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Die längste Nacht

Die Männer und Frauen der Campbells saßen an der Tafel und rieben sich die Augen. Taran schlief ungeniert mit dem Kopf auf den verschränkten Armen am Tisch. Kora war als Soldat viel schneller gefasst. Michel, Samuel und Arin schienen noch überhaupt nicht geschlafen zu haben. Avan und Joe standen die Haare ein wenig vom Kopf. Eric wärmte Wein über dem Kamin. Ebenfalls hellwach.

Die Ladys waren alle in ihre Mäntel gehüllt. Jeder hatte einen Becher in der Hand und wartete auf Erics Wein.

Ben hatte wie so oft seine Hand auf seinem Schwertknauf. "Wir müssen mehr aufpassen. Nicht nur auf die Kleinen."

Taran murrte etwas mit geschlossenen Augen. Avan, überväterchen, hatte es gehört. "Was sagtest du?"

"Das es wirklich komisch ist, das Ben diesen Mann nie gesehen hat."

Ben hob eine Augenbraue und hob die Schultern. "Deshalb bleibt nur eine Schlussfolgerung."

"Es war mein Vater." Nun blickte mich jeder aufmerksam an. "Ihr wisst vermutlich  das der König der Räuber mein Vater ist. Und ich bin mir sicher das er nicht einfach jemanden geschickt hat um hier zu stehen, sondern das es mein Vater Levi höchst persönlich ist."

Avan nickte gefasst. "Jeden anderen hätte Ben sofort bemerkt."

"So ist es."

Ben biss sich auf die Lippe. "Irgendwas hat er vor, denn die Kinder wurden nicht sofort verschleppt oder bedroht."

Eric drehte sich um und sah tatsächlich wie ein Pirat aus, als der Feuerschein ihm in einen Halbschatten tauchte. "Harvey und Michel wussten bescheid? Keiner sagte ein Wort?"

Avan zugewandt, legte Ben den Kopf schräg. "Helena auch. Und Syman anscheinend auch, denn er sagte mir ja wie lange das schon läuft."

Arin wurde finster und nickte sachte. Elain blinzelte verwirrt. "Warum denken die Kinder denn nicht nach? Wie kann ihnen das nicht verdächtig vorkommen?"

Michel schüttelte langsam den Kopf. "Sie hatten es besimmt bemerkt, ansonsten wären sie nicht so enttäuscht darüber das wir jetzt bescheid wissen. Ihnen war nur langweilig und der Kerl, oder besser gesagt Levi, war eine aufregende abwechslung."

Eric sog die Luft durch die Nase wie Stier. "Harvey!"

Taran schreckte überrascht auf und presste Daumen und Zeigefinger auf seine Nasenwurzel. "Du lieber Himmel..."

Avan runzelte die Stirn. "Willst du ihn ehrlich befragen?"

"Ich will ihn den Kopf abreisen."

Michel fuhr sich durchs Haar. "Wir sollten uns erst mal beruhigen."

Doch Harvey kam, reulos so schien es, in Gefolge der restlichen Bande. Syman und Jamie trugen Armin und Melody zu ihren Müttern. "Sir?"

Avan stand gebieterisch auf und sah alle Kinder nach der Reihe ausdruckslos an. Helena wurde so unerbittlich angefunkelt, das Tränen in den Augen schimmerten. "Es tut mir leid..."

"Das war gefährlich. Und das wusstest du genau."

Sie nickte, so aufgewühlt wie sie wohl noch keiner je gesehen hatte. "Es war dumm von mir. Ich hätte es dir sagen sollen, aber-"

"-dann hätte ich gewusst das du nicht gehorchst? So ging es doch jeden von euch, nicht?"

Betretenes schweigen.

"Wirklich eine Schande das keiner von euch sonst so klugen Scheißer die Idee hatte, eure Eltern hätten einen Grund, euch nicht vor die Mauer zu lassen."

Eric kam näher. "Das gibt ein Nachspiel."

Ben mischte sich nun ein. "Wichtig ist das wir jetzt schnell handeln. Keine Ahnung warum Levi hier Wach steht. Ob er die Kinder wirklich beobachtet glaube ich kaum."

Avan sah mich an, so durchdringend wie immer wenn er Pläne in seinem Kopf bildete. "Was denkst du? Wenn du denn was sagen willst, er ist immerhin dein Vater."

