Rundflug

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Drei Tage waren auf der Drachenklippe vergangen. Hicks hatte sich erst einmal von dem Gedanken entfernt, blind los zu schlagen. Er müsste erst einmal eine Armee aufbauen, denn die Drachenkönigin würde sicher über Truppen verfügen und das nicht wenig. Hicks müsste sie auf der Insellebenden Drachen mobilisieren, aber waren diese noch nie in einen Krieg gezogen. Sie nicht einmal gut gegen die Drachenjäger von Drago ankommen. Dieser Gedanke belastete ihn. Ein großer Angriff würde viele Drachenleben fordern und das wollte er auf keinen Fall riskieren. Eine andere Lösung musste her, aber welche?
Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Valka in sein Zimmer kam. Die Sonne hatte schon den Horizont verlassen und war im Begriff zu steigen. Man konnte von draußen schon einige Drachen hören und auch das Meer mit seinen Wellen, die an den Felsen der Drachenklippe brachen, konnte man vernehmen. Hicks mochte diesen Geräuschpegel. Es beruhigte ihn, dass es Orte wie diesen gab, an dem Drachen und Menschen in Frieden miteinander leben konnten. Ohne Krieg und Hass. Valka schien aber etwas Wichtiges zu melden zu haben.
„Mutter, was ist denn los?" – „Dagur ist wieder zurück und er hat noch jemanden mitgebracht." Hicks stutzte. „Wen hat er denn mitgebracht?" – „Komm einfach mit und schau es dir an." Mit diesen Worten verließ sie auch schon das Zimmer wieder. So schnell sie gekommen war, so war sie auch wieder weg. Hicks kannte diese Art von seiner Mutter. Auch schon bei ihrer ersten Begegnung lief es so ab. Sie gab sich zu erkennen und zog den jungen Haddock gleich mit in den Drachenhort. Eine Macke, die sie sich wohl nie abgewöhnen würde, wenn Hicks so darüber nachdachte. Das gab seiner Mutter aber, dieses geheimnisvolle Etwas, was er an ihr so schätzte. Die Drachenlady über die man nach 2 Jahren Zusammenleben noch nicht alles wusste.
Hicks richtete sich auf und zog sich schnell eine grüne Hose und seine Tunika an. Ein Schwall kaltes Wasser an den Kopf, um die letzte Müdigkeit zu vertreiben und die Haare halbwegs in Form zu bringen und er machte sich auf den Weg nach draußen. Ohnezahn musste schon früher gegangen sein, denn die Steinplatte im Nebenzimmer war leer. Sicherlich hatte der Nachtschatten die Begleitung von Dagur begrüßt. Wie peinlich, der letzte zu sein. Er zog am Hauseingang seine Stiefel an und trat vor die Tür. Als Erstes konnte er Schattenmeister sehen. Der Dreistachel schlug sich an einem Trog den Magen mit frischem Fisch voll, den Loki gefangen haben musste. Jedenfalls stand er neben dem Drachen und freute sich sichtlich, dass es diesem schmeckte. Dann warf er einen Blick rüber zu den Drachenställen. Dort hatte sich Dagur platziert und neben ihm seine Schwester.
„Heidrun? Schön, dich hier auf der Drachenklippe zu sehen. Aber was machst du hier?" Hicks ging auf sie zu. Heidrun lächelte etwas. Immerhin war der junge Mann vor ihr ihr Befreier gewesen, der sie aus dem Bann des Roten Todes geholte hatte.
„Dagur hat mir viel von hier erzählt und da wollte ich mir selber ein Bild machen. Und es ist wirklich schön, wie Drachen hier zusammen leben und auch mit euch." – „Das ist die Drachenklippe. Unsere kleine, heile Welt." Jetzt grinste Hicks zurück.
„Leute, ich will euch nicht unterbrechen, aber ich habe ziemlich großen Hunger. Hicks, ist noch was von dem Fladenbrot übrig.", sagte Dagur. Aber Hicks tat sich schwer, die Stimme wegen seines Magenknurrens zu hören. „Die schlechte Nachricht ist, es ist alle. Die Gute, Es roch so, als ob meine Mutter gerade welches aus dem Ofen genommen hat." Das ließ sich der Berserker nicht zweimal sagen. Sofort verschwand er in Hicks Haus und schlug sich den Magen voll. Hicks und Heidrun ließ er einfach links liegen. Wenn ein Berserker Hunger hatte, waren alle anderen Dinge unwichtig. Zumindest galt das für Dagur.
„So schnell habe ich den noch nicht rennen sehen.", fügte Heidrun ihre Bemerkung hinzu. „Ja aber nur, wenn er Hunger hat." Beide mussten ein wenig lachen, dann fiel Hicks auf, dass auch der Magen der jungen Berserkerin knurrte. „Du hast aber auch Hunger. Na komm, gesellen wir uns zu deinem Bruder und essen etwas, wenn er was übrig gelassen hat." Beide gingen nebeneinander in Hicks Haus, wobei der junge Wikinger ein Gefühl entwickelte, was ihm völlig fremd vorkam. Es wurde komisch in seinem Bauch. Es kribbelte und sein Puls fing an, schneller zu schlagen. Es war nicht unangenehm, nicht schmerzhaft. Es war wie eine wohlige Wärme, wenn er Heidrun ansah. War er krank? Das konnte nicht sein, seine Drachenmagie schützte ihn vor Krankheiten. Vielleicht sollte er mal Loki fragen. Vielleicht eine neue Funktion des Drachenherzens, denn Hicks konnte dieses Gefühl überhaupt nicht einordnen.
