|| 48 || Stunde der Verzweiflung

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Avyanna Salvatore

Ich möchte ihn schlagen. Ihn kratzen. Ihn kicken. Ihm in die Eiter treten. Ich möchte ihn verletzen. Verletzen, wie er mich verletzt hat. Doch am aller meisten möchte ich ihn zurück. Es spielt keine Rolle, wie sehr ich mich dafür selbst hasse oder wie sehr ich ihn hasse – meine Liebe zu ihm ist stärker als der Hass.

Ich brauche ihn. Ich möchte ihn zurück. Meinen Leandro.
Nicht diesen idiotischen Psychopathen ohne Gefühle. Sondern den Leandro, der spät nachts für mich wach blieb und mit mir telefonierte, wenn ich nicht einschlafen konnte. Den Leandro, der mich mit seiner arroganten Art zum Lachen gebracht hat. Den Leandro, der ohne zu zögern seine Männer in den möglichen Tod schickte, nur um mich und meine Mafia zu unterstützen. Den Leandro, der die Welt in Schutt und Asche legen würde, nur um mich zu retten.

Kann ich ihn Mein nennen, wenn er mir die ganze Zeit etwas vorgespielt hat? Wenn er mir niemals gehört hat.

Die Tränen brechen aus, strömen über meine Wangen, hinterlassen eine Spur des Schmerzes. Die Tränenspur mag in Kürze verschwinden, aber der Schmerz nicht.

Heiße Tränen fließen aus meinen roten, gequollenen Augen, mein Körper bebt und zittert, und meine Hände umklammern das Waschbecken, als würde ich ohne dieses zusammenbrechen, weil meine Beine mich nicht länger tragen können.

Ich bin alleine, habe die Tür der Damentoilette hinter mir abgeschlossen. Niemand darf mich so sehen. Niemand darf sehen, was für ein Häufchen Elend ich bin. Besonders Leandro darf nicht sehen, wie sehr mich die Trennung mitnimmt.

Ich kann nicht glauben, dass er nie etwas für mich empfunden hat. Seine Blicke, seine Berührungen und seine Aktionen sprachen eine andere Sprache. War all dies nur Theater?
Das macht keinen Sinn! Wieso würde er mir das antun? Was hätte er davon? Wieso würde er mich anlügen? Wieso? Ich verstehe es nicht. Ich verstehe ihn nicht.

Mein zerschmettertes, zerborstenes Herz will nicht aufhören zu bluten, zu schmerzen.
Leandro brach nicht nur mein Herz. Er brach mich.

Jahrelang perfektionierte ich die Beherrschung meiner Gefühle, verstärkte die Eisschicht um mein Herz, ließ niemanden zu nahe an mich ran. Dann kam er. All die Schichten Eis, all die Kälte in mir, ließ er schmelzen, entzündende ein Feuer in mir. Und wofür? Um mich zu brechen.

Ein gefühlkaltes, krankes Lachen dringt aus meiner kratzigen Kehle. Bevor ich verstehe, was ich mache, greife ich nach meiner Clutch, ziehe eine Klinge hervor. Ich schreie. Die Klinge durchschneidet die Luft. Der Spiegel zerbricht; zerbricht wie mein Eis, wie mein Herz, wie ich.

Tränen versammeln sich vor meinen Augen, versperren mir die Sicht. Wahrscheinlich besser so. Denn nun muss ich mein schmerzverzerrtes Gesicht nicht sehen; muss nicht sehen, wie meine Lippe bebt, ich meine Haare raufe und mein Mund sich zu einem Schrei öffnet.

Es folgt kein Schrei, sondern ein Schluchzen. Ein Schluchzen, das mich bis zum Mark erschüttert, meinen Körper erzittern und erbeten lässt. Mein Herz verkrampft so stark, dass es droht, mich zu töten. Ich drohe an meinen Tränen zu ertrinken, an Luftmangel zu ersticken, an Herzkrampf zu sterben.

Der physische Schmerz in meiner Brust ist nichts im Vergleich zu dem Psychischen.

Meine Beine können mich nicht länger tragen. Ich falle. Ich falle auf die Knie, jedoch fühlt es sich, noch lange nach dem Aufprall, an, als würde ich fallen, immer tiefer fallen. Ich presse meine Augen zusammen, versuche verzweifelt nach Luft zu schnappen, zu atmen, trotz des Schmerzes, der meine Brust zerborsten lässt.

Mafia Romance 1 Where stories live. Discover now