Kapitel 1

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Mein Kopf flog nach rechts und meine Wange schmerzte heftig, wodurch mein Körper leicht zum Zittern begann und mich dazu brachte regungslos auf den Boden zu starren in der Hoffnung zu verschwinden. Ich traute mich nicht den Blick zu heben und ihn anzusehen. Meine Tränen unterdrückte ich mit aller Kraft und schloss dafür meine Augen. Seine Worte hallten laut und aggressiv durch meine Ohren, aber ich war daran gewohnt. Es machte mir nämlich nichts mehr aus und das schon lange nicht mehr.

"Ich habe dir gesagt, dass du mir nicht widersprechen sollst!", riss er mich aus meinen tiefen Gedanken, worauf ich erschrocken zusammenzuckte und zurückwich.

"Entschuldige dich!", schrie er weiter und hielt mich unsanft am Kinn fest, sodass ich ihn gezwungenermaßen ansehen musste.

Langsam öffnete ich meine Augen und blickte direkt in seine dunklen Blauen hinein, die mich voller Wut anfunkelten. Seine schwarzgrauen Haare, die etwas länger waren, wurden ordentlich nach hinten gekämmt und mit etwas Haarspray befestigt, doch trotzdem hatten sich einige Strähnen gelöst, die ihm nun in die Stirn fielen. Es störte ihn aber keineswegs, denn seine ganze Aufmerksamkeit galt gerade nur mir.

Es war kein Hass, was er mir gegenüber ausstrahlte. Das konnte es nicht sein, jedoch hatte ich trotzdem keinerlei Erklärung dafür, warum sein Benehmen so war.

Als er seine freie Hand hob und mir somit drohte noch einmal zu schlagen, gab ich auf mich zu wehren, denn es nützte nichts. Wie jedes einzelne Mal schaffte er es mich wieder in dieses kleine und verletzliche Mädchen zu verwandeln.

"E-Es...tut mir leid", flüsterte ich kaum hörbar.

Nach meiner gezwungenen Entschuldigung an ihm ließ er mich endgültig los und nahm genügend Abstand von mir. Er drehte mir den Rücken zu und ließ sich wortlos auf die Couch fallen, um anschließend den Fernseher anzuschalten.

Eine gewisse Wut kochte in mir auf, die ich jedoch versteckte und manchmal das unheimliche Gefühl verspürte ihn für all das zu bestrafen, was er mir jemals angetan hatte. Dieser verlockende Gedanke verschwand mit meiner kleinen Hoffnung, die ich in mir noch trug, denn ich besaß nicht solch einen Mut dafür. Ich war schwach und meine Angst hatte die Macht über mich übernommen, sodass ich kraftlos vor ihm stand.

"Mach mir etwas zu essen", befahl er.

Ohne ein weiteres Mal in seine Richtung zu blicken, flüchtete ich in die Küche hinein.

Mit einem unregelmäßigen Herzschlag lehnte ich mich mit dem Rücken gegen die Küchentheke an. Meine Hand hob sich, um vorsichtig die pochende Wange zu berühren, aber ich entschied mich dagegen, als die Stelle schmerzte. Eine Berührung würde es nur noch mehr verschlimmern, denn diesmal hatte er noch fester zu geschlagen.

"Beeil dich!", rief er mir zu.

Aus diesem Grund schnappte ich mir sichtlich ermüdet eines der Töpfe, die sich in den weißen Schränken befanden und schüttete ausreichend Wasser rein und stellte es somit auf den Herd ab, sodass es zum Kochen beginnen konnte.

Ich hatte vor ihm einfache Nudeln zu zubereiten, da dies am schnellsten ging.

Allmählich fühlte es sich so an, als ob ich keine Luft mehr bekam, daher beschloss ich schleunigst das Fenster zu öffnen. Eine gewisse Verzweiflung entstand tief in mir drinnen und ich machte meine Augen zu. Die Tränen, die den Weg nach draußen fanden, konnte ich nicht verhindern, doch ich wischte sie mir schnell wieder von den Wangen weg, bevor es schlimmer werden würde.

Ich hoffte innerlich so sehr, dass meine Mutter heute nach Hause kam, denn mit dem Monster, das sich Stiefvater nannte, wollte ich auf keinen Fall noch einen weiteren Tag allein bleiben.

Mein LebenWhere stories live. Discover now