Kapitel 26

1K 85 12
                                    

Bo hatte das gleiche wie ich bestellt, wirkte aber alles andere als begeistert. Unmotiviert stocherte er in seinem Hähnchensalat herum. Dann begann er, das Fleisch herauszupicken.

Da es jetzt etwas ruhiger war, kam ich auf seine Aussage von vorhin zurück: „Was meintest du mit 'gerade ist viel los'?"

Bo schob ein Salatblatt zur Seite und spießte das darunterliegende Stück Hähnchen auf. „Das übliche. Erst waren es viele Geburtstage kurz hintereinander. Dann ein Projekt fürs Studium. Jetzt steht ein Footballspiel bevor, für das ich kaum trainiert habe. Auch schon vor dem anderen Kram nicht. Aber das Spiel ist nebensächlich, in erster Linie hat Hell bald Klausurenphase und ich versuche, ihr zu helfen wo ich kann. An vielen Tagen kocht sie für uns alle, da Dad und ich nicht gut darin sind, aber momentan nehmen wir ihr das ab. Wenn es zeitlich hinhaut fahre ich sie zu Lernverabredungen oder zur Schule, damit sie etwas länger schlafen kann. Sie geht nämlich viel zu spät schlafen. Es ist nicht so, als wäre es das erste Mal. Aber sie wirkt noch gestresster als sonst und lernt deutlich länger und mehr. Den Grund dafür kenne ich nicht, weil sie mir ausweicht, wenn ich sie frage." Bo seufzte.

Ich stieß sein Bein mit meinem an. „Du bist ein guter Bruder." Besser, als ich ein Freund war, ich hatte nichts von Bos Problemen mitbekommen, da ich so beschäftigt mit mir selber gewesen war. Andererseits bekam man aus Bo nichts raus, wenn er nicht reden wollte. Nichtsdestotrotz hätte ich etwas aufmerksamer sein können.

„Manchmal wünschte ich einfach, ich könnte mehr für sie tun."

Bevor mir etwas eingefallen war, wie ich Bo aufmuntern konnte, wechselte er das Thema: „Wann stellst du mir Nicholas eigentlich vor?"

Warum ausgerechnet diese Frage, hätte er kein anderes Thema ansprechen können? Ich trank einen Schluck Wasser, um Zeit zu gewinnen. „Keine Ahnung? Wir sind immerhin erst zehn Tage zusammen."

„Deine Exfreunde habe ich alle sofort kennen gelernt. Sofern ich sie nicht eh schon kannte."

„Das war etwas anderes." Ich fischte ein paar Fleischstücke aus meinem Salat und tat sie in Bos Schüssel, damit er überhaupt etwas aß. „Die waren... mehr so wie ich? Also, es hat sie nicht gestört, wenn ich sie irgendwo mit hingeschleppt habe. Nicholas ist ja selbst bei mir noch nervös." Ich dachte an Nickys Geburtstag und daran, wie angespannt Nicholas gewesen ist. „Heißt nicht, dass du ihn nie kennen lernen wirst, nur am Anfang unserer Beziehung will ich ihn nicht überfordern. Also wirst du dich gedulden müssen. Demnächst könnte ich das Thema ja mal ansprechen und gucken, wie Nicholas reagiert."

Ich war mir nicht ganz sicher, wie ich den Gedanken fand, dass sich Nicholas und Bo kennen lernten. Einerseits wollte ich das unbedingt, immerhin waren sie zwei meiner Lieblingsmenschen. Aber andererseits machte mich der Gedanke auch mega nervös. Was, wenn sie sich nicht ausstehen konnten? Es wäre schön, wenn sie sich zumindest einigermaßen verstanden.

„Du scheinst ihn wirklich zu mögen", nuschelte Bo mit vollem Mund. Ich verzog angewidert das Gesicht, ihm wäre beinahe etwas rausgefallen.

„Tatsächlich? Ist mir noch gar nicht aufgefallen."

Bo schob mir seinen Salat hin, nachdem er alles rausgesammelt hatte, was er mochte. Meinen Sarkasmus überging er. „So rücksichtsvoll habe ich dich bis jetzt glaube ich noch nie erlebt. Zumindest nicht in Beziehungen."

Empört schnappte ich nach Luft. „Ich bin rücksichtvoll!"

„Jetzt will ich Nicholas umso mehr kennen lernen. Ich will wissen, was ihn so besonders macht."

Mein Handy vibrierte und ich holte es aus der Hosentasche. Wie aufs Stichwort hatte mir Nicholas geschrieben.

Meine Lesung ist ausgefallen. Hast du Lust, etwas zu unternehmen?

Never enoughWo Geschichten leben. Entdecke jetzt