage es nicht!" Astrid funkelte ihn böse an und Rotzbacke verstand. Er sollte lieber den Abend nichts mehr sagen, wenn er das morgige Tageslicht noch sehen wollte.
„Leute bedenkt ihr aber auch, dass wenn Hicks einen Drachen bezwingen konnte, es auch mit weiteren tun könnte? Was wenn er doch sein recht als Häuptling einberufen und mit einer ganzen Drachenarmee zurückkommen würde? Berk wäre dem Untergang geweiht." Fischbein schien ganz panisch bei den Gedanken zu sein. Er wusste ganz genau, dass so etwas noch nie in der Geschichte der Wikinger passiert war.
Die anderen rollten nur die Augen. Es war mal wieder typisch, dass der etwas gewichtige Wikinger einen seiner berüchtigten Panikanfälle bekam. Er steigerte sich zu schnell in eine Sache rein und wollte sich dann am liebsten im Keller seines Hauses verschanzen. Aber Astrid versuchte ihn zu beruhigen. „Meine Güte Fischbein. So schnell wird es nicht kommen. Immerhin sind wir Wikinger und werden das mit Drachen machen, was wir mit ihnen immer gemacht haben. Und wenn Hicks zurück kommen sollte, dann wird selbst eine Drachenarmee von ihm an unseren Katapulten aufgerieben werden." – „Na wenn du meinst Astrid. Aber immerhin reitet Hicks einen Nachtschatten..." – „Fischbein. Klappe jetzt!"
Mit diesen Worten verließ Astrid das Geschehen und machte sich auf den Weg zu ihrem Haus. Es war eindeutig zu viel an diesem Tag passiert, als dass man sich noch mit den anderen aus dem Dorf herumschlagen müsste.





Hicks wurde langsam von den schreienden Möwen geweckt. Er hatte sich tief in den Umhang, den Loki ihm geschenkt hatte gekuschelt. Zusätzlich hatte Ohnezahn einen seiner großen Flügel um den jungen Haddock gelegt, um ihm zusätzlichen Schutz von der Kälte zu geben.
Verschlafen öffnete der junge Wikinger die Augen und schaute sich im. Das Feuer war ausgebrannt. Nur einige Glutstellen brachten ein wenig Wärme.
Dann aber schaute Hicks auf den Umhang. Er war immer noch da: „Also doch kein Traum." Murmelte er, als er sich noch einmal in den Umhang kuschelte.
Dich auf einmal bewegte sich seine Lehne. Wie es schien, erwachte auch sein bester Freund aus dem Schlaf. Hicks lächelte. Der Drache schien seit langem wieder richtig gut geschlafen zu haben. Zumindest erregte es den Anschein danach.
„Guten Morgen Ohnezahn. Gut geschlafen?" Hicks drehte sich zum Kopf des Nachtschattens, der ihn mit verschlafenen Augen ansah. „Guten Morgen Hicks. Ich habe sehr gut geschlafen."
Plötzlich schreckte Hicks hoch. In Erwartung, ein Brummen oder Gurren zu bekommen, kamen auf einmal Wörter aus dem Nachtschatten. „o...Ohnezahn..." – „Was ist?" Der Drache legte seinen Kopf schief und gab einen Fragenden Blick zu seinem Menschenfreund.
„Ohnezahn, ich....ich kann dich verstehen..."

A Viking and his DragonWhere stories live. Discover now