85.000 Menschen

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Durch meine schulterlangen, dunklen Haare wehte eine leichte Briese, jedes Mal wenn ich erneut in die Pedalen trat. Der Fahrradverkehr in München war eine Zumutung.
Die ganze Stadt war bereits gefüllt mit lautstarken Fußballfans. Egal ob zu Fuß oder im Autokorso. Um genau zu sein, war ich auch eine von ihnen, zumindest äußerlich. Ich trug das ausgeliehene Trikot meines Bruders.
Mit der großen Nr. 1 auf dem Rücken schlängelte ich mich zwischen den Autos umher. Samira wartete bestimmt schon auf mich, immerhin war ich ganz schön spät dran.
Sie hatte mich eingeladen, mit ihr ins Stadion zu gehen. Eigentlich hatte sie die 2 Karten fürs Viertelfinale zwischen Deutschland und Belgien für sich und ihren Freund geholt, dieser war jedoch kurzzeitig abgesprungen. Naja, mehr oder weniger, er musste eine Geschäftsreise wahrnehmen. Glück für mich.
Wer sitzt nicht gerne bei 27° im Schatten zwischen 85 000 Menschen und schaut einem Ball und 22 Männern zu?
Fußball war noch nie richtig meins, klar, die Sammelkarten früher habe ich gesammelt und kannte daher noch ein paar Spieler aber erkennen würde ich die meisten dennoch nicht.
Ich hatte das Gefühl, das langärmelige Shirt bringt mich noch um. Doch mein Leid war bald darauf beendet als ich in Sams klimatisierte Wohnung eilte.
Sie beschwerte sich über meine Unpünktlichkeit während sie sich ihre Wangen in den Nationalfarben schminkte.
„Bist du sicher dass das nötig ist? In das Stadion passt die Einwohnerzahl einer Kleinstadt. Niemand wird uns dort auch nur entdecken." merkte ich fragend an.
„Denkst du!" das erste mal seit unserer Konversation sah sie mich an. „Tobi wollte unbedingt in der 3. Reihe sitzen." ihr Blick richtete sich wieder zum Spiegel vor ihr. „Vielleicht wird ja einer der Spieler auf mich, oder im besten Fall auf uns, aufmerksam." sie grinste ein wenig.
Ich nickte nur. Darüber jetzt zu diskutieren wäre viel zu unnötig und einfach nur ein Stimmungskiller.
Nachdem ich noch kurz etwas getrunken hatte, konnte es losgehen. Mit der Haltestelle vor ihrer Haustür kam man easy zur Allianz-Arena. Alles war proppe voll, die Hälfte der Fahrgäste gröhlte angetrunken im Wagon rum. Erneut stellte ich mir die Frage, wie man sich sowas regelmäßig antun kann.
Auf einmal packte mich eine fremde Hand an der Schulter. Blitzschnell drehte ich mich um. Es war ein alter Mann welcher mir in die Ohren schrie: „Neuer, Superstar! Er wird uns ins Halbfinale bringen!" es dauerte eine Sekunde bis ich den Zusammenhang zu meinem Trikot verstand.
Ich war heilfroh als wir endlich unsere Endstation erreichten und ich frische Luft bekam.
Nach einem langen eincheck Verfahren waren wir endlich in der riesigen Arena. Man sah bereits die Spieler beider Teams auf dem Feld wie sie trainierten. Wer davon jetzt das deutsche Team war, war mir unklar. Ich sah jedoch davon ab zu fragen, bevor Sam mich hier direkt wieder rauswirft.

Abseits des Stadions  - Manuel NeuerWhere stories live. Discover now