30. Das Küken in der Pandemie

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Das Küken in der Pandemie


03.05.2020 - Vorwort


Es sind bizarre Zeiten, in denen wir leben. Das irgendwie festzuhalten, hat sich mir natürlich schon Anfang März aufgedrängt, aber irgendwie... ich weiß nicht. Um das festzuhalten, braucht es sehr viele Selbsteingeständnisse. Und ich komme mir auch nicht fair vor – ich bin weiß Gott keine Gewinnerin der Krise, ich finde es absurd von GewinnerInnen der Krise zu sprechen – aber ich bin doch eindeutig auf der am wenigsten betroffenen Seite (und ich werde gerade reicher denn je). Und unter dem Blickpunkt fällt es schwer, einen Text zu schreiben, der so oder so am Ende nur Gejammer ist. Und ich weiß auch, dass ich ein Recht aufs Jammern und auf meine inzwischen doch sehr monotone Gefühlswelt habe, aber meine Luxusprobleme anderen unter die Nase zu reiben, fühlt sich falsch an.


Und jetzt, da ich das festgestellt habe, versuche ich genau das zu tun. Also nicht, euch meine Luxusprobleme unter die Nase reiben, sondern einfach das einzufangen, was mich beschäftigt. Schreiben hat für mich eine Therapie-ähnliche Wirkung. Und vielleicht kann das ja auch dem ein oder anderen helfen (müsst ihr euch überlegen, wie das helfen kann) oder aus seinem Leben ablenken. Lesen ist nämlich (für mich) genauso Therapie, weil man sich für ein paar Minuten aus seinem eigenen Gedankenkosmos verabschieden kann.


Ich bin ein mittel-verkorkster Mensch. Ich brauche meine Privatsphäre, ich bin gerne allein und ich mag es nicht, wenn Leute mich zu gut kennen. Ich präsentiere mich gerne ein bisschen anders, offen und nett – ich bin aber auch nett – und vor allem präsentiere ich mich sehr viel selbstbewusster und gedankenloser als ich bin, ein bisschen verpeilt, ich bin tatsächlich bemüht zu helfen, unfassbar harmoniebedürftig und trotz meiner Selbstdarstellung, klinke ich mich aus neunzig Prozent der Gespräche aus, sobald die ein bisschen ernster werden – ich weiß nicht ganz warum. Ich habe den Eindruck, nicht wirklich etwas zu den Problemen anderer beitragen zu können. Ich bin aber nicht nur gerne allein, sondern ich bin auch gern unter Menschen, ich brauche Menschen. Das habe ich jetzt noch einmal mehr festgestellt.


Ich war letztens spazieren und mir kam eine Zeile aus dem Orsons-Lied „Jetzt" in den Sinn. Und das ist glaube ich auch der Grund, warum ich das jetzt schreibe, auch wenn es in dem Lied um etwas ganz anderes geht.


Ich berühre das Gras nur um zu prüfen, ob ich was spür - Und ob ich noch lebe, noch fühle wie früher - Ob das noch da ist"


Das Leben zieht seit fast zwei Monaten einfach nur vorbei. Wie gesagt – ich lebe im Luxus. Ich wohne in einer Stadt, nennen wir sie Kükentown, die nicht weit von meiner Heimatstadt entfernt ist und war in prä-Coronazeiten im Prinzip jedes Wochenende bei meinen Eltern, weil Berlin am Wochenende cooler ist als Kükentown. Gerade im März, wenn keine Uni ist.


Und als das alles ernster wurde und mein nicht allzu alter, aber doch sehr krankheitsempfänglicher Vater nervös wurde, bin ich nach Kükentown gefahren, habe mir einen großen Rucksack gepackt (mit allem, was mich in den nächsten Monaten irgendwie unterhalten könnte) und auf dem Rückweg im Zug einer Freundin geschrieben, dass ich am kommenden Wochenende nicht zu ihrem Geburtstag kommen würde, und vier anderen, dass unser für das gleiche Wochenende geplanter High School Musical Abend auf jedem Fall nicht bei meinen Eltern und auch auf jeden Fall ohne mich stattfinden würde. Und dann hatte ich meinen ersten Breakdown. Und ich habe eigentlich keine Breakdowns. Alles geht irgendwie und große Dramatik vermeide ich in meinem Leben sowieso.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 13, 2020 ⏰

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