|| 31 || Die mutigen Idioten und das Machtspiel

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Avyanna Salvatore

«Sergio», begrüße ich ihn, nachdem ich drei Tage fast ununterbrochen im Krankenhaus an Miguels Seite blieb. Jedoch hat sich seine Lage weder verschlechtert noch verbessert.

Ich lehne mich an meinen Schreibtischstuhl zurück, verschränke meine Arme vor der Brust. «Ich verbiete es dir, mich je wieder anzurufen.»
Überrascht blinzelt er mehrmals. «Das verstehe ich nicht.»

Ich schwenke das Glas Scotch in meiner Hand. «Ich bin auf bestem Weg eine Phobie zu entwickeln.» Nun führe ich das Glas an meine Lippen, nehme einen Schluck und genieße, wie der Alkohol in meinem Hals brennt.
Sergios Augenbrauen ziehen sich zusammen. «Wie soll ich dich sonst in Notsituationen erreichen?»
«Eine Nachricht schreiben», antworte ich ihm monoton. «Falls ich es für nötig erachte, werde ich dich dann von selbst anrufen.»
Sergio zuckt mit den Schultern. «Wenn du das wünschst.»

Erleichtert seufze ich. Meine Schultern sacken nach unten. Ich stelle mein Glas auf den Tisch und stütze meine Ellenbogen auf dem Tisch ab. «Bringe mich auf den neuesten Stand. Was ist passiert, während ich weg war?»
Sergios Augenringe sprechen Bände. Offensichtlich lief es nicht so glatt, wie es hätte sein sollen. Ob schon wieder Kunden abgesprungen sind?

Eigentlich sollte Sergio nicht halb so erschöpft sein, wie er scheint, da Mayra endlich zurückgekehrt ist und ihre Aufgaben wieder übernehmen kann. Dennoch ist Sergios Hemd zerknittert, seine Haare verstrubelt und seine Augen müde.

«Zahlreiche Beschwerden sind eingetroffen», klärt mein Unterboss mich auf. Ich hebe eine Augenbraue. «Jeder weiß, dass wir im Krieg mit dem Capo dei capi stehen. Schon seit Längerem machen sich Spannungen bemerkbar, die ich bisher jedoch unter Kontrolle hatte. Nach dem Vorfall mit Miguel hat sich das geändert.»

Ich runzele meine Stirn und meine Augenbrauen ziehen sich zusammen. «Versuchst du mir gerade zu sagen, dass meine eigenen Leute mich nicht unterstützen und meine Entscheidung in Frage stellen?»
Seufzend nickt er.

Ich schnaube und zucke mit den Achseln. Und ich dachte, es wäre etwas Ernstes passiert. «Wenn es nur das ist.» Es wäre ein Wunder, wenn es anders wäre. Mittlerweile bin ich es gewöhnt.

Doch als ich Sergios Gesichtsausdruck sehe, beschleicht mich ein mulmiges Gefühl. «Was verschweigst du mir?»
Er presst seine Lippen aufeinander. «Ich erhielt mehrere Austrittswünsche.»

Mein Herz fällt in die Hose. Dann verspannt sich mein Körper. Jegliche Wärme weicht aus meinen Augen. Mit einer Stimme kälter als Eis befehle ich: «Einberufung einer Versammlung aller, die diesen Antrag gestellt haben. Auf der Stelle.»

》✽《

Mit zusammen gekniffenen Augen mustere ich einem nach den anderem. Drei Duzend, die bisher den Mut aufbrachte, den Austritt zu beantragen. Was für mutige Idioten.
Tatsächlich sind alles nur Männer. Keine einzige Frau, war dumm genug, mich zu verärgern.

Ich lehne mich an meinen Stuhl, der wie ein Thron mittig an der Wand steht, umgeben von zwei weiteren Stühlen. Zu meiner rechten sitzt Mayra und zu meiner linken Sergio.
Vor uns dreien steht ein schwarzer, schwerer Tisch, auf dem drei Scotch Gläser stehen. Ebenso liegt die Namensliste der mutigen Idioten in der Mitte des Tisches.
Dorian steht direkt neben Mayra. Seine Hand ruht auf der Waffe, die an seinem Gürtel befestigt ist. Zusätzlich befindet sich ein Kapitän, der direkt unter Dorian in unserer Hierarchie steht, direkt neben Sergio.

Vor mir stehen die mutigen Idioten in zwei Reihen aufgeteilt. Ihre Rücken sind gerade, ihre Brust ist ausgestreckt und ihr Kinn ist oben.
Wie Soldaten stehen sie da – nur sehr viel eingeschüchterter.
Das Licht der goldenen Kronleuchter lassen den Angstschweiß, der an den meisten Stirnen zu erkennen ist, schimmern.

Mafia Romance 1 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt