Kapitel 28

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Die ersten zwei Blöcke verliefen ereignislos. Es war eben typisch Schule. Den ganzen Vormittag über war ich innerlich aufgeregt und wippte nervös mit meinem Fuß. Ich war völlig in meiner eigenen Welt versunken und achtete nicht auf die bösen Blicke, die mir deshalb zugeworfen wurden, bis Sophia mich irgendwann antippte und mich darauf aufmerksam machte. Das war mir total unangenehm und ich warf einigen Leuten einen entschuldigenden Blick zu. In der Pause fragte Caro in der Gruppe, ob wir heute Abend etwas trinken gehen wollten. Alle stimmten begeistert zu, nur ich klinkte mich aus. »Sorry, aber ich war gestern schon mit einer Freundin in einer Bar. Beim nächsten Mal bin ich wieder dabei, ok?« Normalerweise wäre ich dabei gewesen, aber ich wusste nicht genau, wie viel Zeit Vanessa für mich hatte. Sicherlich nicht bis abends, aber ich wollte kein Risiko eingehen. »Du kannst es dir ja noch überlegen«, meinte Leon und ich erwiderte: »Ja, das mache ich.« Vielleicht würde ich ja doch auf einen Absacker dazu stoßen.

Dann war es endlich soweit. Der letzte Block würde jeden Moment anfangen. Mathe mit Vanessa. Der Gedanke entlockte mir ein Grinsen. Als sie den Raum betrat, spürte ich, wie auch mein Herz lächelte. Sie trug heute eine schwarze Hose, einen schwarz-weiß gestreiften Pullover und einen marineblauen Blazer. Mir gefiel ihr Outfit. Es stand ihr ausgezeichnet, wie alles, was sie trug. Ich verfolgte ihre Bewegungen, als sie ihre Sachen abstellte. »So, dann wollen wir doch mal den letzten Block für diese Woche hinter uns bringen, was?«, fragte sie und erntete dafür fast einen Applaus. Ich musste über die Reaktion grinsen und auch sie fand es anscheinend sehr amüsant, denn sie lachte laut auf. »Wir müssen heute noch etwas Theorie durchnehmen«, erklärte sie und schrieb etwas an die Tafel. Für eine Sekunde dachte ich: »Ich würde lieber dich durchnehmen.« Als mir klar wurde, was meine Gedanken anstellten, ermahnte ich mich schnell und hoffte, dass ich es nicht laut ausgesprochen hatte, aber niemand beachtete mich. Puh. Glück gehabt. Eilig lenkte ich meine Konzentration wieder auf Vanessa. Egal, von welcher Seite aus man sie betrachtete, sie sah immer toll aus. Ich merkte, wie ich ihr auf den Hintern starrte.

Plötzlich drehte sie sich ruckartig um und ich fühlte mich ertappt. In mir breitete sich eine unbeschreibliche Hitze aus und schnell schrieb ich mir etwas auf, aber mir war nicht das Grinsen entgangen, was sie unterdrücken musste. Peinlich. Was dachte sie denn jetzt von mir? Nach einer Weile traute ich mich wieder, sie anzusehen. Ich konnte gar nicht anders. Wenn ich sie nicht ansah, hatte ich das Gefühl, etwas zu verpassen. Alle anderen Dinge wurden plötzlich fürchterlich langweilig, wenn sie in der Nähe war. Beim Erklären drehte sie ihre Kette in ihrer Hand umher, was so typisch war für Vanessa. Sie sah kurz zu Sophia und mir und ich hätte zu gern gewusst, was sie dachte. Sie machte das vor der Klasse echt gut, dafür bewunderte ich sie wirklich. Wie sie mit uns umging. Vor allem mit Sophia. Völlig neutral.

Apropos Sophia. Ich schielte zu ihr und sah, wie ihre Augen förmlich an Vanessa klebten. Ich hasste es. Wie sie sie anschaute. Wie sie über sie dachte. Was sie sich wünschte. Auch wenn ihre Gefühle unerwidert blieben, ging es nicht spurlos an mir vorbei. Dabei wusste ich doch ganz genau, dass unsere Lehrerin mich mochte. Nein, sie hatte sich in mich verliebt. Genau das hatte sie gesagt. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Ganz egal, welche andere Frau vor mir stehen würde; ich würde mich immer für Vanessa entscheiden. Oft blieb die Liebe unerwidert. Gerade wenn es um Schülerinnen und Lehrerinnen ging. Ich hatte davon schon des Öfteren gehört und in den meisten Fällen wurde nie etwas daraus. Aber bei uns war es anders. Und das machte mich unglaublich glücklich, auch wenn es schwierig war. Ich fühlte mich dadurch irgendwie besonders.

Als es klingelte, packte ich meine Sachen langsam zusammen. Wo würden wir uns sehen? Wieder im Vorbereitungsraum? Ich sah zu ihr und sie fing meinen Blick auf. Ich vergewisserte mich, dass mich niemand beachtete und formte dann mit meinen Lippen: »Vorbereitungsraum?« Beiläufig nickte sie und verließ den Raum. »Kommst du?«, fragte Sophia. Mist, an sie hatte ich gar nicht mehr gedacht. Sie würde mich zum Bus begleiten, aber ich wollte gar nicht wegfahren. Ich folgte ihr und hinter meiner Stirn ratterte es. Was sollte ich jetzt machen? Ich konnte ihr nicht sagen, dass ich hier noch etwas erledigen musste in der Schule. Sie würde mir nicht glauben oder mich begleiten wollen. Also gingen wir gemeinsam in die Kälte hinaus und dann kam mir die Idee. Wir umarmten uns und als mein Bus kam, ging sie los. Ich drängelte mich nach vorn, sodass ich schnell in den Bus kam. Ich wartete, bis nur noch drei Leute einsteigen mussten und stieg hinten wieder aus. Wenn Sophia sich umdrehte, würde sie mich sehen. Sobald der Bus losfuhr jedenfalls. Deshalb stellte ich mich schnell hinter einen großen Baum, der neben der Bushaltestellte stand. Wahrscheinlich sah es für Außenstehende total merkwürdig aus, aber das war mir egal.

Mitten ins Herz || txsWhere stories live. Discover now