Kapitel 2 - Überrascht

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Samstag, der 03/21/2020, 02:02 AM

Sicher eine Minute verstrich. Ich hatte keine Chance, das Haus zu verlassen. Abgesehen davon, dass die Haustür noch immer alarmgeschützt war, konnte ich mich nicht zurück auf die Füße zwingen.

Der Kontakt vom Headset riss ab. Sie hatten mich zurückgelassen.

Und ich begann zu schluchzen wie ein kleines Kind, das seine Mutter beim Einkaufen verloren hatte. Und genauso fühlte ich mich.

Der Junge hatte sich noch immer nicht gerührt. Er starrte mich noch immer mit einer Mischung aus Interesse und Überraschung an. Dann kam er auf mich zu.

Plötzlich hatte mein Gehirn wieder Verbindung zu meinen Gliedmaßen und ich krabbelte rückwärts davon, stieß aber direkt an die Wand.

Der Junge hockte sich vor mich und entwand meiner tauben Hand ohne Mühe die Schere. Dann fasste er den Rand meiner Skimaske an, in der ich so übertrieben wirkte, dass ich in jeder anderen Situation laut losgelacht hätte. Doch gerade war mir nicht nach lachen zumute.

Er zog die Maske vorsichtig von meinem Kopf und warf sie dann beiseite. Ich rechnete damit, dass er mich schlug. Dass er mich überwältigte, um die Polizei zu rufen.

Ich zuckte zusammen, als er die Hand hob und blinzelte ihn überrascht an, als er leicht meine tränenfeuchte Wange klopfte und mich dann ohne Mühe auf die Füße zog.

"Willst du ein Sandwich?", fragte er, so neutral, als wäre ich ein Freund von ihm.

Ich starrte ihn entgeistert an.

"Du hast Glück, dass meine Eltern nicht da sind, Kleiner", fuhr er fort, "Und dass die Hunde tief und fest schlafen. Mal ehrlich, das sind echt lausige Wachhunde."

Ich erwiderte nichts.

"Also ich habe Hunger", sagte er und zog mich schließlich mit sich.

Die Küche zweigte am am anderen Ende des Raumes ab. Sie war riesig mit einer Kochinsel in der Mitte und einem Tisch für ein Dutzend Personen. Viel von dem Raum realisierte ich allerdings nicht.

Er deutete auf einen Stuhl: "Setz dich doch."

Ich fiel mehr, als dass ich mich setzte. Ich war noch nicht so recht in der Situation angekommen. Innerlich stand ich noch immer in der viel zu kalten Gasse und wartete auf das Auto, das mich in diesen Alptraum befördern sollte.

"Irgendwelche Präferenzen?", fragte er, während er den Kühlschrank ausräumte, "Irgendwelche Allergien?"

Ich antwortete nichts, aber mein Magen knurrte laut. Vermutlich, weil ich das Gefühl hatte, mich jeden Moment übergeben zu müssen. Er lachte leise.

"Immerhin muss ich nicht alleine essen."

Und er begann damit, verschiedene Sandwiche zu schmieren. Peanutbutter and Jelly, BLT, irgendwas mit Honigsenf und viele weitere Variationen, bis er einen Teller mit mehr Essen produziert hatte, als ich in den letzten Tagen gegessen hatte.

Er balancierte ihn zu mir hinüber und stellte ihn auf den Tisch, holte dann noch zwei Dosen Coke aus dem Kühlschrank und öffnete sie, bevor er sie kritisch musterte: "Hm, vielleicht etwas spät für Cola. Na, egal. Prost."

Ich starrte von den Sandwiches zu der Coke und zu ihm, ohne etwas zu sagen. Ich war einfach ... geschockt? Sprachlos? Vor Angst gelähmt? Vermutlich alles gleichzeitig.

"Ach, ich bin unhöflich", sagte er plötzlich, "Mein Name ist übrigens Doug. Wie heißt du?"

"Du bist nicht unhöflich", krächzte ich, als ich endlich meine Stimme wiedergefunden hatte, "Ich meine ... ich bin unhöflich. Ich bin hier eingebrochen."

TOUCH (LGBTQ | boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt