Kapitel 21

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Ich saß auf einer Wiese in dem Park, in dem ich mich mit Nicky treffen wollte. Ein paar Meter abseits von meinem Platz befand sich ein Spazierweg. Hin und wieder sah ich Jogger und Hundebesitzer, die Gassi gingen. Aber daran gemessen, dass es eigentlich ein schöner Tag war, waren hier überraschend wenige Menschen. Ein paar Minuten lang versuchte ich mich, damit abzulenken, diese Leute zu zählen. Das gab ich schnell wieder auf. Abgesehen davon, dass es da nicht viel zu zählen gab, waren meine Gedanken viel zu unruhig. Meine Nervosität wurde mit jeder verstreichenden Minute größer, wenn Nicky nicht bald kommen würde, gäbe es um mich herum keine Grashalme mehr. Ein Schatten fiel über mich.

„Noah!"

Ich blickte auf, sah Nickys strahlendes Lächeln. Hinter ihr stand Erik, mit grimmigem Gesichtsausdruck. Sonnenschein und Regenwolke.

Was machte er überhaupt hier? Ich erinnerte mich daran, dass Nicholas mir erzählt hatte, dass die beiden in einer Beziehung waren. Gehörten sie zu der Art Paar, die alles gemeinsam machten? Bitte nicht.

Anstatt mich zu begrüßen, sagte Erik: „Ich mag dich nicht."

„Ich weiß." Das 'ich dich auch nicht' verkniff ich mir.

Wenn der Idiot bleiben würde, würde ich gehen. Mit Nicky zu reden war eine Sache, aber das...

„Ich mag dich nicht und ich sehe überhaupt nicht, was Nicholas an dir findet."

Nicky stieß ihren Ellbogen in seine Seite. „Du hast mir versprochen, nett zu sein!"

„Nein. Ich habe gesagt, dass ich mir Mühe geben würde, kein komplettes Arschloch zu sein."

Einen Augenblick lang sahen sie sich ernst in die Augen, dann knickte Erik ein und lächelte sie liebevoll an. Es war geradezu gruselig, diesen plötzlichen Wechsel zu sehen. Er drückte Nicky einen Kuss auf die gerunzelte Stirn, bevor er wieder zu mir sah.

„Wie gesagt, ich weiß nicht, was er sieht. Aber da muss etwas sein, denn Nicholas hat praktisch einen siebten Sinn, wenn es um Menschen geht. Also belehr mich eines Besseren und mach das, was du getan hast, wieder gut. Verstanden?"

Gerade so konnte ich ein belustigtes Schnauben unterdrücken. Das war ja beinahe nett. Scheinbar standen Nicholas und Erik sich ziemlich nah. Wie viel Erik wohl von dem, was vorgefallen ist, wusste?

Ich beschloss, sein halbes Friedensangebot anzunehmen: „Genau das habe ich vor."

Und hoffentlich würde ich es schaffen, Erik und mich tatsächlich eines Besseren zu belehren. Denn momentan fragte ich mich auch, was Nicholas in mir sah. Oder gesehen hatte.

Abschätzend wanderten Eriks Augen über mein Gesicht. Dann nickte er, verabschiedete sich von Nicky und ging.

Nicky setzte sich mir gegenüber und sah mich an, wieder lächelnd. „Wie wäre es, wenn wir damit anfangen, dass du mir erzählst, was überhaupt vorgefallen ist?"

„Hat... hat Nicholas irgendetwas erzählt?" Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe.

„Nein. Aber das ist nicht untypisch für ihn. Er braucht immer eine Weile um über Streits und so nachzudenken, bevor er mit anderen darüber spricht. Wie ich schon meinte, weicht er momentan noch aus. Erik weiß auch nichts Genaues, und das ist sein bester Freund. Allerdings haben wir beide den Eindruck, dass mit Nicholas etwas nicht stimmt. Und da du mir geschrieben hast, scheint es mit dir zu tun zu haben."

Sie wirkte nicht, als wäre es ihr egal. Das machte ihr Lächeln umso verwirrender. Vielleicht wusste sie aber auch nur nicht, wie man nicht lächelte.

Ich zupfte wieder Grashalme aus der Erde, versuchte, den Mut aufzubringen, ihr zu erzählen, was passiert war.

„Noah?" Nickys Stimme klang vorsichtig, als würde sie mich nicht erschrecken wollen.

Never enoughWo Geschichten leben. Entdecke jetzt