Kapitel 14

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Ich stieg in den Bus ein und meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich wollte sie wegblinzeln, aber es klappte nicht. Ich wusste doch ganz genau, dass es einen Mann an ihrer Seite gab, doch warum zog es mich jetzt so nach unten? Ich kannte all diese Gefühle von mir nicht. Sie waren neu und überforderten mich regelrecht. Ich wischte mir mit der Hand die Tränen weg, die vereinzelt über meine Wangen flossen. Mir gegenüber saß eine Omi. Immer wieder schaute sie zu mir, aber es war mir egal. Ich konnte meine Tränen einfach nicht länger zurückhalten. Ich dachte daran, was für ein Glück dieser Mann hatte. Dass er diese Frau an seiner Seite haben durfte. Ich wusste, dass ich sie privat nicht kannte und sie hatte ganz bestimmt auch ihre Fehler und Macken, doch trotzdem konnte ich nicht beschreiben, wie sehr ich mich zu ihr hingezogen fühlte. In ihrer Nähe fühlte ich mich wohl, auch wenn ich immer schrecklich nervös wurde und Dinge von mir gab, die ich später bereute.

»Ist alles gut bei dir?«, fragte die Omi und räusperte sich, woraufhin sie direkt einen Hustenanfall bekam. Ich wartete ab, bis sie sich beruhigt hatte. »Nein, nicht wirklich.« Sie wog den Kopf von links nach rechts und wieder zurück. Dabei presste sie die Lippen aufeinander und betrachtete mich ganz genau. »Liebeskummer?« Ich riss die Augen auf, weil ich mich sofort ertappt fühlte. Sah man das? War es das überhaupt? Nun lächelte die Dame. Es war ein eher trauriges Lächeln, aber auch etwas Hoffnung mischte sich dazu. »Weißt du, ich hatte auch schon viel Liebeskummer, bei dem ich dachte, er würde mir den Boden unter den Füßen wegreißen.« Aufmerksam hörte ich ihr zu und vergaß für einen Moment meine Tränen. Irgendwie erinnerte sie mich an jemanden, ich konnte es nur nicht ganz zuordnen. »Liebe ist ein Phänomen. Oft bin ich darüber hinweggekommen, doch als mein liebster Fred vor ungefähr drei Jahren von mir ging, tat es mir sehr weh. Das hat sich bis heute nicht geändert. Aber«, sagte sie und machte eine kurze Pause, um die richtigen Worte zu finden. Dann sprach sie weiter: »Mittlerweile kann ich damit umgehen. Das Leben ist zu schön, um es immer wieder von Menschen abhängig zu machen. Es war wunderbar, dass er mich viele Jahre begleitet hat. Dafür bin ich dankbar. Aber wenn er dich nicht an seiner Seite möchte, dann solltest du dich fragen, ob er wirklich der Richtige für dich ist. Jemand, der dich unglücklich macht oder dich nicht zu schätzen weiß, ist deine Tränen nicht wert.«

Ich schniefte kurz. »Es ist eine Frau«, flüsterte ich. »Sie ist meine Lehrerin.« Überrascht sah sie mich an und auch ich erkannte, was ich gerade einer wildfremden Person anvertraut hatte. Dann stand sie auf. »Ich muss jetzt leider raus. Aber Kind, mach dich damit nicht unglücklich. Genieß das Leben.« Sie blickte mir noch einmal tief in die Augen, verließ dann den Bus und ließ mich mit vielen Fragen zurück. Es war ein seltsames Gespräch gewesen, aber sie hatte eine so vertraute Art, dass es mir einfach über die Lippen rutschte. Ich hatte gar nicht darüber nachgedacht. Ich dachte dafür nun aber über ihre Worte nach. Irgendwie hatte sie recht. Frau Vogel konnte mich nicht dauerhaft glücklich machen. Jedenfalls nicht auf die Art und Weise, wie ich es vielleicht gern hätte. Aber wie hätte ich es denn gern? Was war, wenn ich mich in die Sache zu sehr reinsteigerte? Ich wusste nur, dass ich ständig Herzklopfen hatte, wenn sie in der Nähe war. Und ich musste den ganzen Tag an sie denken, dabei war sie für mich doch eigentlich eine fremde Person. Das machte mir echt zu schaffen.

Dann kam meine Haltestelle und auch ich stieg aus. Morgen war Donnerstag. Das bedeutete, dass ich keinen Unterricht bei Frau Vogel hatte und ich merkte, dass es mir etwas ausmachte. Dass mir sofort die Lust auf die Schule verging und das war nicht normal. Ich schleppte mich nach Hause und ging direkt in mein Zimmer. Gerade als ich meine Sachen abstellte, vibrierte mein iPhone. Es war Sophia. Ich nahm das Gespräch entgegen. »Hey«, hauchte ich und als sie antwortete, konnte man hören, wie es ihr ging. Ihre Stimme zitterte und sie schluchzte immer mal wieder. »Hey, ich weiß nicht, mit wem ich sonst reden soll. Hast du Zeit?« Mir selbst ging es nicht sonderlich gut, aber ich wollte trotzdem eine gute Freundin sein und erwiderte: »Natürlich. Für dich habe ich immer Zeit.« Dann redete sie weiter: »Ich bekomme dieses Bild nicht aus meinem Kopf.« Ich wusste ganz genau, wovon sie sprach, denn es hatte sich auch in meinem Kopf festgesetzt. »Wie er sich zu ihr gebeugt und sie geküsst hat. Ich sollte an seiner Stelle sein. Wir würden doch total gut zusammenpassen, oder?«

Mitten ins Herz || txsWhere stories live. Discover now