Pläne

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Die Sonne ging über Berk auf. Schon früh hatten sich die Wikinger des Dorfes ihrem Tagesablauf hingegeben. Grobian feuerte seine Schmiede an, Haudrauf machte seine übliche Runde durch das Dorf und die Jugendlichen trafen sich nahe der Arena.
Immer noch war das eine Thema Nummer eins: Hicks und seine Flucht mit einem Nachtschatten. Immerhin war es nicht alltäglich, dass es ein Mensch vollbracht hatte, auf einem Drachen zu fliegen.
„Boar. Wenn ich so einen Nachtschatten wie Hicks hätte, dann würde ich Schafe erschrecken ohne Ende.", stellte sich Raffnuss gerade vor und schaute dabei in den Himmel. „Ach Schwesterherz. Du willst nur Schafe erschrecken? Ich würde einige Häuser mit einem Plasmablitz wegpusten und dann so schnell vor Haudrauf wegfliegen, bevor der nur irgendein Katapult laden kann."
Für diese Übertreibung, bekam der blonde Wikinger sofort eine von seiner Schwester in die Seite gerammt.
„Au sage mal spinnst du?" – „Nö, du spinnst hier. Das ist mein Nachtschatten und ich werde damit die Schafe so erschrecken, dass ihnen in den nächsten Jahren keine Wolle mehr wachsen wird." – „Ach ja?! Du ich werde mit meinem Nachtschatten so viele Häuser zerstören, dass mich alle fürchten werden. Dann bin ich Taffnuss. Das Hausabreiskommando."
Sich in den Streit vertiefend, merkten die Zwillinge gar nicht, wie sich Astrid an sie geschlichen hatte. Sie konnte es einfach nicht fass, dass sich die Thorstons auch mit dem Drachenfieber angesteckt hatten. Scheinbar empfanden sie nicht den Hauch einer Abneigung gegen Hicks und seine Taten. Immerhin hatte er das verraten, was alle Wikinger ausmachte. Er hatte das getan, was niemals ein richtiger Wikinger Berks tun würde. Einen Drachen als Freund haben.
„Sage mal, habt ihr sie nicht mehr alle. Es ist ja genau wie letztes Mal vor der großen Halle. Ich höre wohl nicht richtig. Ihr seid begeistert von Hicks und dem, was er Berk angetan hat? Schämen solltet ihr euch. Haudrauf hat seinen Nachfolger verloren und ist bitter enttäuscht über seinen Sohn. Wenn er noch einmal einen Fuß auf Berk setzen würde, muss er ihn als Verräter töten. Sein eigen Fleisch und Blut. Und ihr denkt wirklich nur an diesen Nachtschatten."
Sie schwang ihre Axt, ließ sie fliegen und schleuderte sie dicht neben die Zwillinge, dass die sich mit großen Augen umsahen und von ihrer Keilerei abließen.
„Was ist denn schon dabei, sich mal vorzustellen, einen Nachtschatten zu haben?", fragte Raffnuss die blonde Schildmaid. Aber Astrid schien das Ganze nur noch mehr aus der Fassung zu bringen.
„Was da schon dabei ist?! Allein der Gedanke, auf einem Drachen zu reiten, ist Verrat im höchsten Maße. Wollt ihr wirklich, dass ich zu den Ältesten des Dorfes gehe und ihnen vortrage, was ich hier gehört habe. Die werden euch auf die Insel der Verbannten führen, wo ihr den Rest eures Lebens schmachten könnt."
Anstatt eines Schocks jedoch, schauten die Zwillinge mit großen Augen drein. Einer mehr als der andere. Astrid schien sie auf dem falschen Pfad erwischt zu haben. Und nicht nur das. „Wow. Schmachten bis in die Ewigkeit." – „Wäre auch mal ne Abwechslung Bruderherz." Sie beide gaben sich ihre Fäuste und grinsten hämisch.