Tja, er war mein Vater. Und ich kannte ihn gut genug um zu wissen wie furchtbar gefährlich er war. "Ich glaube genau so wenig wie Ben das er es auf die Kinder speziell abgesehen hat. Eher das er sie als eine art Notfallplan im Auge behält. Eine art Hintertür. Und als Deckung."

Ben hob eine Braue. "Wenn er die Kinder rauslockt, achten wir mehr auf sie als auf den Rest der Umgebung, das wäre die erste Ablenkung. Irgendwann würden sie erneut erwischt werden und die Aufmerksamkeit geht wieder ein Stück zu ihnen. Die Zweite."

"Und währenddessen bespitzelt er den Ablauf der Burg. Die Lücken, die Steine, die Löcher oder Spalten in den Wänden, am Dach... Überall..."

Avan nickte und drehte sich du Kora, Taran und Arin um. "Also, wo kann man am besten unbemerkt aus der Burg flüchten?"

Arin grinste finster in seinen dampfenden Becher, Taran hob eine Braue. "Ich würde sagen am besten war der Weg über die Felsen. Wenn man mit einer Leiter über die Mauer kommt, dann ist er Rest beinahe Erledigt. Denn es gehen dort kaum Wachen herum."

"Weil es der sicherste Teil der Burg ist." Avan wechselte einen Blick mit Ben, der ihm mehr sagte als mir. So viel stand fest.

Das alles ging mich nichts an. "Ich werde die Kinder ins Bett bringen." Ben strich mir über den Rücken während er mit Avan und Kora über die Lücken der Sicherheit quatschte.

Ich sah ihm erst wieder als die Kinder schon schliefen. Helena war untröstlich gewesen und schlief unruhig, nachdem sie endlich ruhe gefunden hatte. Der Mond war das einzige was uns Licht spendete, als Ben Tod müde dazu stieß.

Mit spitzen fingern strich ich Melody die Haare aus der kleinen Stirn, als Ben sich zu mir setzte. "Gab es noch Gezeter?"

"Nein. Sie waren alle froh das jeder so davon gekommen ist. Außer die Kleine."

Ben folgte meinen Deuten zu Helenas Lager. "Sie nimmt es immer mit wenn sie mit Avan auf Kriegsfuß ist." 

"Alles soweit geklärt?"

Seine eiskalte Hand umschloss meine. "Wir werden doch früher zu Adam reisen. Es ist klüger uns nicht hier von ihm einkesseln zu lassen. Ich denke das er uns nicht erst seit kurzem bespitzelt. Sondern schon länger. Wenn wir vorzeitig was unternehmen können wir vielleicht ein paar seiner Pläne einstürzen lassen."

Melody reckte ihre sich ein wenig, rieb sich die Augen und schlief weiter. "Wir flüchten also von ihm."

"Wir haben nicht die Mitteln hier zu überleben und schon gar nicht sich zu stärken für einen eventuellen Kampf. Und keiner weiß was er vor hat. Es wäre unklug zu bleiben."

Ich war erschüttert wie weit es gekommen war. "Ob die Hochzeit dann eine gute Idee ist?"

Ben sah mich scharf an. "Wenn du mich nicht mehr willst, zwing ich dich zu nichts. Aber wehe du schickst mich in die Wüste weil du ein Märtyrer sein willst. "

"Ich will keiner sein, Ben. Aber es ist so gefährlich. Und du denkst doch nicht nach der Hochzeit würde sich was ändern? Es wird schlimmer. Er wird versuchen mich zur Witwe zu machen."

Sein Kiefer mahlte und ich sah das er etwas nicht aussprechen wollte. Oder sich zumindest hinderte es auszusprechen. "Sag es."

"Was den?"

"Was auch immer du gerade gedacht hast."

Ben runzelte die Stirn und stierte auf seinen Dolch im Stiefelschaft. "Wenn er versucht dein Leben zu zerstören und dich zur Witwe machen will, dann mach ich dich zum Waisenkind."

Auch wenn ich es geahnt hatte, traf mich beinahe der Schlag. Mir wurde trotz der wärme eiskalt und ich musste weg von ihm.

So leise und schnell wie möglich sprang ich auf und suchte das weite. Nicht blind, aber verletzt.

Der stählerne RitterМесто, где живут истории. Откройте их для себя