Der Holzklau II

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Hicks blieb das Herz in der Brust stehen. Noch nie hatte ihn ein Drache so angesehen. Der junge Wikinger konnte sich zwar erinnern, wie ein Riesenhafter Albtraum ihn damals fast zur Strecke gebracht hatte, als die Drachen wieder einmal das Dorf angegriffen hatten, aber so einen tiefen und eindringlich verärgerten Blick hatte der braunhaarige noch nie von einem Drachen gesehen.
Hicks schluckte. Die schmalen Iriden des riesigen Drachen musterten ihn sehr genau. Immer wieder fuhren sie auf und ab, fixierten sein Gesicht, seine Augen. Als ob der Drache förmlich seine Gedanken lesen konnte.
War sein Herz noch gerade eben stehen geblieben, fing es nun immer heftiger an, in seiner Brust zu schlagen. Er konnte es gegen seinen Brustkorb hämmern, als ob es aus seinem Körper fliehen wollte. Dieser Moment. Hicks war wie angewurzelt. Er konnte sich keinen Millimeter von der Stelle rühren. Alles, was er sah, waren diese gigantischen Augen des Holzklaus, sein Kopf, sein Kiefer mit diesen nadelspitzen Zähnen. Hicks wollte auf keinen Fall darin enden. Dafür hatte Loki ihm nicht die Gabe des Drachenherzens geschenkt. Es konnte nicht so enden.

„Äh...ich...ich." Da riss der Drache seine Augen weit auf. „Ein Mensch der die Drachensprache spricht?!" So etwas hatte der Drache noch nie gesehen. Mehr interessierte ihn aber, was der Mensch hier verloren hatte.

Einige Sekunden verstrichen. Dann auf einmal: „Sprich! Was hast du hier auf dieser Insel verloren. Sprich rasch!". Der Holzklau zischte. Ihm gefiel es gar nicht, dass sich anscheinend Menschen hier auf seine kleine Insel verirrt hatten. Dies war sein letztes Refugium, nachdem Wikinger ihn aus seiner Heimat vertrieben hatten. Alles hatten sie ihm genommen, seine Höhle, sein Zu Hause. Und seine Jagdgründe, in denen er immer reichlich zu Fressen fand.
Und nun stand dieses kleine Bürschchen vor ihm und machte sich fast in die Hose. Das konnte er ruhig haben, Angst. Dieser kleine Mensch schien zwar nicht zu denen zu gehören, aber trotzdem machte er sich ideal, um mal Dampf abzulassen. Es gefiel ihm, dem kleinen Jungen Angst einzujagen.
„Nun sprich, oder ich werde dich in der Hälfte durchschneiden Menschlein!", forderte er den Wikinger ein zweites Mal auf.

Hicks war unter den tiefen Worten des Drachen wie angestarrt. Er hatte nicht erwartet, dass der Drache so gereizt war. Er musste anders an die Sache heran gehen, was sich jedoch als sehr schwierig gestaltete, droht ihm ein Drache, hin in zwei Teile mit seinen messerscharfen Klauen zu schneiden. Hicks wollte gerne wieder in einem Stück die Insel verlassen.
„Ich...ich habe dich gesucht Holzklau. Ich...brauche deine Hilfe...", stotterte Hicks heraus. Es fiel ihm schwer die richtigen Worte zu finden, also sagte er einfach, das was er sagen wollte. Nichts drum herum, denn man konnte nicht wissen, wie der Drache reagieren würde.
„Meine Hilfe?! Das ich nicht lache. Seit wann brauchen Menschen die Hilfe von Drachen? Du willst mich doch nur reinlegen, während deine Artgenossen eine Falle für mich vorbereiten, oder?" Wieder dieses wütende Funkeln in den Augen des Drachen. Hicks schien auf dickeres Eis gestoßen zu sein, als er vermutet hatte.
„Nein...nein ganz bestimmt nicht. Das ist auch keine Falle. Ich will nur, dass du mir hilfst. Ich bin alleine hier nur noch mit jemand anderem." Der Holzklau blickte stutzig. „Und mit wem bist du hier?" Er sog tief Luft in seine Nüstern und analysierte den Geruch der Umgebung. „Du hast Recht. Ich rieche keinen anderen Menschen, aber....was ist das? Ein anderer Drache?"
Hicks nutzte den Moment der Verwirrung, um einige Schritte von dem Drachen weg zu treten. Es war ihm unangenehm, nur wenige Meter von diesen großen Zähnen zu stehen, die jederzeit nach ihm hätten schnappen könnten. Unter seinen Füßen knacksten einige kleine Zweige. Sofort drehte sich der Drache wieder zu dem jungen Wikinger um und fixierte ihn.
„Welchen Drachen hast du hier mit auf die Insel gebracht? Ich kenne diesen Geruch nicht! Sprich!", forderte der Holzklau ihn auf. Hicks merkte seine Ungeduld. Das würde nicht mehr lange so gut weiter gehen. Mit seiner Hand gab er Ohnezahn ein Signal. Hoffentlich verstand er es auch.

Der Nachtschatten hatte sich bisher immer in Deckung gehalten. Zwar machte er sich ernsthafte Sorgen um Hicks, doch wusste er auch, dass in diesem jungen Wikinger mehr steckte, als er es jemals erwartet hätte. Sein bester Freund hatte ein Händchen für Drachen, wie er es unter manchen Artgenossen nicht erlebt hatte. Er selber war verblüfft gewesen, als sie sich im Talkessel trafen und sich anfreundeten. Immer war Ohnezahn ein gewisses Misstrauen geblieben, doch spätestens seit ihrem ersten gemeinsamen Flug, war dieses komplett verschwunden.
Aber nun schien sein bester Freund Hilfe zu benötigen. Mit seiner linken Hand machte Hicks immer wieder eine komische wedelnde Bewegung. Ohnezahn wusste zwar erst nicht, was das sollte, aber langsam bahnte sich was an. Er musste einschreiten, sonst wüsste er nicht, ob Hicks noch in einem Stück die Insel verlassen würde. Er brauchte Hilfe und zwar sofort.
Mit einem Satz sprang der Nachtschatten aus dem Gebüsch, brüllte und stieß einen Plasmablitz in die Luft.

Der Holzklau war sichtlich verwirrt über die ganze Situation. Plötzlich tauchte hinter ihm ein wütender Nachtschatten auf, der sehr ernst mit ihm meinte. Für diesen Moment lenkte er seine Aufmerksamkeit von dem Menschen auf diesen schwarz geschuppten Drachen, den er selber nur aus Erzählungen kannte.
„Ein Nachtschatten!", stieß er verwundert aus und konnte auf dem ersten Blick gar nicht erklären, warum er so aggressiv war.
„Lass meinen Freund in Ruhe! Er hat dir nichts getan und du fauchst ihn hier an!", kam es vom schwarzen Drachen, der den Holzklau böse anfunkelte. Der jedoch ließ sich nicht so schnell beeindrucken, immerhin war er viel größer und stärker als dieser kleine da. Trotzdem, man hörte vieles über diese Drachenart.
„Das ist dein Freund!? Dieser kleine Mensch hier ist dein Freund?", sprach der große Drache verwundert. Das war also der Drache, der dem Menschen hier gefolgt war. Aber ein Nachtschatten? Niemals würde sich solch ein mächtiger Drache einem Menschen beugen.
„Er ist der beste Freund den ich jemals in meinem Leben hatte. Und ich werde alles geben, dass du ihm nicht wehtun wirst!" – „Komm schon. Raus damit! Mit irgendwas muss dich doch dieser Mensch erpressen, damit du ihm gehorchst. Ich kann das nicht verstehen, dass sich Menschen und Drachen verbündet haben. Wir waren immer Feinde gewesen!", konterte der Holzklau und fing an den Nachtschatten anzufauchen.
„Ach ja. Nun die Zeiten ändern sich. Wir haben dich aufgesucht, um dir ein größeres Zuhause anzubieten und uns zu helfen!", wie auch Hicks zuvor fiel Ohnezahn mit der Tür ins Haus und konfrontierte den Drachen direkt mit den Absichten, die die beiden gehegt haben.

„Ihr wollt mir ein neues Zuhause anbieten?" Jetzt war der Holzklau völlig verwirrt. Er verstand die Welt nicht mehr. Menschen und Nachtschatten hatten sich verbündet, diese zwei genossen wollten ihm eine würdigere Insel anbieten und er war aus seinem Schlaf geweckt worden. Dieser Tag war eindeutig einer dieser, die man nie so schnell vergessen würde.
„Ja wollen wir. Ich habe dich beim Vorbeifliegen mal hier auf diesem kleinen Eiland gesehen. Als ich später Hicks, der dort drüben steht, kennen gelernt habe, beschlossen wir, den Drachen ein besseres Zuhause zu geben und endlich Frieden zwischen beiden Spezies zu schaffen. Wir haben eine große Insel, auf der du mit uns leben könntest. Dort ist genug Platz, um noch hunderte von deiner Art einen Wohnsitz zu geben. Weit außerhalb des Archipels, wo die Wikinger leben."
Der große Drache ließ sich dies durch den Kopf gehen. So einen verwirrenden Moment erlebte man nicht jeden Tag. Oder träumte er nur schlecht? Mehrmals schüttelte er seinen Kopf, um sich selber zu wecken, doch es war vergebens. Es war definitiv kein Traum.

Hicks hatte sich indes von seinem Fleck entfernt uns langsam zu Ohnezahn begeben. An der Seite seines besten Freundes fand er es sicherer, als direkt vor dem Kopf dieses Drachen. „Alles in Ordnung mit dir?", fragte der schwarze Drache besorgt, „Es geht mir gut Ohnezahn. Dieser Drache ist mieser gelaunt, als mein Vater, wenn ich mal wieder was verbockt habe.", seufzte Hicks und ließ seine Schultern hängen. „Hoffentlich können wir den überzeugen, mit uns zu kommen." – „Keine Sorge Hicks. Er ist nur ein wenig von der ganzen Situation überfordert. Das ist alles.", versuchte Ohnezahn ihm Beistand zu leisten. Es blieb wirklich abzuwarten, wie der Drache entschied. Noch gab er einen sehr verwirrten Blick von sich.

Der Holzklau fing sich nach einem Moment wieder. Er beugte seinen Blick über die Zwei. Immer noch verwundert, wie sich solch ein Mächtiger Drache mit diesem mickrigen Menschen anfreunden konnte.
„Ihr seid wirklich ein schräges Paar, wisst ihr das? Solch komische beste Freunde habe ich noch nicht gesehen.", gab er von sich. Er war nicht mehr so verwirrt, wie vor einigen Augenblicken, aber konnte man immer noch aus seiner Stimme hören, dass er mit der Situation immer noch ein wenig überfordert war.
„Aber ihr scheint glaubwürdig zu sein. Immerhin habe ich schon viel gesehen. Ein Wikinger, der mit einem Nachtschatten befreundet ist, war jedoch noch nie darunter. Also. Wo liegt denn eure Insel. Ist sie weit weg von hier?"
Es schien geschafft zu sein. Hicks und Ohnezahn freuten sich innerlich. All die Aufregung, die noch bis eben herrschte, schien verflogen zu sein. Sie wich einem Gefühl von innerer Freude und etwas Richtiges getan zu haben.
„Sie liegt zwei Tagesflüge eines Nachtschattens westlich von hier entfernt.", antwortete Hicks.

Zwei Tagesflüge eines Nachtschattens. Das müssten Drei Tagesflüge für einen Holzklau sein. Eine wirklich weite Strecke. Aber nicht zu weit. „Ich überlege es mir, denn wir durchqueren dabei das Territorium der Königin. Und zu der will kein Drache freiwillig."

Jetzt war Hicks es, der verwundert drein schaute: „Welche Königin!?"

A Viking and his DragonWhere stories live. Discover now