Kapitel 16 - Freiheit

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Fr., 04/24/2020, 06:39 PM

Wie lange ich durch den Regen lief und wohin ich lief, wusste ich nicht. Ich setzte einfach einen Fuß vor den anderen, schob mich durch Gärten und Spielplätze. Bloß weg von Straßen, sollten sie sich entscheiden, mir mit dem Auto zu folgen.

Ich hielt nicht an, um mir Sorgen um meine Mum zu machen. Ich lief weiter, um sie für einen Moment zu vergessen. Um alles zu vergessen: Skipper, Einbrüche, Drogen, Handydiebstähle und mein wirre Gefühlswelt. Ich war nicht mehr der siebzehnjährige Barry, der nebenbei an der Supermarktkasse saß und gute Noten schrieb. Meine einzige Sorge momentan sollte die Frage nach meinen Gefühlen zu Doug sein. Das waren normale Teenager-Probleme. Stattdessen sorgte ich mich um meine DNA an einer Fensterscheibe, erpresserische Fotos und um die Gesundheit meiner Freunde und Familie.

Ich würde gerne in die Vergangenheit reisen und meinem alten Ich eins in die Fresse hauen, weil ich mich auf den Einbruch eingelassen hatte. Andererseits war da noch Doug, den ich sonst nie kennengelernt hätte. Ich wollte ihn endlich wiedersehen. Und da ich jetzt sowieso meinen Hausarrest gebrochen hatte, konnte ich ihn auch anrufen.

Ich hielt an einem kleinen Park, ohne eine Ahnung, wo ich war. Im Regenschatten eines Baumes zog ich das Klapphandy hervor. Sobald ich meine Nachrichten öffnete, wusste ich, weshalb Doug sich nicht gemeldet hatte - die SMS war nie verschickt worden. Mein Guthaben war leer.

Fassungslos starrte ich auf den kleinen Bildschirm. Meine Kleidung war schwer vor Nässe und Kälte kroch unter meine Haut. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war oder wie ich nach Hause finden sollte. Mein Geld und meine Schlüssel waren in meiner Jacke, die noch bei meiner Tante hing und ich war ein Dorf von meinem Zuhause entfernt ohne vernünftige Busverbindung, weil die hier schon nicht mehr existierte.

Ich ließ mich auf den Boden sinken und landete im Matsch, während ich das Handy weiterhin anstarrte. Und als hätte meine Geisteskraft allein es aktiviert, flackerte der Bildschirm plötzlich auf. Ein Anruf. Ein Anruf von Doug. Ich nahm direkt an.

"Das ging ja schnell", begrüßte er mich.

"Doug?", meine Stimme klang so hoffnungslos, wie ich mich fühlte, "Kannst du mich abholen?"

"Was? Ich dachte, du bist bei deiner Tante?"

"Nicht wirklich ... ich bin draußen."

"Was? Es regnet seit Stunden!", ich hörte etwas rascheln, Doug war anscheinend aufgestanden, "Wo bist du? Kannst du mir deinen Standort schicken?"

Ich richtete mich langsam auf und sah mich um: "Klapphandy, schon vergessen? Ich schaue mal nach Straßennamen oder so."

Ich sprintete durch den Regen bis zur nächsten Kreuzung und nannte ihm die Namen. Dann tauchte ich wieder unter dem nächstgelegenen Baum unter, obwohl ich mittlerweile so durchnässt war, dass das wohl keinen Unterschied machte.

"Alles klar, ich komme sofort. Google Maps meint, es dauert zwanzig Minuten", sagte Doug, "Stell dich irgendwo unter."

"Ja, ich weiß", antwortete ich, "Danke, bis gleich."

Ich legte auf und schob meine Hände in meine nassen Hosentaschen, während ich im Regen stand und wartete. Mittlerweile war mir arschkalt und ich zitterte unwillkürlich. Nur wenige Autos fuhren vorbei, aber jedes Mal schoss Adrenalin durch meine Adern. Einerseits erwartete ich natürlich Doug, andererseits könnten meine Familie oder auch Skipper auf der Suche nach mir sein. Ich musste mich unbedingt so schnell wie möglich bei meiner Mum melden und Bescheid sagen, dass es mir gutging.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hielt ein bekanntes Auto an der Kreuzung. Doug. Ich rannte durch den Regen auf das Fahrzeug zu, riss die Beifahrertür auf und sprang ins Innere. Zwar durchnässte ich so Dougs Sitz, aber mir war so kalt, dass es mir egal war.

TOUCH (LGBTQ | boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt