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Nach der Pause hatte Jimin Geschichte. Er hatte einen Vortrag ausarbeiten müssen. Wie er sowas hasste. So gut wie er in den schriftlichen Arbeiten war, so schlecht war er in den mündlichen. Vor der Klasse zu stehen war der Horror. Jedes Mal bekam er kaum ein Wort raus. Immer versuchte er sich zu drücken. Doch sein Lehrer Mr Ban schien es auf ihn abgesehen zu haben. Auch heute war der erste der nach vorne kommen musste, Jimin. Ausgerechnet der erste. Wenn man am Anfang der Stunde als einer der ersten oder sogar als der erste ein Referat halten muss, hören einem alle immer zu. Gegen Ende lässt die Konzentration meist nach, weswegen kaum noch einer dem Vortrag folgt. Aber nun war Jimin als erster dran... und alle Blicke lagen auf ihm, als er nach vorne ging. Gleich würden sie alle über ihn lachen, wie dumm er doch war. Seine Hände zitterten, sein Herz klopfte wild und sein Kopf war wie leergefegt. „ Hallo... Ähm... heute... stell ich euch... die...", fing Jimin mit zitternder Stimme an. Die ersten kicherten leise. „ Ruhe", schimpfte der Geschichtslehrer. Dann sah er mit freundlichen zu Jimin. „ Alles okay?" Der vorne stehende nicke schwach, während er sich an seinen Karteikarten wie an einem Anker festhielt. „ Fahre doch bitte fort Jimin", bat ihn sein Geschichtslehrer. Jimin schluckte. Er würde es schaffen. Er würde sich durchkämpfen. Er würde das beste aus seinem schlechten Auftreten machen.

 Nochmal holte er tief Lust, bevor er leise und undeutlich seinen Vortrag runter ratterte. Jimin konnte nichts dafür... diese Angst schlecht zu sein lähmte ihn. Er war einfach schlecht. Jeder Mensch hatte Talente... nur er war dieser untalentierter Vollidiot. Jimin verfluchte sich selber, während er gerade dabei war, seinen miesen Vortrag zu beenden. Das „ noch irgendwelche Fragen?", schluchzte er mehr, als das er fragte. Sein Lehrer guckte bereits besorgt. Es war jedes Mal das selbe mit Jimin. Er konnte zwar Vorträge halten, aber er hatte immer so eine Angst, dass er es nicht so gut hinbekam. Mr Ban gab ihm meistens noch eine Gnadennote im mittleren Bereich, aber manchmal reichte es nicht mal mehr dafür aus. Keiner meldete sich. In den Reihen wurde getuschelt. Jimin dachte, sie lästerten über ihn und fanden es amüsant wie schlecht er doch war. Verunsichert sah er sich um. Keiner wollte was wissen.

 ,Wahrscheinlich lästern sie weil ich so scheiße bin', dachte Jimin und ging mit hängenden Schultern auf seinen Platz zurück. Seine Klassenkameraden sahen ihm besorgt hinterher. Sie hatten vorhin lediglich geflüstert, weil sie spekuliert hatten, wieso Jimin immer so Angst hatte. Doch er hatte es anders aufgefasst. Wie immer eigentlich. Die Klasse bildete eine gute Klassengemeinschaft. Doch Jimin fühlte sich nicht als Teil von ihr. Der nächste Schüler ging nach vorne. Fester stand, ruhiges auftreten, leichtes Lächeln, locker und entspannt. Jimin fluchte innerlich. Wieso konnte das jeder außer er selbst? Sechs weitere kamen noch dran. Und jeder machte es besser als Jimin. Alle hatten diese Selbstsicherheit gehabt... Jimin wünschte sich hier raus. Ganz weit weg... doch als er die Augen das nächste mal öffnete, saß er noch immer im Klassenzimmer.

Endlich war Geschichte vorbei. Danach hätte Jimin eigentlich noch eine Stunde Chemie und eine Stunde Geographie gehabt. Da aber die letzte Stunde ausfiel, blieb es bei Chemie. Im Chemiesaal fühlte sich Jimin wieder besser. Hier saß er nicht an einem Einzeltisch, sondern mit anderen Mitschülern an einem Gruppenpult. „ Guten Morgen", begrüßte die Chemielehrerin die Klasse. Sie hieß Mrs Burns und kam aus Amerika. Vor zwei Jahren war sie schließlich nach Korea gekommen. Sie war nicht wirklich beliebt in der Schule, aber Jimin mochte sie insgeheim. Mrs Burns war keine Frau vieler Worte und hatte so eine mutmachende Art. So gut wie immer passte Jimin interessiert in ihrem Unterricht auf. Auch heute, als sie die Überschrift anschrieb. ‚ Indikatoren' Sofort warf es einige Fragen bei den Schülern auf, weil keiner wusste, was das war. „ Wir machen ja gerade das Thema Säuren und Laugen", erinnerte Mrs Burns ihre Schüler. „ Und nun wollen wir uns mal ansehen, wie man Wasser, Säuren und Laugen auseinanderhält. So leicht ist das nämlich nicht. Alle drei Stoffe sind nämlich geruchlos und sehen identisch aus. Probieren oder anfassen fällt auch weg, weil Säure und Laugen ätzend sind.... dafür gibt es Indikatoren. Das sind Nachweismittel, die durch Farbveränderung anzeigen, um welchen Stoff es sich handelt...", sie fing an an der Tafel Sachen zu notieren. Die Schüler schrieben ab. Manche motzten, aber Jimin fand noch immer, dass schreiben besser war, als reden.

Nach der Stunde wartete Hoseok bereits vor dem Chemiesaal. Er hatte nämlich auch nur fünf Stunden gehabt. „ Was glaubst du eigentlich werden deine Eltern dazu sagen?" „ Wozu?", Jimin verkniff sich ein seufzen. Wenn Hoseok redete, wusste man meistens nicht was er wollte, weil er zusammenhangslos drauflos quatschte. Man müsste Gedanken lesen können, um Hoseok immer zu verstehen. „ Zum Beginn deiner Weltkarriere natürlich", erinnerte ihn Hoseok. „ Jetzt übertreib doch nicht", murmelte der schwarzhaarige. Sein bester Freund seufzte und äffte Jimin's Tonlage nach: „ Jetzt untertreib doch nicht... du hast gesagt, dass du da morgen hingehst, nur um mir zu beweisen, dass du kein Schisser. Ohne Unterschrift deine Eltern kein Casting morgen... ohne Casting kein Beweis." 

„ Ach sei leise", murmelte Jimin und verließ mit Hoseok das Schulgelände, um zum Bus zu laufen. Hoseok grinste und tanzte neben Jimin etwas. Er war einfach der aufgedrehte von beiden. Seine orangenen Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht. Grinsend pustete er sie weg. Eine Gruppe von Mädchen aus der Unterstufe kicherte über Hoseok's Moves, doch dieser ließ sich nicht beirren und tanzte weiter. Sein Rucksack schlug ihm auf den Rücken, doch auch das schien ihm nicht weiter zu kümmern. Beeindruckt sah Jimin ihm zu. Hoseok war echt nichts peinlich und das war es, was ihn so sympathisch machte. Das er sich blamieren konnte und darüber dann selbst lachte, dass offen und nicht so schüchtern war... „ Hobi hör auf der Bus kommt", nuschelte Jimin leise. Er würde sich auch gerne mal trauen,wie Hoseok über seinen Schatten zu springen und was zu machen, was nicht jeder tat. Beispielsweise war Hoseok der einzigste in der Schule mit gefärbten Haaren... viele Beleidigungen hatte er einstecken müssen, aber er hatte auch viele Komplimente bekommen. Jede Aktion bekam auch eine Reaktion... ob positiv oder negativ... das war Risiko.

Der Bus hielt und Jimin stieg hinter Hoseok ein. Zusammen setzten sie sich auf einen Vierersitz. Der schwarzhaarige sah aus dem Fenster und träumte. Wie sollte er das Angebot von Casting seinen Eltern erklären? Würden sie ihn gehen lassen? Wollte er das überhaupt? Hoseok hatte ihn ja mehr oder weniger gezwungen. Aber auch Jimin musste zugeben, dass ein kleiner Teil von ihm da hin wollte. Morgen würde er sich ein für alle mal und endgültig beweisen, dass er zu untalentiert und schlecht für die Welt währe. 

Beat 🥀🌙 ||Yoonmin||Donde viven las historias. Descúbrelo ahora