Mafia Romance 1

|| 9 || Feuer und Eis

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Leandro Cassamento

Wie ein toter Mann sacke ich in mich zusammen, lehne mich an die Stuhllehne und versuche ruhig zu Atmen. Gar nicht so einfach. Meine geballten Fäusten zucken, verspüren den Drang auf etwas – oder noch besser: jemanden – einzuschlagen. Oh, wie gerne ich Luigi in die Fresse schlagen würde... und ihn anschließend erstechen. Allerdings wäre ein schneller Tod zu gnädig für ihn. Er soll leiden, wie die Frauen und Kinder leiden mussten.

Ich will gar nicht wissen, wie viele Kinder Luigi mit seinen Machenschaften bis an ihr Lebensende traumatisiert hat. Genauso wenig will ich wissen, wie vielen Kindern ihre Unschuld durch Luigis Menschenhandel gestohlen wurde. Ich will auch nicht wissen, wie viele Kinderleben Luigi auf dem Gewissen hat.

Luigi ist in meinen Augen kein Mann. Er ist ein Monster. Ein Monster, das getötet werden muss.

«Ich werde ihn umbringen!», knurre ich. Eine überwältigende Mordlust strömt durch meine Adern, vermischt sich mit meinem Blut, wird eines mit mir, erhitzt meinen Körper, bringt meine Muskeln zum Beben und mein Herz zum Schmerzen.

Avyanna betrachtet mich mit einem kaltherzigen Blick. Während ich drohe in explosiven Flammen aufzugehen, ist sie mein Gegenstück. Aus ihren Amethyst Augen tropft die Farbe, lässt frostiges Grau zurück. Ein Grau, kälter als das frostigste Eisblau. Ihre pfirsichfarbene Haut wird so blass, dass ihre blauen Adern hervortreten.

Feuer und Eis.

«Nein», sagt Avyanna. Ihre helle, melodische Stimme ist kaum wiederzuerkennen. Zurück bleibt eine matte, durchdringende Stimme, die mir einen kalten Schauder über den Rücken jagt. «Wir werden ihn umbringen.» Sie lächelt. Ein Lächeln, das Tod verspricht. Ein Lächeln, wie meines.

Ohne ihren Puls zu spüren, weiß ich, dass in diesem Moment unsere Herzen im Gleichklang schlagen. Ihres kalt und leise, meines heiß und laut – zwei Gegensätze, aber doch so gleich.

«Wir können nicht länger still sitzen bleiben und nichts tun», meint Avyanna. «Luigi hat die Grenze weit überschritten. Wir müssen ihn stoppen, bevor er unaufhaltsam ist.» Wenn er nicht jetzt schon unaufhaltsam ist...
Ich nicke. «Ich bin deiner Meinung. Luigi muss von seinem Thron gestoßen werden.» Doch die alles entscheidende Frage lautet: Was wird es brauchen, um den Capo dei capi, Boss der Bosse, zu stürzen? Wie viele Opfer, wie viele Leben wird es kosten?

«Ich muss auflegen», ertönt Najadas Stimme aus Avyannas Smartphone Lautsprecher. Ich zucke zusammen. Ich habe ganz vergessen, dass sie noch dran ist. «Vincenzo könnte jeden Moment von seinem Termin zurückkommen.» Ohne ein weiteres Wort legt sie auf.

Avyanna und ich schauen uns an. Entschlossenheit leuchtet in ihren und Augen, ebenso wie in meinen. Wir verfallen in Schweigen, grübeln beide nach, wie wir von nun vorgehen sollen.
Ich erwäge es, von meinem Plan B, den ich mir schon Tage zuvor ausgedacht habe, zu erzählen, aber entscheide dagegen. Vorerst.
Plan B ist radikal. Unsere Leben würden sich von da an fundamental verändern. Aber er wäre auch unsere beste Chance. Wenn wir Plan B ausführen würden, würde Luigi zwar nicht im Grab schmorren, aber seine Herrschaft hätte ein Ende. Dann hätten Avyanna und ich das Sagen.

Auf einmal weiten sich ihre Augen. «Was ist mit Prinz Damiano?»
Meine Stirn legt sich in Falten. «Was soll mit dem Kronprinzen sein?» Dann geht mir ein Licht auf. Damiano ist ein enger Verbündeter vor Luigi. Es ist nicht unüblich, dass eine Mafia Familia einen Politiker aufstellen lässt, doch Luigi hat nicht irgendeinen Politiker auf der Seite, sondern den Kronprinzen.

Prinz Damiono hat vor geraumer Zeit offiziell bestätigt, dass er ein Fan und Verbündeter von Luigi Montana ist. Das hat für einen riesigen Wirbel gesorgt und war überall in allen Nachrichten und Medien. Kein Wunder. Normalerweise hegt die Königsfamilie einen tiefen Hass auf die Mafia. Was nachvollziehbar ist, da wir ihnen die Macht rauben. Doch Damiano scheint mit Luigi eng befreundet zu sein, was Luigi einen immensen Vorteil gegenüber den anderen Mafias verschafft.