Kapitel 33

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Sie liebte mich also auch? Mein Herz hüpfte vor Freude in meiner Brust auf und ab. »Ich habe aber trotzdem kein gutes Gefühl dabei, wenn du hier bei ihm bleibst«, murmelte ich leise und lenkte damit vom Thema ab, denn ich konnte einfach nicht fassen, was sie für mich empfand. Es überwältigte mich. »Er wird mir nichts mehr antun«, versprach sie mir, doch ich konnte ihr nicht glauben. »Das weißt du nicht, Vanessa.« Sie sah mich an und ich erkannte in ihrem Blick, dass sie sich entschieden hatte, bei ihm zu bleiben. Jedenfalls vorerst. Ich hoffte nur, sie würde einen Weg finden und die Kraft aufbringen, ihn zu verlassen. Eric hatte so eine Frau wie Vanessa nicht verdient. Aber hatte ich das? Auch da war ich mir unsicher, aber ich wusste, dass ich immerhin nicht zu so etwas in der Lage war. Ich hasste ihn dafür, was er getan hatte.

»Möchtest du, dass ich dich zum Arzt begleite?«, fragte ich und wollte ihr damit zeigen, dass ich für sie da war. Sie sollte sich von mir aufgefangen fühlen. Schnell schüttelte sie den Kopf und ein leichtes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. »Nein, du wirst jetzt zur Schule fahren, meine Liebe.« Ungläubig starrte ich sie an. Meinte sie das jetzt ernst? »Bitte«, schob sie nach und ich wusste nicht, ob sie mich auf den Arm nehmen wollte. »Ehrlich?«, fragte ich irritiert und bestätigend nickte sie. »Ja, ich bin schon groß. Ich schaffe das. Und das ist jetzt dein letztes Jahr. Ich möchte nicht, dass du allzu viel verpasst, ok?« Sie hörte sich an wie meine Mama, aber den Kommentar sparte ich mir lieber. Ich wollte nicht diskutieren und mich wie ein Kind verhalten, deshalb stimmte ich widerwillig zu, auch wenn ich viel lieber bei ihr bleiben wollte.

»Bleibst du den Rest der Woche zu Hause?«, wollte ich von ihr wissen und sie nickte. »Ja, das denke ich schon. So wie ich aussehe, möchte ich nicht unbedingt vor die Klassen treten. Es würde nur Gerede geben.« Das verstand ich, doch trotzdem verspürte ich einen Stich im Herzen. Morgen war Donnerstag, da hatten wie sowieso keinen Unterricht zusammen. Aber am Freitag würden wir uns auch nicht sehen und dann kam auch schon das Wochenende. Dann hatten wir nur den Montag zusammen, weil sie am Dienstag und Mittwoch schon zu der Weiterbildung fuhr. Ich konnte es nicht ändern und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, denn ich war schon wieder viel zu egoistisch. »Ich weiß nicht, ob ich ein Treffen mit dir in den nächsten Tagen einrichten kann. Vielleicht am Wochenende. Ich versuche es auf jeden Fall.« Ich nickte nur und wusste, dass der Abschied nahte. Gleich würde ich ihre Wohnung verlassen und das wollte ich nicht. Ich wollte bei ihr bleiben, aber das würde sie nicht zulassen.

»Hey Lisa, sei bitte nicht traurig«, hörte ich sie plötzlich sagen und ihre Stimme klang sanft. »Ich hasse es nur, mich von dir zu verabschieden.« Sie erhob sich und hielt mir ihre Hand entgegen. Ich ergriff sie und sie zog mich nach oben. »Ich weiß. Ich hasse das auch. Ich möchte dich nicht gehen lassen, aber ich muss. Ich melde mich bei dir, ja? Aber bitte sei nicht niedergeschlagen, wenn du nichts von mir hörst.« Als Antwort bekam sie einen Kuss von mir. »Du glaubst gar nicht, wie schwer es mir fällt, dich jetzt verlassen zu müssen«, raunte ich ihr zu und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. »Es ist ja nicht für immer«, erwiderte sie leise, schloss mich in ihre Arme und drückte mir einen Kuss auf den Kopf. »Ich bring dich noch zur Tür.« Sie nahm meine Hand wieder und ganz langsam gingen wir in den Flur und sie öffnete die Haustür. »Bis bald«, hauchte sie und küsste mich ein letztes Mal. Dann trat ich hinaus in den Flur und zwei Sekunden später schloss sie die Tür.

Ich schleppte mich nach unten und konnte die Tränen nun nicht mehr zurückhalten. Wie sollte ich die Tage ohne Vanessa überstehen? Wie sollte ich mich jetzt in den Unterricht setzen und so tun, als wäre alles ganz normal? Als wäre alles in Ordnung? Eric hatte sie geschlagen. Ihr Schmerzen zugefügt. Das waren nicht nur physische Schmerzen, die sie aushalten musste, die psychischen Schmerzen dahinter waren sogar noch viel schlimmer, fand ich. Das würde ich ihm niemals verzeihen und ich hoffte, sie würde es auch nicht tun. Ich musste mich jetzt aber beruhigen, aber wie sollte das funktionieren? Ich war so durcheinander und völlig aufgelöst erreichte ich die Haltestelle. Auf den Bus musste ich nicht mehr lange warten. Er kam und ich stieg mit gesenktem Blick ein. Unterwegs hörte ich auf zu weinen. Vielleicht würde sie sich bald melden und wir konnten uns sehen. Ich durfte die Hoffnung nicht aufgeben.

Mitten ins Herz || txsWhere stories live. Discover now