Kapitel 11

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Drei Stunden. Drei Stunden hatte ich mit einem meiner Kommilitonen gelernt, wobei er mir praktisch die ganze Zeit nur Sachen erklärt hatte. Die anderen aus unserer Lerngruppe hatten keine Zeit gehabt, also hatten wir uns zu zweit getroffen. Tatsächlich hatte es ein wenig geholfen, aber ich war noch weit entfernt davon, auf dem aktuellen Stand zu sein.

Mittlerweile war es fünf Uhr, ich lag auf meinem Bett und war müde. Unfassbar, wie sehr einem BWL die Lebensenergie aussaugen konnte. Meine Gedanken wanderten wieder zu meinem Kommilitonen. So schlecht sah er eigentlich gar nicht aus, er hatte zwar schulterlange Haare, aber es stand ihm. Ob ich ihn mal auf einen Kaffee einladen sollte? Mir fiel der Kellner aus dem Café im Shoppingcenter wieder ein. Ihm hatte ich bis jetzt noch gar nicht geschrieben, sollte ich vielleicht mal tun.

Allerdings schloss das eine das andere ja nicht aus. Und mein Kommilitone schien eindeutig mit mir geflirtet zu haben. Ich ging auf sein Profilbild. Er sah echt nicht schlecht aus, ein bisschen wie-
Ich konnte es nicht fassen. Mein blödes Unterbewusstsein hielt nach Typen Ausschau, die Nicholas ähnlich sahen! Selbst ihre Stimmen klangen ähnlich. Gruselig, einfach gruselig. Ich wusste doch noch gar nicht, ob ich mich auf Nicholas einlassen wollte! Stöhnend vergrub ich mein Gesicht in dem Kopfkissen. Das war zu früh, zu schnell, zu sehr wie es sonst auch war. Und wenn es wie sonst auch war, würde es vorbei sein, sobald ich anfing, mich an die Beziehung zu gewöhnen.

Woher sollte ich außerdem wissen, ob das romantische Gefühle waren, die ich für Nicholas entwickelte, oder ob ich einfach nur Sex wollte?
Bei Nicholas konnte ich mir keine lockeren Beziehungen vorstellen, genauso wenig wie das er etwas überstürzte. Er war so aufrichtig und lieb, ich wollte mir erst sicher sein, dass ich wirklich etwas für ihn empfand, bevor ich irgendwie versuchte, ihn für mich zu gewinnen. Sagen wir mal, das würde funktionieren, und wir würden anfangen uns zu daten, wie lange würde es wohl dauern, bis wir miteinander schliefen? Vielleicht keine Ewigkeit, aber gewiss auch nicht von Tag eins an. Mit sowas hatte ich keine Erfahrung, praktisch alle Beziehungen die ich hatte sind daraus entstanden, dass ich mit jemanden Sex hatte und irgendwie hat sich mehr entwickelt. Wie lief das ab, wenn zuerst Gefühle da waren? Könnte ich wirklich solange warten, bis mein Partner bereit war?

Freunde von mir hatten schon häufiger gescherzt, dass ich sexsüchtig wäre. Ich konnte es weder bestätigen, noch verneinen, ich hatte keine Ahnung wo da die Grenze war. Aber was ich wusste, war, dass ich mich nach körperlicher Nähe sehnte. Ich wollte berühren und berührt werden, wollte, dass mir jemand das Gefühl gab, begehrenswert zu sein. Ich wollte diese Bestätigung nicht nur, ich brauchte sie.
Das vermutlich Beste wäre, mir jetzt jemanden zu suchen, der mir diese Bestätigung gab, bevor ich weitere Schritte plante. Hoffentlich wurde ich dieses Mal nicht von einem betrunkenen Familienmitglied unterbrochen, wie es bei Felix der Fall gewesen war. Und hoffentlich half es mir auch dabei, meine Gefühle besser einschätzen zu können.

Ich griff nach meinem Handy, wollte eigentlich nur sehen, ob irgendjemand heute feierte. Aber bei Nicholas' Namen blieb ich, mal wieder, hängen. Ich klickte auf unseren Chat.
In den letzten Tagen hatten wir uns hauptsächlich Fotos von Kai und Alexander geschickt, Nicholas hatte den Namen sogar mit Edding auf den Topf geschrieben. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Es war sehr gut möglich, dass sich da was entwickelte. Umso wichtiger, dass ich es nicht gleich wieder versaute.

Als ich aus unserem Chat ging, sah ich, dass Markus geschrieben hatte, dass er heute bei sich feierte. Die Nachricht war unpersönlich, vermutlich hatte er sie an all seine Kontakte geschickt, er lebte nach dem Motto 'je mehr, desto besser' (nicht nur bei Partys, auch bei Freunden und würde er eines Tages so viel Geld wie seine Eltern haben, wird das vermutlich ebenfalls für seine Autos gelten). Wir hatten uns vor einer Weile auf einer Party kennen kennengelernt und waren später an diesem Abend mit mehreren Leuten ins Schwimmbad eingebrochen. Seitdem gehörte ich zu den Leuten, denen er immer schrieb, wenn er feiern ging oder selber eine Party veranstaltete. Henry traf man auch häufiger in Markus' Nähe, wobei ich sagen musste, dass ich Markus weniger... henry fand als Henry. Das war praktisch alles, was ich über ihn wusste und was uns verband. Ach ja, einmal hatten wir betrunken miteinander rumgemacht. Es ist furchtbar gewesen und offiziell hatte es auch nie stattgefunden.

Never enoughWhere stories live. Discover now