Kapitel 23 - Mum

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Sa., 05/09/2020, 10:23 AM

Natürlich konnte ich meiner Mum am nächsten Morgen nichts vormachen, als ich müde und mit dicken Ringen unter den Augen am Frühstückstisch erschien. Die letzte Nacht steckte mir noch in den Knochen. Eigentlich taten das die letzten Wochen.

Geschlafen hatte ich letzte Nacht kaum. Nachdem Ray mich Zuhause abgesetzt hatte, hatte ich noch einige Stunden wachgelegen und war nur einen einen leichten, unruhigen Schlaf gefallen. Ständig waren Bilder vor meinen Augen aufgeflackert: Die Waffe, das irre Funkeln in Ace' Augen, das gleißend helle Licht der Blendgranate, Doug. Vor allem Doug. Ich hatte keine Chance gehabt, mit ihm zu reden. Ich hatte ihn nicht mal umarmen können. Genauso wusste ich nicht, wie es ihm jetzt ging.

Für die Tageszeitungen waren die Geschehnisse zu aktuell, aber das Internet war voll mit Artikeln und Halbwahrheiten und unsere kleine Stadt war über Nacht zu einer nationalen Berühmtheit geworden.

Viele Infos gab es zwar nicht, aber es hieß, dass eine organisierte Verbrecherbande über Nacht bei dem Einbruch in eine Villa erwischt worden war und dort zwei Jungen vorgefunden hat, nur um dann von den zu früh heimgekehrten Eltern bemerkt zu werden. Diese hatten die Polizei verständigt und da Dougs Eltern einflussreich waren und das Leben ihres einzigen Sohnes auf dem Spiel stand, hatte sich sogar direkt das SWAT eingemischt. Es klang wie das Drehbuch aus einem Actionfilm, allerdings musste ich feststellen, dass ich mich kaum noch an Einzelheiten erinnern konnte. Vielleicht war das ein Schutzmechanismus und mein Gehirn wäre sonst geplatzt. Ich wollte mich nicht beschweren.

Ich war bloß froh, dass Doug und ich so viel Zeit schinden könnten, sonst wäre die Hilfe wohl nicht rechtzeitig eingetroffen. Ace musste sich dafür hassen, dass sie nicht schneller gewesen waren.

Einige neue Artikel berichteten darüber hinaus, dass der Kopf der Bande - Percy Skyles - gefasst worden war. Also hatte mein Tipp der Polizei wohl geholfen. Nur zu welchem Preis?

Als ich in die Küche schlich und mich an den Tisch fallen ließ, besah meine Mum mich kurz und sagte dann: "Ich bin um sechs Uhr aufgewacht, habe mein Handy eingeschaltet und hatte beinahe einen Herzinfarkt. Ich habe dich angerufen, aber du bist nicht rangegangen und dann habe ich dich friedlich schlafend in deinem Bett gefunden. Was ist letzte Nacht passiert?"

Ich schüttelte Cornflakes in meine Schale, besah sie und hatte auf einmal keinen Hunger mehr. Also griff ich einfach nur nach dem Kaffee, der glücklicherweise bereitstand.

"Mum, es gibt vieles, das du nicht weißt", meinte ich.

"Dann erzähl es mir!", forderte sie, fügte aber weicher hinzu, "Geht es Doug gut?"

Ich nickte langsam: "So viel ich weiß, schon. Er war am Arm verletzt, aber sie haben ihn ins Krankenhaus gefahren."

"Geht es dir gut, Liebling? Du sitzt zwar vor mir, aber du scheint weit weg zu sein."

"Ja, ich ...", meine Stimme brach, "Es tut mir leid."

Ich konnte sie nicht ansehen. Ich konnte es einfach nicht. Ich hatte sie belogen, ich hatte unverzeihliche Fehler begangen. Wenn ich ihr erzählen würde, was ich getan hätte, würde sie mich hassen. Ich müsste zu Ray ziehen. Vielleicht auch einfach ausziehen, weit weg von hier.

"Was ist los?"

Ich hob meinen Blick und meine Augen brannten, als ich in das Gesicht meiner Mutter blickte: "Ich muss dir etwas erzählen. Viel erzählen, um genau zu sein. Aber danach ... danach wirst du mich nicht mehr wiedererkennen."

"Ich bin immer für dich da, mein Schatz."

Das bezweifelte ich, aber ich erzählte ihr trotzdem alles. Zum zweiten Mal heute berichtete ich von den letzten Wochen, den Geheimnissen, den Lügen, all der Angst und meinen Fehlern. Dieses Mal detaillierter, nur Rays und Alberts Beteiligung ließ ich aus. Ich musste die beiden nicht auch noch mit hineinziehen.

TOUCH (LGBTQ | boyxboy)Where stories live. Discover now