Kapitel 15 - Hilflos

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Fr., 04/24/2020, 05:15 PM

Die Tage zogen sich quälend langsam dahin. Zum Einen hatte ich kaum Schulaufgaben, zum Anderen war meine Mum ständig Zuhause. Sie ging nicht mal mehr spazieren, obwohl sie das so gerne tat. Vermutlich wollte sie mich im Auge behalten.

Das bedeutete aber auch, dass Doug und ich nur wenig Zeit zum Telefonieren fanden. Meist redeten wir die halbe Nacht hindurch, wenn ich sicher war, dass meine Mutter schlief. Tagsüber tauschten wir zwar SMS, aber die alte Prepaid-Karte war bald aufgebraucht und ich wollte Ray nicht um noch einen Gefallen bitten.

Freitag tat sich allerdings ein Ausweg aus dieser frustrierenden Situation auf. Da ich mit zu meiner Tante fahren musste, konnte ich Doug zwar nicht treffen, aber auf dem Hinweg sollte ich noch die Handy-Situation mit Gavin Markle und seinen Eltern klären. Vom Namen her kam mir der Junge, dessen Handy ich geklaut hatte, nicht bekannt vor. Auch Ray hatte nur mit den Schultern gezuckt, als ich ihn danach gefragt hatte. Dementsprechend war ich etwas nervös, als meine Mum und ich am Freitagnachmittag losfuhren. Zuerst würden wir bei Gavin halten und danach direkt zu meiner Tante fahren. Rays Mutter hatte uns netterweise ihr Auto geliehen, denn draußen regnete es in Strömen. Wir hätten wohl nicht einmal die Bushaltestelle trocken erreicht.

Gavin Markle wohnte etwas außerhalb der Stadt in einem zweistöckigen, etwas teurer wirkenden Haus mit gepflegtem Vorgarten, der allerdings vom Platzregen der letzten Tage schlamming und aufgeweicht war. Meine Mum fuhr zur vereinbarten Uhrzeit vor und parkte das Auto am Seitenstreifen, dann sah sie mich streng an.

"Ich werde nicht mitkommen, du musst das alleine klären."

Ich nickte: "Ich weiß."

Sie hatte mir eingeschärft, dass ich mich persönlich entschuldigen und mir die Kontodaten und Kosten geben lassen sollte. Ich hatte eingewilligt. Was hatte ich schon für eine Wahl? Ich musste es tun, um sie zu besänftigen. Aber auch um wieder zur Schule gehen zu dürfen. Ich hatte Glück, dass ich nicht direkt rausgeworfen worden bin.

Und, ehrlich gesagt, hatte Gavin hatte eine Entschuldigung verdient. Sein Handy war zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und es tat mir leid, dass ich es nicht einfach unauffällig zurückgegeben hatte. Ich war zu feige gewesen, es nochmal mit zur Schule zu nehmen und im Fundbüro abzugeben. Im Endeffekt das bloß negativ auf mich zurückgefallen.

Fehler waren zwar da, um aus ihnen zu lernen, aber ich hatte nicht vor, noch ein Handy zu klauen.

Ich setzte die Kaputze meines Hoodies auf und stieg aus dem Auto. Dann sprintete ich über die Straße und meine Füße patschten über den dünnen Wasserfilm, der sich auf dem Asphalt gebildet hatte. Innerhalb von Sekunden sog sich der Stoff meines Oberteils mit kühlem Regen voll und ich war froh, dass ich halbwegs trocken das kleine Vordach erreichte.

Ich hob die Hand, um zu klingeln. Doch vorher musste ich noch einmal durchatmen. Aber im Ernst - Gavin Markle konnte nicht schlimmer sein als Skipper. Oder Ace. Also klingelte ich.

Das Geräusch hallte im ganzen Haus wider und es dauerte nicht lange, bis eine blonde, hochgewachsene Frau die Tür öffnete. Wahrscheinlich Gavins Mutter. Sie schaute mich verwirrt an.

"Barnaby Adams", ich hielt ihr meine Hand hin, die hoffentlich recht trocken war, "Ich ... äh ... wollte mich entschuldigen. Wegen des Handys."

Sie nickte kurz, ihre Miene hellte sich aber nicht auf und sie ignorierte meine ausgestreckte Hand. Sie winkte mich bloß hinein und rief im selben Moment "Gavin!" ins Haus. Ich stand etwas peinlich berührt in dem recht geräumigen Hausflur und putzte meine feuchten Schuhe am Fußabtreter ab. Kurz darauf kam Gavin die Treppe heruntergepoltert. Er war nicht groß, aber immerhin noch größer als ich, und sein Gesicht war einprägsam mit einer etwas knolligen Nase und breiten Lippen. Er hatte blonde Haare wie seine Mutter, aber sie waren kurzgeschoren. Er wirkte fast wie ein Soldat mit seiner breiten Statur.

TOUCH (LGBTQ | boyxboy)Where stories live. Discover now