BIG SPECIAAAL ~ 47

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🐺

Noah verstand die Lage, die sich vor seinen Augen zeigte nicht. Er hatte nur mitgekriegt, dass etwas mit Linns Familie war und sein Kopf hat sich so sehr auf Linn festgesetzt, dass er seine Freunde mit einem strengen Befehl nach Hause schickte und seine Brüder voller Adrenalin hochhob und mit ihnen im Gepäck nach Hause flitzte. Schließlich warf er die beiden ab und übersprang den Gartenzaun, den ihn von Linns Haus trennte. Aufgelöst blickte er zu ihrem gekipptes Zimmerfenster auf und kletterte wie die letzten Nächte auch schon sich an der Regenrinne und den Unregelmäßigkeiten an der Fassade hoch bis zu dem Fensterbrett von Linn, an dem er sich mit einem Klimmzug hochzog. Seine Hand passte gerade noch durch das gekippte Fenster, sodass er es unruhig öffnen konnte und dann in ihr Zimmer hineinsprang. Normalerweise hätte er seine Schuhe ausgezogen oder hätte sie auf dem Fensterbrett gelassen, aber gerade drehten sich seine Gedanken um etwas anderes und er durchraste innerhalb Sekunden mit den Nerven auf einem anderen Planeten das Haus auf der Suche nach ihr. Er fand sie nicht. Ohne weiter darüber nachzudenken rannte er wieder zu seinem Haus. Jonas und Timmy kamen nach Noahs Schnelligkeit, die verdammt viel an die ihrer Mutter grenzte, kaum zu Atem und standen dann wie bestellt und nicht abgeholt im Garten, während Noah laut fluchend nach seinem Türschlüssel suchte.
Sein älterer Bruder konnte nicht anders als zu vermuten, dass Noah sich tragischerweise den Drogen hingewendet hat. Wie sonst könnte er sein Verhalten jetzt erklären? "Was-", fing Jonas genervt über seinen Bruder an und wurde schamlos unterbrochen, als sein Vater die Haustür aufriss.
"Wo ist sie?", fragte er atemlos und schob sich an seinem Vater vorbei ins Haus.
"Sie?", rief ihm Jonas verwundert nach und lief auf das Haus zu. "Was passiert hier eigentlich?"
Timmy zuckte nur müde die Schultern und starrte den beiden träge nach. "Jetzt sind sie beide total durchgedreht.", murmelte er und schleppte sich zur offenen Haustür.

Auf dem Gang traf Noah schließlich auf Leo, der sich so oft durch die Haare gefahren war, dass sein Ansatz schon fettig wurde und der so oft durch den Gang gegangen war, dass er einen Weg in den Boden hätte machen können. "Leo. Sprich.", knurrte Noah und wollte an ihm vorbei, aber der Blondschopf hielt ihn ab, als er sich vor ihn schob. Jonas war seinem Bruder dicht auf den Fersen.
"Beruhig dich. Sie ist sowieso schon fertig mit den Nerven. Und ich auch. Ich will nicht Vermittler spielen, wenn du sie so weiter verletzt."
"Was ist mir ihr?"
"Es geht um ihre Eltern.", flüsterte Leo tonlos. So nah wie sich die beiden Jungs standen, wich Noah geschockt zurück als er getrocknete Tränen auf Leos Wangen sah und wie blutunterlaufen seine Augen waren. Er schien blasser als Noah ihn sonst kannte.

Schluckend verdaute er den ersten Schock und schob Leo dann zur Seite, um ins Wohnzimmer zu gehen woher er leises Weinen hörte. Ein Schütteln überkam ihn im Türrahmen und er musste schwer schlucken.
"Ich hab kein gutes Gefühl.", vertraute ihm sein Wolf unbehaglich an.
"Ich auch nicht.", hauchte er zurück.
"Weißt du, Junge. Ich kann dich leiden - wirklich - aber mit Drama und Tränen kann ich nicht umgehen. Du bist auf dich alleine gestellt. Verzeih mir."
Noah nickte gedankenverloren und schloss für einen Moment konzentriert die Augen. Seine Finger fuhren vorsichtig über das Lederarmband, dass Linn ihm geschenkt hatte und das noch immer so intensiv nach ihr roch.

Bisher war seine Kältephase immer ein Zufluchtsort und Schutz für ihn gewesen, aber nun fühlte es sich einfach nicht richtig an mit der Kälte in seinem Herzen auf Linn zuzugehen, wenn sie ihr Schicksal beweinte. In seinen Phasen konnte er endlich einmal weg kommen von dem Übermaß an Gefühlen und Erwarten, die tief in ihm schlummern und dem komischen Grinsen, dass ihn schon so oft eine Gänsehaut beschert hatte und seine Aggression vorantrieb. Noah hatte die Kältephasen in Momenten genutzt, wo er mit seinem Emotionen zu schlechten Zeiten nicht umgehen konnte, um erst alles um sich zur Ruhe kommen zu lassen und das Unvermeidliche - seine Gefühle - aufzuschieben, bis er sich gut genug fühlte sich damit auseinanderzusetzten.
An dieser Kältephase klammerte er sich aber besonders fest. Sie war mitten in der Nacht entstanden, als er Linn zum ersten Mal beinahe das Herz gebrochen hat und sie verletzt auf den Stufen zur Siedlung zurückgelassen hat. Wo Noah sich seiner Mate Willen - wie blöd das alles im Nachhinein klingt, beklagte er innerlich - von Linn distanziert hat, obwohl er sie selbst danach nicht aus dem Kopf bekommen konnte. Seine Kältephase brach einmal in der Zwischenzeit, als er das erste Mal so richtig die Wahrheit erfahren hat und das komische Grinsen beinahe die Übermacht über ihn erlangt hat und seine Aggression so sehr angewachsen war, dass seine Mutter aus dem Haus flüchten musste und Noah sich am Türrahmen festklammern und auslassen musste, damit er nicht gegen seinen Willen jemand anderem wehtat.

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