Der ausgestoßene Berserker

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Der nächste Tag war angebrochen. Hicks hatte sich schon früh aus dem Bett begeben und machte gerade an der Kochstelle Feuer, um sich etwas von der Fischsuppe von gestern warm zu machen. Immer noch hatte er ein komisches Gefühl bei der Sache, Dagur hier zu haben. Er war einfach gestern hier aufgetaucht und betrunken vor seiner Haustür zusammen gebrochen. Mittlerweile schlief der Berserker einen Rausch aus, während ihn Ohnezahn kritisch beäugte. Nach all dem, was Hicks ihn erzählt hatte, schien Dagur der Durchgeknallte kein angenehmer Zeitgenosse zu sein. Dieser Wikinger hatte makabre Spielchen mit Hicks getrieben, als er und sein Vater auf Berk Besuche abstatteten, um den Frieden zwischen den beiden Stämmen zu bewahren.
Dass er jetzt hier war, konnte sich Hicks nicht genau erklären. Loki wollte ihm lieber gleich die Gedanken löschen und in ein Boot setzen. Aber Hicks wollte ihn erst einmal befragen. Wieso war er hier auf der wohl entlegensten Insel des gesamten Archipels? Und warum war er so betrunken gewesen. Dagur mag zwar durchgeknallt sein, aber so viel Trank er nie. Es musste also irgendwas vorgefallen sein.
Als die Suppe langsam zu köcheln begann, stellte Hicks sie auf den Tisch und wollte sich gerade etwas auf einen Teller tun, als plötzlich Ohnezahn von Oben hinuntergestürmt kam. „Hicks er ist aufgewacht."
Sofort ließ der junge Wikinger sein Frühstück liegen und rannte, so schnell er konnte nach oben. Mit einem Dolch in der Hand, um auf alles vorbereitet zu sein. Dagur war zwar ans Bett gefesselt worden, aber man konnte sich bei der körperlichen Stärke der Berserker nicht sicher genug sein.
Als Hicks oben ankam, fand er einen vor sich hin brabbelnden Berserker vor, der nichts weiter tat, als den Kopf hin und her zu wiegen. Irgendwie gruselig, fand Hicks, aber nach einem so starken Alkoholtrauma auch nicht sehr verwunderlich.
„Dagur?" Da wandte der Berserker seinen Kopf nach linkt und fing an typisch für ihn zu grinsen. „Hicks mein Bruder. Was machst du denn hier? Ich dachte, diese Insel sei unbewohnt und abgelegen?" – „Dasselbe könnte ich dich auch fragen, Dagur. Was machst du auf meiner Insel?"
Da schaute der rothaarige Wikinger etwas verwundert: „Deine Insel? Seit wann expandieren die Berkianer und besetzen neue Inseln. Ist eure nicht mehr groß genug?"
„Dagur. Erstens bin ich kein Berkianer mehr. Ich bin Verbannter und zweitens habe ich diese Insel als meine neue Heimat ausgesucht. Ich wohne hier allein mit meinem Nachtschatten und noch jemandem." Hicks wollte nicht Loki erwähnen. Auch wollte er eigentlich, dass Ohnezahn unten geblieben wäre, aber der schwarze Drache stand mit drohlicher Geste neben Hicks, jederzeit bereit einen Plasmablitz auf den Berserker zu feuern.
„Du wurdest verbannt?" – „Ja, weil ich Frieden mit den Drachen geschlossen habe und das nicht sehr gut beim Rest des Dorfes ankam.", gestand Hicks ihm.
Darauf richtete sich der Blick des Berserkers auf den Nachtschatten: „Ein sehr schönes Tier. Sage mal ist das etwa ein Sattel da auf dem Drachen? Kannst du ihn reiten?" Dagur schien begeistert zu sein. Er war nicht feindlich gesinnt, eher fasziniert.
Und wieder musste ihm Hicks ein Ja zugestehen. Das machte er zwar nur ungern, aber der Rausch des Alkohols schien bei dem Wikinger verschwunden zu sein. Und Loki könnte ihm immerhin noch seine Gedanken löschen, wenn es unangenehm werden würde.
„Wow, Hicks. Du hast es echt weiter gebracht, als ich. Aber eines haben wir gemeinsam. Wir sind beide Ausgestoßene." Da weiteten sich die Augen des jungen Wikingers. „Wie bitte, Dagur? Du wurdest auch verbannt?"
„Ganz genau Hicks. Als mein Vater gestorben ist, habe nicht ich, sondern meine plötzlich wieder aufgetauchte Schwester das Ruder in die Hand genommen. Und ich bitte dich, eine Frau als Anführerin der Berserker. Sie hat mich verbannt und mit einem Boot aufs Meer treiben lassen. Den Met hab ich mir dann bei Händler Johann geholt, als er mit seinem Schiff meinen Kurs kreuzte. Das hat mich wenigstens ein bisschen den Schmerz vergessen lassen."
Das hatte Hicks nicht erwartet. Dagur wurde von seinem eigenen Volk verstoßen? Und er hatte eine Schwester? Das kam vieles plötzlich. Natürlich könnte der Berserker auch lügen, so wie er es schon oft getan hatte, aber so betrunken wie er war und auch wie er danach gestunken hatte, konnte es nicht erlogen sein.
„Du Hicks könntest du mich vielleicht mal los binden? Diese Fesseln sind wirklich nicht nötig. Und mein Kopf – der brummt mir so, als hätte ein Gronckel drauf gesessen."
Hicks zögerte erst, den Berserker los zu binden, aber lange konnte er da auch nicht bleiben.
„Ohnezahn? Du gibst mir Deckung. Wenn er auch nur eine falsche Bewegung macht, wenn ich ihn losbinde, grillst du ihn." – „Verstanden."
Dagur schaute nur verwirrt drein. „Du redest mit dem Drachen wie mit einem Menschen? Also scheinbar musst du hier schon etwas länger auf der Insel sein." – „Nein, das hat andere Gründe, aber alles zu seiner Zeit." Hicks band den Berserker los. Dagur richtete sich langsam auf und schritt mit Hicks runter in den Hauptraum. Währenddessen hatte Ohnezahn ihn genauestens im Blick. Jederzeit war er bereit gewesen, dem Berserker einen Plasmablitz zu verpassen. Aber bisher blieb der rothaarige ruhig.
„Oh Fischsuppe. Darf ich? Ich habe seit Tagen nichts Vernünftiges gegessen." – „Tu dir keinen Zwang an, Dagur."
Nach dieser Ausnahme stürzte sich der Berserker auf den Kessel mit der Suppe. „Man der frisst wie ein Gronckel, wenn er auf eine Kalksteinader getroffen ist." – „Das kannst du wohl laut sagen, Ohnezahn."
Genau in diesem Moment betrat Loki den Raum. Er hatte alles für das heutige Training vorbereitet und wollte Hicks abholen. Da sah er den Berserker die restliche Suppe ausschlürfen und gesellte sich zu Hicks. „Man der hat aber Tischmanieren." Da war selbst der Gott erstaunt.

Nach einer halben Stunde hatten sich die Drei an einem Tisch versammelt. Dagur beäugte den Mann neben Hicks, der ihn befremdlich aber doch bekannt vorkam. Hatte er ihn schon irgendwo in einer Schriftrolle gesehen?
„Also das ist die zweite Person hier auf deiner Insel. Und wer ist das?" – „Mein Name ist Loki. Gott der Streiche und der Drachen."
In diesem Moment musste Dagur grinsen. Schon gleich darauf ging es in ein Lachen über, dass jeden Drachen im Umkreis von einer Meile hätte aufwecken können.
„Also du bist Loki. Schöner Scherz." – „Das ist kein Scherz.", wurde der Gott wütender. Kurz blickte er zu Hicks. Der verstand sofort: „Zeig es ihm!"
Nur einen Moment später schnippte Loki mit den Fingern und der Berserker verwandelte sich vor den Augen beider ein einen schrecklichen Schrecken. Als Dagur das bemerkte, stieß er einen verstörenden Schrei aus, noch schlimmer als das Lachen.
„Ich glaube, das war doch keine so gute Idee. Verwandele ihn wieder zurück!" – „Du kannst Gedanken lesen Hicks." Noch einmal schnippte Loki mit den Fingern und an der Stelle des kleinen Drachens stand wieder der Berserker.
Schockiert blickte er zu dem Mann, der ihn gerade verwandelt hatte. „Bei meiner Seele, du bist tatsächlich Loki. Was hast du denn bei einem wie Hicks verloren?" – „Das geht dich nichts an. Und außerdem hat Hicks noch einige Fragen an dich, oder willst de den Rest deines Lebens als Schrecklicher Schrecken verbringen?" Da wurde der Berserker ganz mickrig und versuchte darauf Hicks Fragen so gut es ging, zu beantworten.
„Also Dagur. Was hat es mit deiner Schwester auf sich?"

A Viking and his DragonWhere stories live. Discover now