Astrid indes stöhne nur genervt, zog ihre Axt aus dem Baum, in dem sie eingeschlagen war und verließ den Ort des Geschehens wieder. Diese Zwillinge konnte man nicht eines Besseren belehren. Aber zum Glück blufften sie meistens nur. Sie würden es auch nie fertig bekommen, einen lebenden Nachtschatten zu fangen, geschweige denn zu zähmen. Dazu hatten sie nicht den Grips, den Hicks besaß.
Sie ballte ihre Fäuste. „Wenn ich dich noch einmal auf Berk sehe, junger Haddock, dann schwöre ich dir, dass ich deinen Drachen fertig machen und Haudrauf zuvor kommen werde. Elender kleiner Verräter."
Mit diesen Worten schritt sie in Richtung Dorf. Sie wollte nicht noch mehr mit Hicks und seinen Taten konfrontiert werden, was sich jedoch als sehr schwer gestaltete, redete immer noch das gesamte Dorf über die gestrigen Geschehnisse.

„Oh Mann. Hicks wird sehr sauer sein, wenn er das hier hört. Sehr sauer." Fischbein stand nahe der großen Halle. Akribisch blätterte er in Büchern und suchte nach Informationen zu dem, was gestern passiert war. Er behielt seine Meinung und glaubte, dass Hicks sich an dem, was ihn die Dorfbewohner jahrelang entgegen brachten, rächen würde. Mit einer Drachenarmee. Wenn er es schon mit einem Nachtschatten geschafft hatte, dann sicher auch mit anderen furchterregenderen Drachen. Eine Armee gigantischer Monster unter der Kontrolle von einem Menschen.
„Was machst denn du da Fischbein? Bist du wieder am Auswendiglernen von Büchern?" Grobian hatte den jungen Ingermann bemerkt. Der Dorfschmied wunderte sich, hatte er Fischbein noch nie so schnell durch Bücher blätternd gesehen.
„Ich...ich suche nach Fällen, in denen Menschen sich schon einmal mit Drachen verbündet hatten. Wenn es Aufzeichnungen gibt, finde ich sie. Denn Hicks wird sicher nicht all die Jahre auf sich sitzen lassen." Grobian hob nur verwundert eine Augenbraue. Was laberte der Junge da?
Er humpelte die Stufen herauf und setzte sich neben ihn. Fischbein störte es gar nicht, blätterte er schon weiter in einigen Büchern.
„Du wirst nichts finden Fischbein. Es gab noch nie vorher so einen Fall, dass sich Wikinger und Drachen zusammen getan hatten. Wenn dann hättest du es schon längst gefunden." – „Sicher?" Fischbein schaute ihn mit unsicheren Augen an. „Ganz sicher. Und nun erkläre mir mal, warum sich Hicks rächen sollte? Warum schiebst du solch eine Panik?"
Fischbein schluckte. Grobian wusste nicht, dass die anderen Jugendlichen des Dorfes Hicks so gut wie immer ausgeschlossen hatten. Er selber hatte zwar nicht einen sonderlich großen Beitrag dazu geleistet, blieb immer am Rand des Geschehens, aber trotzdem hatte er ein ungutes Gefühl.
„Nun ja Grobian. Wir waren nicht immer nett zu Hicks und hatten ihn nicht bei uns mitmachen lassen. Wenn er jetzt mit seinem Nachtschatten auf Rache sinnt, werden wir alle dran sein." – „Bist du dir da ganz sicher?" – „Hicks ist doch immer noch ein Wikinger und wenn man Wikingern Unrecht tut, dann sinnen sie doch auf Rache, oder etwa nicht?"
Grobian atmete tief ein. So etwas hatte der Dorfschmied schon lange nicht mehr erlebt, aber er versuchte Fischbein Mut zu machen und ihn ein wenig aufzuheitern. Er kannte Hicks schließlich seit vielen Jahren und war zu ihm mehr ein Vatergewesen, als Haudrauf es jemals war.
„Fischbein. Du weißt doch dass Hicks so etwas niemals tun würde. Du kennst seinen Sanftmut und seine Bedachtheit. Er wird uns nicht mit einer gigantischen Drachenarmee angreifen. Ich glaube eher, dass er sich jetzt da draußen rumtreibt und nach Seinesgleichen sucht. Oder er erforscht die Drachen. Vielleicht gewinnt er gerade in diesem Moment mehr Erkenntnisse über diese Wesen, als wir es uns jemals vorstellen können. Ich glaube nicht, dass Hicks so ein grausamer Mensch ist, der anderen nach Rache sinnt." – „Wirklich?" Fischbein schaute immer noch unsicher zu dem blondbärtigen Mann.
„Ganz sicher Fischbein. Hicks wird Berk eh nie wieder betreten. Er ist jetzt ein Drachenreiter. Eine neue Generation von Wikinger."
Mit diesen Worten erhob sich der Dorfschmied wieder und verabschiedete sich von dem jungen Ingermann. Fischbein war ein wenig erleichtert, legte die Bücher bei Seite und blickte eine kleine Weile in den blauen Himmel.


„Na gut Ohnezahn. Lass uns eine kleine Rast machen. Aber nicht mehr als eine Stunde." – „Gut Hicks. Ich kann mich schnell erholen. Wir Nachtschatten sind es gewöhnt, lange Strecken zu fliegen. Aber bei der Geschwindigkeit hält es auch meine Spezies nicht lange aus."
Nachdem sie beschlossen hatten, den Holzklau auf der besagten Insel aufzusuchen, hatten sich Hicks und Ohnezahn gleich auf den Weg nach Osten gemacht. Mit einer hohen Geschwindigkeit rasten sie dicht über der Wasseroberfläche und schafften Strecken, wofür Wikinger schiffe Tage brauchten. Der Nachtschatten war wirklich einer der schnellsten Drachen.
Aber auch Ohnezahn schwanden mal die Kräfte. Besonders, wenn er am Limit seines Könnens flog. Sie beide wollten so schnell wie möglich ein eigenes Dach über dem Kopf stehen haben. Doch dafür bräuchten sie den Holzklau und der lag immer noch ein und ein halber Tag entfernt auf einer Insel, an die sich Hicks bester Freund nur grob erinnern konnte.
Ohnezahn landete auf einer kleinen Insel. Nur vier mickrige Bäume standen auf nacktem Fels. Nicht gerade ein Ort, um zu verweilen. Aber um einen kleine Rast zu haben ausreichend.
„Also Hicks. Wenn du es schaffen solltest, diesen Holzklau davon zu überzeugen, mit uns zu kommen, werde ich nicht so schnell mit solch einer Geschwindigkeit nochmal fliegen, klar?" – „Klar Ohnezahn. Danach können wir es ruhiger angehen lassen, aber wir brauchen ein sicheres Haus, bevor der Winter kommt." Hicks konnte es gut verstehen, dass sein Freund nicht so hasten wollte. Aber sie brauchten dieses Haus dringend, oder Ohnezahns bester Freund würde erfrieren.
Hicks stieg ab und trank etwas Wasser aus seinem Trinkbeutel. „Willst du auch etwas?" – „Nein Danke. Nur kurz ausruhen. Meine Flügel brennen ein wenig von dem ganzen schnell fliegen." – „Dann machen wir ein wenig langsamer, wenn du willst."
Hick steckte den Trinkbeutel wieder weg und setze sich auf einen Felsen. Ohnezahn hatte sich auf die von der Sonne gewärmten Steine gelegt und döste ein bisschen.
„Ohnezahn?" – „Ja." – „Ich weiß schon genau, wie das Haus aussehen wird. Es Wird nicht einfach nur ein Haus, sondern ein Refugium für uns und andre Drachen. Wenn es errichtet ist, werden wir Drachen aus der Gefangenschaft von Wikingern befreien. Was hältst du davon?"

A Viking and his DragonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt