Kapitel 57

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Amelia's Sicht

Ein zweites Mal versuchte ich meinen Finger zu heben, aber es gelang mir nicht. Nur eine kleine Bewegung schaffte ich und mehr ging es auch nicht. Noch immer hielt ich meine Augen geschlossen, denn sie fühlten sich so schwer an, dass ich sie gar nicht aufbekam. Allgemein konnte ich meinen ganzen Körper nicht bewegen, als ob ich seit Jahren geschlafen hätte. So langsam versuchte ich mich aber anzustrengen, denn ich konnte eine Stimme wahrnehmen, die ich jedoch niemanden zuordnen konnte.

Mit viel Kraft schaffte ich es für einen kleinen Augenblick meine Augen zu öffnen, doch das helle Licht blendete mich, worauf ich sie schlagartig zu kniff. Für einige Sekunden wartete ich, denn es war sehr anstrengend für mich. Bei einem weiteren Versuch ließ ich die Augen offen und gewöhnte mich langsam an das Licht. Verwirrt starrte ich auf die Zimmerdecke bis mein Blick zum Bett wanderte, worauf ich lag. Ich bemerkte sofort, wo ich war und dieses Wissen beunruhigte mich. Warum war ich in einem Krankenhaus? Die wichtigere Frage war aber, warum ich mich nicht mehr bewegen konnte? Eine kleine Panik stieg in mir auf, weshalb ich vorsichtig meinen Kopf drehte und schließlich einen Jungen vor mir erblickte.

Es vergingen Sekunden und ich starrte ihn einfach nur an, dabei dachte ich nach, denn ich erinnerte mich an ihn nicht. Seine braunen Locken kamen mir nicht bekannt vor. Diese dunklen Augen, die mich voller Freude anstrahlten, waren mir völlig fremd. Desto länger ich überlegte, wurde mir etwas klar. Ich konnte mich an rein gar nichts erinnern. Meinen eigenen Namen wusste ich nicht einmal. Mir fiel rein gar nichts ein und mein Kopf war einfach wie leer gefegt. Wie konnte sowas nur sein? Mein Puls beschleunigte sich automatisch, da ich eine kleine Angst in mir verspürte. Wer war ich? Es war ein völlig komisches Gefühl sich nicht selbst zu kennen.

Erschrocken wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als der Unbekannte nach einem Arzt schrie. Mit großen Augen betrachtete ich ihn und als er sich wieder zu mir umdrehte, lag weiterhin ein Lächeln auf seinen Lippen. Wer könnte er denn sein? Egal wie lange ich aber nachdachte, kam keine Erinnerung zurück und das bereitete mir Kopfschmerzen. Ich machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber kein Ton bekam ich raus. Dafür kam ein starkes Husten, da mein Hals so trocken war. Der fremde Junge hielt mir sofort ein Wasser vors Gesicht und obwohl ich mich leicht unsicher fühlte, trank ich einige Schlücke aus dem Glas.

"Du bist wirklich wach. Ich kann es noch immer nicht fassen. Wo bleibt eigentlich der Arzt endlich? Geht es dir überhaupt gut? Tut dir etwas weh?", redete er in einem durcheinander und sah wirklich überfordert aus.

"W-Wer...bist...d-du?", bekam ich nur in einem leisen Ton heraus und es tat wirklich weh zu reden, weswegen ich kurz das Gesicht verzog.

"Erkennst du mich nicht?", fragte er verwirrt und ich schüttelte als Antwort den Kopf.

Sein Lächeln verschwand und er verengte nachdenklich die Augenbrauen. Anscheinend wusste er nicht so genau, was er jetzt sagen sollte. In dem Moment ging auch die Zimmertür auf und ein Arzt kam herein, der mich leicht überrascht ansah. Warum waren nur alle so komisch? Am liebsten hätte ich Fragen gestellt, aber ich konnte kaum reden, weshalb ich nur stumm das Geschehen verfolgte.

"Sie erinnert sich nicht an mich", sprach der Junge zum Doktor, dabei konnte ich etwas wie Traurigkeit aus seiner Stimme heraushören.

"Wie fühlen Sie sich?", wollte der Arzt schließlich wissen, bevor er dem Fremden eine Antwort darauf gab.

"S-Schw-wach", flüsterte ich und dieser nickte, dabei schrieb er sich irgendwas auf.

"Können Sie sich an Ihren Namen erinnern?", war seine nächste Frage und ich schüttelte nur meinen Kopf, da ich wirklich keinerlei Erinnerung an etwas hatte.

Der Arzt war vertieft in seinen Unterlagen, weswegen eine kleine Stille herrschte. Ehrlich gesagt, machte es mich schon ein wenig wütend, dass sie mir nichts erzählten. Sie stellten mir nur Fragen, obwohl ich die Person war, die ihnen welche stellen musste. Wenn ich nur die Kraft dazu hätte, würde ich es auch tun.

Plötzlich spürte ich einen Blick auf mir, worauf ich vorsichtig den Kopf hob und zu diesem Jungen schaute. Er sah mich sehr intensiv an, als ob er sichergehen wollte, ob ich mich auch wirklich an nichts erinnerte oder er konnte es einfach nicht glauben. Ich fragte mich wirklich, wer er war. Vielleicht war er jemand aus meiner Familie oder doch nur ein Freund? Hatte ich denn überhaupt Menschen in meinem Leben, die mich liebten? Er war irgendwie der Einzige, den ich bis jetzt zu Gesicht bekam. Verzweifelt ließ ich meinen Kopf hängen und schloss müde die Augen.

Konnte all das nicht nur ein böser Alptraum sein?

Drake's Sicht

Das Einzige, was ich im Moment tun konnte, war es sie anzustarren. Ich war so glücklich, dass sie endlich ihre Augen aufgemacht hatte, aber das sie sich an nichts mehr erinnerte, ließ mich verzweifeln. Auf einer Weise machte es mich wirklich traurig, aber der Gedanke wollte auch nicht in meinem Kopf verschwinden, dass sie nicht darüber erfreut wäre, wenn sie sich an mich erinnern würde.

"Mr Wilson können Sie mit mir kurz vor die Tür gehen?", riss mich der Doktor aus meinen Gedanken und ich nickte nur benommen.

Bevor ich das Zimmer verließ, warf ich einen kleinen Blick zu Amelia rüber, die mich weiterhin neugierig beobachtete. Wahrscheinlich versuchte sie sich an mich zu erinnern, aber irgendwie war es besser, wenn sie mich nicht kannte. Ihre Augen strahlten Unsicherheit aus und ich wünschte, sie würden anders schauen wie ich sie ansehe. Nur ein einziges Mal wollte ich es, aber wahrscheinlich würde es niemals passieren. Ich drehte mich schließlich wieder um und folgte dem Arzt, der schon auf mich wartete.

"Uns war schon von Anfang an bewusst, dass Ms Davis sich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit an nichts mehr erinnern würde", begann der Arzt und ich hörte ihm nur still zu.

"Nachdem Ms Davis ins Krankenhaus gebracht wurde, war eine gefährliche Platzwunde an ihrem Kopf zu sehen. Das sie trotz deshalb leben würde, war sehr gering, aber anscheinend ist ihre Freundin sehr stark und hat es ausgehalten. Auch, wenn sie nun keine Erinnerung an ihr Leben hat, können Sie darüber froh sein das sie aufgewacht ist. Ich kann Ihnen leider nichts genaues darüber sagen, ob sie sich jemals wieder erinnern wird, aber Sie können ihr bei ihren Erinnerungen helfen. Das ist bis jetzt alles, was es zu sagen gibt. Ich muss noch einige Untersuchungen an Ms Davis ausführen, deshalb bitte ich Sie hier draußen zu warten", lächelte der Arzt schwach, worauf ich nur nickte und kein Wort raus bekam.

Als er wieder ins Zimmer verschwand, ließ ich mich auf einen der Stühle im Gang fallen und starrte dabei ins Leere. Mein Kopf war mit Fragen voll und eine große Entscheidung lag in meiner Hand, worauf ich jedoch keine Antwort hatte. Sollte ich ihr alles erzählen oder nicht? Verzweifelt vergrub ich das Gesicht in meinen Händen und dachte nach. Würde sie mich hassen? Wenn ich ihr wirklich alles erzählen würde, dann würde sie Angst vor mir haben und vielleicht zu Dyan wollen.

Sofort schüttelte ich meinen Kopf. Niemals würde ich sie zu ihm lassen, denn ohne sie konnte ich nicht mehr leben. Ich wollte ihr keine Lügen erzählen, aber ich konnte auch nicht zu lassen, dass ich sie verlor. Das musste ich tun. Vielleicht hatte ich kein Recht ihr Leben zu verstecken, aber sie ließ mir keine andere Wahl. Außerdem war es doch gar nicht so schlecht, denn ich würde Amelia ein neues Leben schenken, wo sie viel glücklicher wäre. Niemand könnte sie mehr verletzen und ich würde alles dafür tun, um sie glücklich zu machen. Nur für ein Lächeln in ihrem Gesicht würde ich sogar sterben. Wir zwei würden glücklich werden, da war ich mir sicher. Ab jetzt gab es nur noch uns beide.

"Es tut mir Leid, aber ich brauche dich", flüsterte ich und schloss müde meine Augen.

Mein LebenWhere stories live. Discover now