Meditation I

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Mehrere Wochen waren ins Land gezogen. Auf der Insel, wo sich Hicks und Ohnezahn ein neues Zuhause eingerichtete hatten, war wieder der Frieden zwischen dem Nachtschatten und seinem Reiter eingekehrt. Hicks hatte sich mit Ohnezahn versöhnt und sich gegenseitig für ihre Beleidigungen verziehen. Einsicht von beiderlei Seiten. Das war nicht nur gut für die beiden besten Freund, sondern auch Loki war mit diesem Ergebnis sehr zufrieden.
Immerhin mussten Drache und Reiter harmonieren, sonst wäre das Drachenherz in Hicks sinnlos. Und dabei erwartete der Gott doch so viel von dem jungen Wikinger, der mittlerweile 16 Jahre alt geworden ist.
Was das Drachenherz anging, machte Hicks schnelle Fortschritte. Es war doch besser, dass sich Loki eine Auszeit in Asgard nahm und sich mit dem braunhaarigen Wikinger beschäftigte. Vor allem, da er noch nicht allen Aspekten, seiner neu gewonnenen Gabe gewachsen war. Mit den Drachen zu sprechen war nicht das Einzige, mit dem Hicks von Loki ausgestattet wurde. Aber der Junge würde alle Fähigkeiten brauchen, um in dieser Welt den Frieden zwischen Drachen und Menschen zu bringen. Eine Mammutaufgabe, die man dem kleinen Wikinger eigentlich nicht zutrauen würde, doch Loki barg für ihn. Seinen Schüler Hicks.

„Was steht heute an?" Die Sonne war gerade über dem Horizont aufgegangen und einige Schreckliche Schrecken trillerten auf dem Dach ihr allmorgendliches Lied. Hicks war schon früh mit Ohnezahn auf den Beinen gewesen. Loki jedoch drehte sich in seinem eigens errichteten Zimmer noch einmal um und wollte lieber eine Weile schlafen. Das kannte er von Asgard gar nicht. Dort lag er sich zum Schlafen, wann er wollte, doch hier auf Midgard schien die Sache ein wenig anders auszusehen. Hier brauchte er den Schlaf. Vor allem, da sein Schüler wissbegieriger war, als er zum Anfang angenommen hatte.
„Lass mich noch ein wenig liegen Hicks. Wir haben 10 Tage hintereinander die verschiedenen Sprachen der Drachen durchgenommen. Du kannst dich doch schon mittlerweile fließend mit Naddern, Gronckeln und sogar mit Feuerwürmern unterhalten. Und gebrochen gut mit einem Dutzend weiteren Drachenarten. Also lass doch mal ein wenig Pause machen." Als Hicks in der Zimmertür stand, richtete sich der Ase verschlafen auf. Er wollte nur ungern aufstehen. Er hatte das erste Mal sogar Augenringe bekommen, als er sich in einem Metallspiegel betrachtete. Sowas hatte er noch nie gehabt.
„Loki. Du hast mir versprochen, dass du mir endlich versprochen, die Sprache der Schrecklichen Schrecken zu lehren. Und wenn du weiter so schläfst, steht die Sonne hoch am Himmel und wir haben nicht mehr so viel Zeit." Hicks drängelte ein wenig. Und Loki gab schließlich nach. Verschlafen richtete er sich aus seinem Bett auf und lief hinüber zu seiner Waschschüssel. Hicks verließ indes das Zimmer und machte sich daran für Loki, Ohnezahn und sich ein kräftiges Frühstück zu organisieren. Das hieß konkret: Die Fischernetze an der Steilküste überprüfen, ein paar Fladenbrote zubereiten und ein wenig Wasser aus dem neu gegrabenen Brunnen zu besorgen.
„Komm Ohnezahn. Lass uns nach den Fischen sehen. Vielleicht haben wir ein paar Dorsche gefangen." – „Mein Lieblingsfisch.", antwortete der Nachtschatten und leckte sich einmal das Maul. Hicks musste schmunzeln. Wenn es um Dorsch ging, konnte kein anderer Drache der Welt Ohnezahn davon abhalten, ihn für sich zu beanspruchen.
Als sie beide vor die Tür traten wurden sie schon von verschiedenen Drachen begrüßt.
Es hatte sich viel Getan in der letzten Zeit. Neben dem Training mit Loki und Ohnezahn, waren die beiden viel unterwegs gewesen, hatten Drachen aus Fallen oder Arenen befreit und dabei geholfen, sie wieder gesund zu machen. Einige bedankten sich und folgen wieder zu ihren Heimatinseln, adere blieben bei Hicks und Ohnezahn. So wuchs in den letzten Wochen eine immer größere Lebensgemeinschaft von den verschiedensten Drachen an. Gronckel, Nadder zwei Zipper, viele schreckliche Schrecken, ein paar Nachschrecken und noch viele weitere Drachen. Sogar einige Glutkessel schwammen in den Gewässern vor der Küste und vertrieben neugierige Wikinger auf ihren Schiffen, die der Insel zu nahe kamen.
Die Gemeinschaft hielt mittlerweile wie ein bunt gemixtes Drachendorf zusammen. Es wurden Unterstände gebaut, Höhlen für Drachen bewohnbar gemacht. So einen Frieden untereinander hatte selbst Loki nicht gesehen. Er war erstaunt, wie Hicks schnell und ohne große Umstände einen Streit zwischen zwei Drachen schlichten konnte.

Als die Fische gefangen und das Frühstück angerichtet war, hatten sich Hicks, Ohnezahn und Loki im Gemeinschaftsraum ihres Hauses zusammen gefunden. Während sie gemütlich aßen, hörte Hicks weiter die Schrecken auf seinem Dach trällern.
Manchmal kamen sie dem Jungen ein wenig tollpatschig vor. Oder zumindest ein wenig aus der Spur geraten. Aber Loki hatte ihm erklärt, dass das bei diesen Drachen in der Natur lag. Ernste Schreckliche Schrecken seien selbst dem Asen noch nicht begegnet.
„Ich würde nur zu gern wissen, was die da manchmal trällern.", sprach Hicks noch ein wenig an einem Stück Brot kauend. Loki hingegen erwiderte nur mit einem schiefen Blick. Hicks wusste nicht, was das bedeuten sollte, als reagierte er einfach mal mit einem fragenden Blick. Und es schien zu wirken. Loki schluckte seinen Happen herunter und sagte: „Glaube mir Hicks. Wenn du erst mal fließend mit den Schrecken sprechen kannst, wirst du dir wünschen nie diese Drachensprache erlernt zu haben.
Wieder ein etwas schiefer Blick von dem jungen Wikinger. Aber Loki sprach nur: „Du hast dir gewünscht, diese Sprache zu erlernen, hast mich zeitig aus dem Bett geworfen. Wäre ich nicht dein Lehrer, hättest du jetzt den Zorn der Götter auf dich geladen. Also lernst du heute auch diese Sprache."
Sein Ton war ernst, was Hicks einen kleinen Schrecken einjagte. Aber nur wenige Momente fing der Ase an zu lachen. Das wusste Hicks, dass er mit ihm nur gescherzt hatte.

Nach dem Frühstück begaben sich Hicks und Loki in die Wälder der Insel. Ohnezahn blieb bei den Drachen. Der Nachtschatten war mittlerweile so etwas wie deren Anführer und wenn es Probleme gab, wandten sich die Drachen an jenen, der als erstes mit diesem jungen Wikinger gesprochen hatte.
„Also gut Hicks. Wir machen es wie die letzten Male auch. Schließe die Augen und versuche dich tief zu entspannen. Danach wird dir das Drachenherz den Weg weisen, den du einschlagen willst." Sie hatten sich auf eine Lichtung umrundet von dunklen Tannen begeben. Nur wenig Sonnenlicht drang bis zu ihnen hervor. Vögel waren fast gar nicht zu hören. Ein Hort fast absoluter Stille. Perfekt für die Ausprägung des Drachenherzens, dachte sich Loki.
Hicks hatte sich im Schneidersitz positioniert. Loki gegenüber schloss er die Augen und fing an ruhig und tief ein-und aus zu atmen. Sein Herzschlag wurde langsamer und langsamer. Eine Position tiefster Entspannung und Ruhe setzte bei dem Jungen ein. Nur in diesem Zustand, wenn Geist und Körper voll vereint sind, war es Hicks möglich, sich auf seine Gabe zu konzentrieren, und sie entfalten zu lassen.
Nur noch entfern konnte er Lokis Stimme hören, als würde er immer weiter in einen tiefen Tunnel vordingen, wo sich sein Mentor weiter von ihm entfernte.
„Konzentriere dich und dann frage das Drachenherz nach deinem zu beschreitenden Pfad." Hicks tat, wie ihm von Loki gesagt wurde. Und dann passierte es. Hicks schien aus dem Tunnel zu gehen in einen Raum. Gigantisch groß. Überall loderten Flammen an den felsigen Wänden...

A Viking and his DragonWhere stories live. Discover now