Kapitel 4

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Es war mir ein absolutes Rätsel, was an diesem Wasser so besonders sein sollte. Oder warum ich jetzt plötzlich immer welches kaufen gehen sollte. Doch jedes Mal, wenn ich Mom darauf ansprach, wich sie mir aus. Andererseits machte es keinen großen Unterschied in meinem wöchentlichen Ablauf.

Ich parkte auf dem kleinen Kundenparkplatz und stieg aus, wie seit einer Weile jeden Mittwoch. Der Laden war praktischerweise auf dem Weg zum Bootsverleih.

Mittlerweile war ich sogar in der Lage, mit dem Fantasykrieger zu reden, ohne ihn total anzustarren. An seiner Stelle wäre es mir aber auch sehr unangenehm gewesen. Nicht das Starren an sich, sondern der Grund, warum ich angestarrt wurde. An seiner Stelle würde ich wahrscheinlich aber auch nicht als Verkäufer arbeiten. Ihn schien das nicht wirklich zu stören.

Es war faszinierend, wie wenig ihn das Ganze berührte. Ich hatte auch schon ein paar Mal mitbekommen, wie Kinder ihn auf sein Gesicht angesprochen haben, weniger zurückhaltend als ihre Eltern. Er schien Kinder wirklich zu mögen, sonst würde er wohl kaum so freundlich zu ihnen sein. Vor allem bei dem einen Mal, wo dieses Mädchen ihre Mom gefragt hat, ob der Fantasykrieger gefährlich wäre, wegen der Narben und so. Der Mutter ist das unglaublich unangenehm gewesen, doch er hatte sie einfach ignoriert. Er hatte sich auf Augenhöhe mit dem Mädchen begeben und sie gefragt, was sie glaubte. Sie ist total begeistert von seinen Augen gewesen und war danach felsenfest davon überzeugt, dass er ein Zauberer war. Problem gelöst.

Er hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt und nicht im Geringsten verärgert gewirkt. Ich hätte sie vermutlich eher genervt angestarrt und ihre Frage ignoriert. Nicht, dass ich generell etwas gegen Kinder hatte. Nur gegen diese Art.

Auch jetzt wirkte der Verkäufer absolut gelassen, während er die Flaschen scannte. Ich sah nach einem Namensschild, damit ich ihn in meinen Gedanken nicht mehr 'der Verkäufer' oder 'Fantasykrieger' nannte. Doch auf dem Schild stand nur „N. K. Nieminen". Und da wir uns duzten, wäre es sehr seltsam, ihn jetzt mit seinem Nachnamen anzusprechen. Aber mir wäre es auch unangenehm, ihn zu fragen, nachdem ich ihn jetzt seit einigen Wochen kannte und er über meine halbe Lebensgeschichte informiert war. Wenn auch nur aus dritter Person. Ich bezahlte, während er mich fragte, wie es meiner Mom ging. Mehr als Smalltalk betrieben wir nicht wirklich. Es gab keinen Grund dazu.

Ich verließ den Laden und fuhr weiter. Ich war zu faul, mein Handy an die Anlage anzuschließen, also hörte ich die CD meiner Mom. Klassikmusik. Ausgerechnet „Csardas". Ich wurde melancholisch, was vermutlich Moms Grund war, sich diese Musik anzuhören.

Genervt schaltete ich das Radio an und versuchte, an etwas anderes zu denken. Aber ich war mir jetzt schon ziemlich sicher, dass ich die Melodie für den Rest des Tages nicht aus meinem Kopf bekommen würde.

♪♫♪

„Hey Noah", begrüßte mich Chris fröhlich, als er mich sah. „Hol bitte kurz eine Schwimmweste Größe M von hinten."

Ich lächelte den Gästen zu, bevor ich im Lager verschwand.

Mittlerweile sparte sich Chris viele seiner Witze. Da ich routinierter geworden bin, gab ich ihm aber auch weniger, womit er mich aufziehen konnte. Anfangs sind mir ständig Missgeschicke passiert, sowie das Mal, wo mir das Kajak fast auf den Fuß gefallen ist. Oder das Paddel in den Fluss, als ich es einem der Kunden geben wollte. Es war fast schon schade, dass ich nicht mehr lange hier arbeiten würde. Ich hatte mich irgendwie dran gewöhnt.

Gerade war nichts los, weshalb ich mir etwas zu trinken nahm und mich auf die Terrasse setzte. Und Chris beobachtete. Er setzte sich neben den „Tresen", wenn man es so nennen wollte, und zündete sich eine Zigarette an. Was unser Chef nicht gutheißen würde. Da Chris aber einen Aschenbecher benutzte, hatte er sich damit abgefunden.

Never enoughWhere stories live. Discover now