Ein wenig später hatte sich die Gruppe aufgeteilt. Hicks hatte Heidrun noch Loki vorgestellt, der ganz entzückt von der Schönheit der jungen Frau war. Viel Zeit blieb nicht, Hicks musste wieder trainieren und durch Meditation sein Drachenherz stärken. Loki half ihm dabei und begleitete ihn in den Wals zu einer geheimen Höhle, die nur er und Hicks kannten.
„Also Hicks, konzentriere und entspanne dich zugleich. Wir müssen wissen, was die Königin weiter plant. Also, los!" Loki setzte sich gegenüber den jungen Haddock und passte auf ihn auf, während Hicks immer tiefer in die Ebenen seines Bewusstseins abstieg. Es war für ihn mittlerweile zu einer Routine geworden, das Drachenherz zu durchforschen und immer tiefer darin vorzudringen. Er erforschte seine Gedanken und konzentrierte sich auf die Drachenkönigin. Dann offenbarte sich das, was er gesucht hatte. Die Königin plante etwas Großes. Scheinbar suchte sie nach jemandem und sie war ängstlich. Etwas stresste sie und Hicks wusste, wer es wohl sein könnte.
Mit einem Schlag wachte er aus seiner Mediation auf. „Und, was ist?", fragte Loki aufgeregt. „Ich glaube die Drachenkönigin sucht mich. Sie will wissen, wer ich bin und wo ich wohne." – „Das ist nicht gut. Aber diese Insel hier kennt sie nicht. Zum Glück." Loki Half Hicks auf und beide gingen ein Stück. Sie sprachen einige Zeit über die Drachenkönigin und wie man am besten gegen sie vorgehen müsste, dann wechselte das Thema.
„Und wie findest du Heidrun?" Urplötzlich schoss die Frage aus Loki heraus. Hicks war komplett verwirrt. „Wie bitte, was?" – „Wie findest du sie? Ist eine einfache Frage." Loki blickte zu Hicks herüber, während sie ein Stück im Wald liefen.
„Nun ich finde sie schon ganz in Ordnung. Sie ist sehr nett und freundlich." – „Ach komm schon, ich habe deine Blicke gesehen. Du konntest doch kaum die Augen von ihr lassen." Dabei fing er an Hicks anzugrinsen, was Loki nur sehr selten tat. Und der junge Haddock hatte sich ertappt gefühlt.
„Ja schon. Sie ist nett. Ich bekomme auch immer so ein komisches Gefühl..." – „Wenn du sie ansiehst. Lass mich raten. Dein Herz schlägt schneller, es kribbelt im Bauch und es verbreitet sich eine komische Wärme?" Als Ob Loki in seine Gedanken geschaut hatte. Alles stimmte und Hicks schaute ihn nur verwundert an.
„Hat das was mit dem Drachenherz zu tun?", fragte Hicks ihn schließlich. „Nein. Du hast dich in Heidrun verknallt." Der braunhaarige Wikinger wollte das erst nicht recht glauben. „Ich hab mich doch nicht in sie verliebt, oder doch?" – „Na so wie du sie angeschaut hast? Hab mir ehrlich gesagt schon Sorgen gemacht, dass du bei deiner ganzen Drachigkeit eher auf Drachen stehst." – „Was nein! Loki!" – „War doch nur ein Scherz." Was sich der Gott da wieder gedacht hatte. Aber er hatte Recht. Vielleicht hatte sich Hicks urplötzlich in Heidrun verliebt. Er hatte schließlich davon schon gehört. Als ob man von einem Pfeil getroffen würde, so plötzlich konnte es kommen.
„Und was soll ich nun tun?" – „Nun, Hicks. Sie scheint dich auch nicht gerade zu verachten. Verbring ein wenig Zeit mit ihr. Unternehmt was zusammen. Du kannst dich ruhig mal ein wenig ablenken." – „Aber was ist mit dem Roten Tod?" – „Der soll uns erst einmal finden. Mache dir mal ein paar schöne Tage. Und komm. Ich glaube selbst Freya würde auf die Figur von Heidrun neidisch werden." – „Loki jetzt übertreib es nicht."
Sie gingen ein Stück, bis sie wieder an der Siedlung ankamen. Dagur hatte sich um Schattenmeisters Sattel gekümmert. Es mussten einige Verbesserungen vorgenommen werden und Zeit war gerade da. Valka kümmerte sich um die Drachen auf der Insel. War also noch nicht zurück. Heidrun wirkte ein wenig wie bestellt und nicht abgeholt. Sie wollte zwar Dagur helfen, aber sie hatte keine Ahnung von einem Sattel für Drachen. Und der Dreistachel war ihr auch nicht ganz geheuer. Die Chance für Hicks, die Gelegenheit am Schopfe zu packen.
„Hallo Heidrun. Was machst du gerade?" Etwas Besseres fiel ihm für diesen Moment nicht ein. „Nun eigentlich gar nichts, Hicks. Dagur ist mit dem Sattel beschäftigt und deiner Mutter konnte ich auch irgendwie nicht helfen." Auch sie schien einen leicht verlegenen Gesichtsausdruck zu haben. Hicks vermutete das zumindest.
„Dann hast du sicher nichts dagegen, wenn wir einen kleinen abendlichen Rundflug machen? Dann kann ich dir die Insel zeigen, wenn du willst." – „Sehr gerne, aber brauchen wir nicht deinen Drachen dazu?" Sie schaute sich um und entdeckte den Nachtschatten von Hicks, aber der gab seinem Reiter ein Zeichen, dass er keine große Lust hatte. „Ich dachte nur wir zwei." Mit diesen Worten verwandelte sich Hicks in einen Nachtchatten. Heidrun hatte erst bedenken, doch dann stieg sie auf.

A Viking and his DragonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt