Dämmerung

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Der Nebel wurde immer dichter. Bald schon war die Sicht ganz weg gewesen und man musste sich Mühe geben, richtig zu navigieren. Viele machten sich schon Sorgen, komplett die Orientierung zu verlieren, immerhin hatten viele diesen Nebel gefürchtet. Man würde die Drachen gar nicht kommen sehen, wenn sie angriffen.
Hicks schaute sich um. Er hätte nie gedacht, dass die Nebelbank so groß war. Und vor allem so dicht. Man konnte selbst mit den Augen eines Nachtschattens nicht mehr so gut sehen. Und das sollte was heißen.
„Ruder Steuerbord! Fels voraus!", kam es vom Bug des Schiffes und nur knapp schrammten sie an einem aus dem Wasser ragenden Felsen vorbei. Der Rest der Flotte folgte wie im Gänsemarsch den Anweisungen des führenden Schiffes. Für Hicks und Haudrauf war es ein Zeichen, dass bald Land kommen würde. Wie lange es noch dauerte, war ihnen nicht klar.
Dann endlich lichtete sich der Nebel wieder. Und plötzlich wurde eine große schwarze, felsige Wand vor ihnen frei, die wohl bedeutete, dass sie an ihrem Ziel angekommen waren. Auch die Felsen wurden weniger, sodass sich die Schiffe verteilen konnten.
Allen überkam ein ungutes Gefühl. Es war still, als ob diese Festung schon lange verlassen wäre. Doch der Eindruck konnte leicht täuschen. Überall mussten Höhlen sein, aus denen die versklavten Drachen der Königin zuschlagen würden. Hicks hatte ein leicht mulmiges Gefühl im Bauch, dass dies heute noch ein langer Tag werden würde.
„Alle Mann, klar machen zum Anlegen. Bringt die Katapulte in Stellung. Wir werden mal an die Tür klopfen!", gab Haudrauf zu verstehen und sofort verschwand die Ruhe. Die Männer machten sich überall bereit. Als die Schiffe seichtes Gewässer erreichten und auf Grund liefen, wurden die Katapulte am Stand aufgebaut und schussbereit gemacht. Netzkanonen wurden aufgestellt und zielten in jede Richtung. Noch hatte Haudrauf nicht den Feuerbefehl gegeben. Es dauerte eine Weile, bis die Männer die Ladung an Land gebracht hatten. Sie positionierten sich hinter den Geschützen und warteten, bis diese einsatzbereit waren.
Dann endlich gab Haudrauf das Zeichen. „Klopfen wir mal an!" Und mit diesen Worten lösten sich die Riegel an den Katapulten und Felsbrocken wurden gegen die Wand geschleudert. Es knallte, als Fels auf Fels traf. Gesteinssplitter flogen durch die Luft. Geröll zerklüftete und es passierte, womit keiner gerechnet hatte. Die Felswand begann einzustürzen. Tausende Tonnen an Fels lösten sich mit einem Mal uns rasten zu Tal. Einige der Wikinger wollten schon die Flucht ergreifen, da begriffen, sie, dass es schon vorbei mit dem Steinschlag war.
Der Staub lichtete sich und zu aller Überraschung wurde eine gigantische Höhle freigelegt. „Was zum?" Hicks stellte sich vor alle anderen und begutachtete das riesige schwarze Loch, was sich vor ihnen auftat. Damit hatte selbst er nicht gerechnet. Das Gestein hier war sehr locker. Lange nicht so fest, wie er vermutet hatte.
Plötzlich ein Grollen aus den Tiefen des Berges. Schnell wandelte es sich zu einem Rauschen. Einem Geräusch von tausenden Flügelschlagen. „Die Drachenarmee kommt, macht euch bereit!", rief Hicks und lief schnell wieder in die Reihen zurück.
„Ihr hab es gehört. Bereit machen, zum Feuern!" Sofort hatten die Wikinger die Finger am Abzug und zielten auf den Eingang. Das Rauschen wurde immer lauter. Man konnte schon erste Schatten sehen, dann auf einmal stürmten hunderte Drachen aus der Höhle und begannen, auf die Wikinger zu zufliegen.
„Feuer!", befahl Haudrauf und die Netzkanonen wurden abgefeuert. Gleich mehrere dutzend Drachen wurden vom Himmel geholt und fielen zu Boden. Hicks tat das zwar sehr leid, aber immer noch besser als getötet. „Bolas. Holt so viele Drachen vom Himmel, wie ihr könnte. Wir dürfen sie nicht töten." Diese Anweisung galt auch für Astrid. Sie tauschte die Axt gegen die Bola ein und warf eine nach der andern in den Himmel. Sie hatte Glück und erwischte einige Drachen an den Flügeln. Währenddessen wurden die Netzkanonen wieder geladen.
Die Schlacht war im vollen Gange. Die Drachen versuchten sich mit Feuer gegen die Angreifer zu wehren, aber schnell hatten die Wikinger sie am Boden fixiert, und wenn es Not tat, einen Eimer Wasser auf ihr Maul gekippt. Hicks strengte sich mit an und warf eine Bola nach der anderen, aber Haudrauf signalisierte ihm schnell, dass er anderswo besser taugen würde. „Wir haben hier alles so weit unter Kontrolle, Hicks. Suche du die Drachenkönigin und mach diesem Spuk hier ein Ende." – „Ist gut, Vater." Mit diesen Worten rannte Hicks zu einem der Schiffe, in dem Ohnezahn wartete. Schnell war er an Bord gekommen und in den Laderaum vorgedrungen.
„Es ist so weit, Kumpel." – „Und ich dachte, du kommst nie. Was ist denn da draußen los?" – „Die Wikinger kämpfen gut gegen die Drachen der Königin. Die Ablenkung ist perfekt." Ohnezahn nickte und Hicks stieg schließlich auf den Nachtschatten. Seine Kräfte wollte er jetzt noch nicht einsetzen, denn er hatte Angst, dass die Königin so nah es spüren könnte. Er wollte sie bis zum Schluss verbergen. „Dann los, Ohnezahn." Der Nachtschatten schoss die Ladeluke weg und erhob sich in die Lüfte. Sofort machten sich einige Drachen auf, sich den Nachtschatten und seinen Reiter vorzuknöpfen, aber Ohnezahn war schneller. Mit einem gekonnten Manöver wich er sowohl den Drachen, als auch den in die Luft geschleuderten Netze aus und flog direkt in die Höhle hinein.
Es wurde immer dunkler und langsam nahm der Lärm der Schlacht ab. Es ging geradewegs einen tiefen langen Gang in den Berg hinein und es schien kein Ende zu nehmen. Immer weiter führte ihre Suche nach der Drachenkönigin in den Fels, bis der Schlachtlärm fast gar nicht mehr zu hören war. „Wo ist sie?", fragte Hicks leise zu Ohnezahn, aber der Nachtschatten antwortete nicht. Er hielt lieber Ausschau nach Drachen, die sie vielleicht hier aufhalten könnten.
Nach einem Moment konnte Hicks hellrotes Licht am Ende des Ganges sehen. „Schau mal da, das sehen wir uns mal genauer an.", gab er seinem Freund zu verstehen und beide flogen in Richtung des Lichtes. Sie bogen in eine riesige Kammer, die von natürlichen steinernen Säulen getragen wurde. Überall gab es Felsvorsprünge auf denen normalerweise Drachen saßen. Doch jetzt waren sie leer. Scheinbar kämpfen alle draußen gegen die Wikinger.
„Lass uns da landen. Ich glaube, hier sind wir richtig.", flüsterte Hicks zu Ohnezahn und der Drache suchte sich eine geschützte stelle. Sie landeten und Hicks stieg ab. Er legte sich auf den Bauch, um von Unten nicht gleich gesehen zu werden und blickte über den Rand der Felskante. Es war schwer, etwas zu erkennen. Dunst hing in der Luft und unten schien sich flüssiges Gestein zu bewegen. Von dem Roten Tod bisher keine Spur.
„Ist er überhaupt hier?", kam die Frage von Ohnezahn. Der Nachtschatten war skeptisch, ob sie an der richtigen Stelle waren. Nur einen Moment später sollten sich alle Zweifel, die beim Nachtschatten lagen, in Luft auflösen.
„Wer betritt mein innerstes Refugium?" Eine tiefe grollende und laute Stimme erschütterte die Felswände. Hicks Herz fing an schneller zu schlagen. Sie hatte sie bereits entdeckt. Und lange blieb auch sie nicht verborgen. Aus dem Dunst tauchte auf einmal ein riesiger Kopf auf. Hicks hatte diese Visage schon in den goldenen Statuen gesehen, aber in Echt war sie noch um Einiges hässlicher und furchterregender.
Hicks stand auf. „Jemand, der dich auffordert, diesen Ort für immer zu verlassen. Du sollst keine Drachen mehr versklaven." Hicks sprach selbst bewusst, aber der Rote Tod war wenig davon beeindruckt.
„Pah, glaubst du, ich lasse mir von dir Befehle erteilen Drachenherz? Meine Herrschaft wird die ganze Welt umfassen und ich werde die Götter stürzen!" Es donnerte fast, als sie immer lauter und entschlossener sprach. „Du glaubst, dass die Gabe der Götter, mich aufhalten kann, Drachenherz. Aber meine Magie musst erst einmal kennen lerne, dann weißt, du, was wahre macht ist."
Hicks stutzte. „Wow, bin schwer beeindruckt." Sein Tonfall war eher entspannt, als dass er sich einschüchtern ließ. „Was?" – „Nein ehrlich, nur habe ich da noch ein kleines Geschenk von Loki, von dem ich dir übrigens schöne Grüße bestellen soll." Hicks lief ein wenig an der Felskannte hin und her und verhöhnte den Roten Tod regelrecht.
„Seien wir mal ehrlich. Du bist sicherlich ein mächtiger Drache und kannst die schwierigsten Flüche aussprechen. Du hast sogar Drago Blutfaust unter deinen Fittichen gehabt, aber manchmal sind es die einfachen Dinge, die einem helfen." Auf einmal sprach Hicks eine Formel und ein heller Lichtstrahl erfüllte den Raum. Er schien sich bis nach draußen auszubreiten. Der Rote Tod war für einen kurzen Moment geblendet.
„Was war das?!"m grollte die Stimme des riesigen Drachen. „Ein Blockierungszauber. Einfach, aber hält selbst die stärksten Flüche fern. Jetzt hast du keine Drachenarmee mehr und deine Flüche sind nutzlos." Das machte die Drachenkönigin rasend und Hicks verstand, dass er nicht länger bleiben sollte.

A Viking and his DragonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt