#12 The demons

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"Weißt du, was so interessant an Uhren ist?" Hoseok schaute nicht mich sondern seine Hände an, die er ab und an mal knetete und dann wieder in seinem Schoß ruhen ließ. Ich hingegen verfolgte jede seiner Bewegungen und war jederzeit bereit, das Messer neben mir einzusetzen. "Wenn Uhren stehen bleiben, weiß man auf die Minute genau, wann sie es getan haben."
"Stimmt, aber was soll mir diese Aussage bringen?", fragte ich nach, worauf mich der braunhaarige ansah. "Bei Menschen ist es anders, nicht wahr? Auch sie hören auf, richtig zu ticken, aber ihnen kann man nicht ansehen, wann sie aufgehört haben, zu funktionieren. Du siehst nicht mal, dass sie kaputt sind."

Seine Worte gingen mir leicht unter die Haut und schon jetzt wusste ich, dass sie mich noch lange begleiten würden. Aber auch, wenn sie weise und wahr waren, fragte ich mich, warum er sie ausgerechnet jetzt aussprach. Laut ihm hatte er viel zu erzählen, warum fing er bei kaputten Uhren an?

"Ich habe im Gefängnis viel überlegt, über dich und Yoongi nachgedacht. Weil ihr beide kaputt seid, man es aber nicht sah und sich nur spekulieren ließ, wann euer Verstand aufgehört hat, zu funktionieren. Und ob es überhaupt wichtig ist, dies zu wissen." Er sprach weggetreten, irgendwie in seiner Welt, aber noch klar und deutlich, sodass ich ihn verstand. "Wir beide sind kaputt?", warf ich in den Raum, in dem sich die Spannung gelegt hatte. Hoseok nickte. Ich konnte mir vorstellen, was in Yoongi kaputt war. Seine Auffassung von Liebe oder der Art, Menschen richtig zu behandeln. Es war zwar nicht seine Schuld, dass er so dachte und gehandelt hatte, jedoch musste er irgendwo dafür gerade stehen. Es war oft so, dass uns andere brachen und wir damit alleine gelassen wurden, die Welt war unfair. Aber nur weil wir gebrochen waren, hieß das nicht, dass wir die Splitter unserer Seele als Grund nehmen durften, andere zu verletzen.

"Wäre in seiner Vergangenheit vieles anders gelaufen, wäre auch in der Gegenwart vieles anders gewesen."
"Meinst du das Mädchen?"
"Es wäre schön, wenn es nur sie wäre."
"Kannst du mir über ihn erzählen? Auch wenn ich das schade finde, glaube ich, dass du viel mehr über ihn weißt als ich", bat ich. Hoseok seufzte traurig und setzte sich in eine gemütlichere Position, sah sich in meinem Flur und Wohnzimmer um, während er erzählte. "Stimmt schon, dass sie eine entscheidende Rolle in seinem Leben gespielt hat, aber sicherlich nicht die Rolle. Ich denke, es gab mehr Gründe, die ihm den Boden unter den Füßen weggezogen haben, als er gerade dabei war, sich selbst zu finden. Als Beispiel... wusstest du, dass sich seine Eltern getrennt haben, als er ungefähr fünfzehn Jahre alt war? Ich wage zu glauben, dass es dort angefangen hat. Der Kampf mit seinem eigenen Verstand, der sich vorher nur als fehlende Zugehörigkeit gezeigt hatte, welche jedoch falsch interpretiert wurde. Als seine Mutter seinen Vater betrogen und ihn mit beiden Kindern sitzen gelassen hatte."

Meine Augen weiteten sich etwas. "Der Kampf...?", murmelte ich, Hoseok dabei anstarrend. Dieser lächelte traurig, als er mich mit demselben Ausdruck in seinen Augen anschaute. "Ich habe mich gefragt, wie du wohl reagierst, wenn ich dir sage, dass Yoongi genauso gebrochen und verloren ist wie du es bist."

Genauso gebrochen und verloren wie ich es war? Auch wenn seine Worte nicht leicht zu missverstehen waren, nahm ich sie nicht richtig auf. Es lag auf der Hand, was er da sagte und was das für Yoongi hieß, aber ich konnte es nicht glauben, wollte es nicht verstehen.

"Was meinst du damit?" Meine Stimme begann zu zittern. Sicherlich wollte ich das alles gar nicht hören, aber vor der Wahrheit konnte ich nicht weglaufen, selbst wenn Yoongi nicht mehr hier bei mir war.
"Du bist nicht er einzige mit Narben auf der Haut und einem Zwiespalt im Kopf", sagte Hoseok bedauernd. Ich schüttelte den Kopf. Yoongi hatte sich in derselben Lage wie mir befunden? Und alles was ich getan hatte, war ihm das Leben zur Hölle zu machen. "Er hat immer darauf beharrt, dass sie verblasst wären und es keine Schwachstelle von ihm mehr sei, aber dass man etwas nicht sehen kann, heißt nicht, dass es nicht mehr da ist, habe ich recht? Selbst wenn, die Narben auf seinem Herzen werden nie verblassen."
"Du willst mir sagen, dass er sich auch verletzt hat und sich genauso gefühlt hat wie ich, während ich ihn mit meinen Sorgen voll geheult habe?", fragte ich weinerlich, weil ich es nicht begreifen wollte.

「 devil 」 - yoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt