ᴡɪᴇ ʜᴇɪßᴛ ᴅᴇɪɴᴇ ᴡᴏ̈ʟғɪɴ? ✔️

Einundzwanzig

- Jason -

Man sollte meinen, dass ich Montag hasse. Was ich auch tue. Besonders nach einer Nacht wie gestern und einem frühen Morgen wie heute. Amy wollte unbedingt bis zu Linn und Noah gehen, damit wir gemeinsam mit ihnen gehen können - immerhin ist es Linns erster Schultag nach was auch immer sie hatte. Besonders überrascht war ich nicht, als wir bei den Stufen Kira antrafen. Sie hatte wohl auch den gleichen Gedanken wie wir. Wie werden Linn und Noah auf einander reagieren? Werden sie überhaupt reagieren?

"Was ist denn das hier für eine Versammlung?", rief jemand hinter uns, während Amy Kira in die Arme geflogen war. Desinteressiert drehte ich den Kopf um, um Noah zu sehen. Ich erstarrte angsterfüllt. Die letzte Nacht spielte sich mehrmals durch meine Gedanken, sodass meine Augen wieder anfingen wehzutun. Letzte Nacht habe ich ihm mein Herz ausgeschüttet und selbst nicht gefragt, warum er mitten in der Nacht im Regen draußen war. Ich habe mich geöffnet wie schon seit Jahren nicht mehr und ich hoffte irgendwie mit einem Stückchen Hoffnung, dass ich mit einem Blackout-Noah gesprochen habe und er das alles wieder vergessen hat.
"Freust du dich etwa nicht uns zu sehen?", rief Kira ihm belustigt zurück und stemmte die Hände an die Hüften.
"Das hab ich nicht gesagt.", erklärte Noah kopfschüttelnd und kam vor uns zu stehen. Die Kälte strahlte nur so aus ihm, als wären wir schon im tiefsten Winter. Prüfend richtete sich sein Blick kurz auf mich, was mich noch mehr verunsicherte. Würde er jemanden weiter erzählen, was gestern passiert ist? Shit, nein! Ich rede hier von Noah, der Typ war praktisch ein Safe voller Geheimnisse. Er würde mich nie hintergehen und meine Probleme weiterverraten. Verdammt, wann bin ich so paranoid geworden, dass ich meinen eigenen Freunden misstraue?

"Linn ist spät dran.", merkte Amy mit aufgeblasenen Backen an und steckte ihr Handy weg.
"Sie ist schon weg!", rief eine Stimme von hinten. Alles in mir spannte an, als Leo auf uns zukam. Ich konnte ihn nicht leiden. So gar nicht. Immer wenn ich ihn sah, stellte ich mir vor wie ich ihm dieses blöde Grinsen aus dem Gesicht reiße und ihn damit verprügle. Er regt mich einfach auf.
"Wie meinst du das?", fragte ich ihn streng und richtete mich weiter auf. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Noah ihn gefährlich ruhig musterte.
"Linns Eltern haben sie zur Schule gefahren. Wollten noch irgendetwas mit der Direktorin besprechen oder so.", meinte er gähnend und verlangsamte seine Schritte.
Amys Kopf schellte keine Sekunde später in meinen Richtung. "Sie wollen sie doch nicht von der Schule nehmen, oder?", rief sie mir innerlich panisch zu.
"Keine Ahnung, aber ich hoffe nicht."
"Mit einem Gespräch bei der Direktorin hat auch die Spaltung ihres alten Rudels angefangen. Kinder wurden von der Schule genommen und kurz darauf war die gesamte Familie weg."
"Ich weiß, Amy. Wir haben es alles erlebt." Linn ist uns allen irgendwie ans Herz gewachsen. Sie versandte die gleiche angenehme Stimmung wie Kira und der konnte man schlecht 'nein' sagen. Linn hatte mir damals ihr Herz ausgeschüttet, mir von der Spaltung ihres Rudels erzählt und ich hab diese verdammte zitternde Hand doch selbst miterlebt. Sie konnte doch jetzt nicht einfach verschwinden, wo sie doch erst in unsere Leben geplatzt ist.

"Weißt du was sie besprechen wollen?", fragte Noah schlussendlich und ging an uns vorbei. Locker fing er an die Stufen hinabzugehen und wir folgten ohne Widerworte. Ich wäre schon echt blöd - oder blöder als sonst - mich in seiner dunkelsten Kältephase mit ihm anzulegen. Er war zurzeit irgendwie empfindlich und dennoch distanziert. Ich will endlich wissen, was mit ihm los ist.
"Irgendwas mit ihrem Trauma.", rief Leo belanglos zurück.

Einige Stufen blieb es dann relativ ruhig. So sehr wie Amy und Kira ihre Hände drückten bekam ich einerseits Angst, dass sie sich gegenseitig die Finger brechen würden und andererseits vermutete ich, dass sie in einer telepathischen Verbindung beide gerade hyperventilierten. Amy wirkte hibbelig und angeregt. Mir schlug selbst das Herz bis zum Hals beim Gedanken, dass Linn vielleicht schon aus der Stadt oder aus dem Land ist. Verdammt! Wir hätten uns mehr um sie kümmern sollen! Wir hätten ihren Eltern klarmachen sollen, dass sie einfach zu uns ins Rudel eintreten sollen. Wovor haben die denn solche Angst?