Taktgefühl

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Meine Augen schlossen sich um kurz zur Ruhe zu kommen. Keine Chance. Mein Herz schlug wie verrückt.
Die Fahrertür öffnete sich. Manuel hatte sich sein Sakko ausgezogen und dieses in den Kofferraum geworfen. Als er nun neben mir saß merkte er meine Blicke bestimmt, er grinste nur leicht während seine Hände am Knoten seiner Krawatte rumfummelten.
„Willst du das anlassen?" das erste mal sah er mir wieder in die Augen. Ich war gefesselt von dem Bann seiner Ausstrahlung. Sein weißes, enges Hemd, seine Blicke und dieses Grinsen warfen mich aus der Bahn.
Auf seine Frage konnte ich also nur zaghaft nicken.
Meine Finger fingen langsam an mit dem Saum meines Blazers zu spielen. Ich sah auf den Boden, war noch immer überwältigt von der Situation.
„Naja, okay, aber ich fahre gerne schnell und mache ungerne Pausen. Entweder bleibt das die Fahrt über an oder du ziehst es dir schnell aus." seine Stimme klang angenehm dominant. Ich musste einfach erneut einen Blick riskieren. Auf seinen Lippen ruhte zwar ein Lächeln jedoch waren die Augen verdeckt von seiner dunklen Sonnenbrille. Verunsichert sah ich auf das Display im Auto, es zeigte 25° Außen- und 19° Innentemperatur an.
„Ich ziehe das doch lieber aus." stammelte ich leise und schnallte mich ab. Ich hatte das Gefühl, seine Augen verfolgten jeden Schritt den ich tue.
Auch als ich die Tür zum aussteigen öffnete hatte  ich das Gefühl, seine kalten Augen würden alles mustern an mir.
Ich öffnete die hintere Tür um meinen schwarzen Blazer auf die Rückbank zu legen. Bevor ich vorne wieder einstieg sah ich mich noch kurz in den schwarzen, getönten Scheiben an. Ich sah meinem Spiegelbild direkt in die Augen. Es war echt. Manuel Neuer nimmt mich wirklich mit nach Hause. Meine Finger gingen nochmal kurz in meine Haare, um diese zu richten.
Mit meinen weißen sneakers voran betrat ich wieder das Auto, der Motor lief bereits. Es war ein hybrid. Ein Touareg hybrid mit 381 PS um genau zu sein. Damit würden wir auf einer Strecke direkt bis nach München durchkommen.
Stille füllte den Innenraum des Autos. Zumindest so lange bis wir vom Grundstück auf die Straße auffuhren.
„Ich habe meinen neuen Wagen heute geholt. VW ist ja unser Sponsor...", er sah mich an, als würde ich alles über den DFB wissen. Aber ja, jetzt wo er es sagt, verstehe ich den Zusammenhang, weshalb ich ihn angetroffen habe, „...ich habe mir dieses Auto ausgesucht." Er hörte sich zufrieden an. Das erste mal, seit wir aufeinander trafen musste ich schmunzeln. Er schien es wahrzunehmen also wollte ich mich erklären. „Die Tatsache, dass Sie sich dieses Auto ausgesucht haben, war mir schon deutlich, als ich eingestiegen bin. Das hätten Sie nicht nochmal erklären müssen..." lächelnd sah ich ihn an. Er erwiderte meine Mimik doch zog an der nächsten roten Ampel die Brille runter und sah mir erneut in die Augen. Er wusste ganz genau was er da tat mit mir. Er fesselte mich alleine nur mit seinem Blick.
„Meine Liebe, du Sitz bei mir im Auto. Bitte siezt mich nicht, ich bin der Manuel." mir war klar, er weiss was er will. Während seine Augen meine wieder in den Bann zogen, zwinkerte er mich an. Ich nickte nur. Was anderes blieb mir momentan nicht übrig. Sein Blick fiel zurück auf die Ampel. Wieder  spielten meine Finger mit dem Stoff meines Oberteils, diesmal war es die weiße Bluse.
„Wieso bist du nervös?" fragte er, als wir auf die leere Autobahn auffuhren. Aber diese blöde Frage hätte er sich ja wohl selbst beantworten können. Dennoch erklärte ich mich. „Ich sitze bei einem Wildfremden Mann im Auto..." ich schmunzelte ein wenig, „ist das nicht Grund genug?" er zickte nur mit den Schultern während er beschleunigte.
Er bat mich, mein Handy mit dem Audiosystem zu verbinden. Es dauerte zwar ein paar Minuten aber dann ging es.
Mit zitternden Fingern öffnete ich Spotify. Er meinte, ich könnte spielen was ich will, gefällt es ihm nicht, sagt er was. Ich suchte in der Bibliothek nach meinem Lieblingsalbum um dieses zu shuffeln. Nervös ging ich auf das kleine grüne Symbol welches die Musik starten würde.
Während die ersten Töne erklangen sah ich ihn erwartungsvoll an. Ich wusste nicht ob es ihm gefällt. Immerhin beschwerte er sich nicht.
Mein Blick fiel auf seine Finger, diese hatten angefangen im Takt auf dem Lenkrad zu tippen. Es schien ihm also zu gefallen.
In mir merkte ich, wie sich alles langsam zur Ruhe setzte. Ich merkte, er wusste genau was er getan hat. Indem er mich dazu beauftragt hat, Musik nach meinem Geschmack anzumachen war ich zur Ruhe gekommen.
Wir sprachen nicht. Jedoch war die Ruhe keine unangenehme sondern ganz im Gegenteil, sie war schön. Ich fühlte mich sicher neben ihm. Auch wenn er gerade mit 250 km/h über die leere Autobahn schiesst.
Ich fing an meine eigenen Gedanken zu hinterfragen. Eigentlich Zweifel ich schnell, es braucht eine Weile bis ich Menschen vertraue. Wieso ist es bei ihm nicht so? Er hatte mir schon seit unseren ersten Blicken im Stadion, das Gefühl gegeben, dass ich in Sicherheit bin. Er sorgt sich darum, das es mir gut geht. Leider kann ich nicht zwischen Fürsorge und Interesse unterscheiden. Ich sah ihn an. Konzentriert lag sein Blick auf der Straße. Lag ihm wirklich etwas daran, mich nach Hause zu bringen oder wollte er einfach nur helfen? Ich konnte es nicht unterscheiden.

Abseits des Stadions  - Manuel NeuerWhere stories live. Discover now