Dreißig

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~ Linn ~

Aus Noahs Mund floßen kleine Rauchwolken hinaus, als er den Rauch seiner Zigarette nachdenklich rausbließ. Ich zog praktisch seine Gesichtszüge in mich hinein, während die kleinen Wölkchen immer mehr verblassten und während ich fasziniert sein Gesicht begutachtete, fragte ich mich, ob der Rauch nach oben zu den Sternen hochkommt oder zwischendurch einfach gänzlich verschwindet.

In dieser Nacht fühlte ich mich nach langer Zeit einfach... ruhig. Vollkommen. Die sternenklare Nacht, die naturelle Stille und Dank Noah wieder klares Sehen schenkten mir verzweifelte Minuten von Ausgeglichenheit, die mich einfach wunschlos daließen. Es hatte etwas angenehmes an sich mit meinem halbgeheimen Schwarm so nah zusammenzustehen und zu wissen, dass er mich nicht ganz uninteressant findet und meine Gefühle auf seine Art und Weise erwidert.

Noah musste nicht einmal etwas sagen oder etwas machen. Mein Gewissen und mein Herz wirkten allein wegen seiner Präsenz und dem Fakt, dass wir Seelenverwandte auf dem Weg zu einer Beziehung waren schon so erleichtert, dass ich nichts mehr anderes machen wollte, als das was jetzt passiert. Unter Noahs Arm eingehackt sein und die Nacht genießen.

Das einzige, dass die Stimmung so richtig zerstörte war die Spannung in der Luft, denn ich hatte ihm noch so einiges zu erklären - und er mir auch.

Mein Blick verfing sich bei den Sternen, während ich versuchte nachzudenken wo ich bei meiner Erzählung überhaupt starten soll. Als ich fünf Jahre alt war und meine erste Versiegelung hatte?
Als ich vor über einem halben Jahr die ersten Zitteranfälle hatte, weil meine Wölfin mich stürzen wollte?
Als vor dem Somme- okay nein, er kannte ja prinzipiell schon die Geschichte zur Spaltung meines Rudels.

Genervt wandte ich den Blick von den Sternen ab und starrte in den nahegelegenen Wald. Ich war kein Fan vom Sterneschauen, weil es irgendwie immer langweilig auf mich wirkte. Sterne sind stumm und das lockt mich nicht. Ich hatte schon so oft Sachen aus meinem Sichtfeld verloren, dass mich sehen allein nicht mehr reizte.
Stattdessen wandte ich mich an Noah und wickelte meine Arme von der Seite um ihn. Mein Kopf prallte quasi schon von selbst kraftlos gegen ihn und ich konnte seinen Herzschlag leise in ihm schlagen hören. Das beruhigte mich dann mehr. Erleichtert atmete ich auf, während Noahs freie Hand sich in meinen Haaren verging und mich noch näher an ihn drückte.
"Geht's dir gut?", fragte er flüsternd nach und der Nikotingeruch von ihm stach mir in die Nase. Er gab mir zwar derzeit meine Sicht wieder, aber dennoch war es unmöglich ohne meine Wölfin seinen Wolfsduft - geschweige denn den typischen Tiefwald-Werwolfsgeruch - wahrzunehmen.
"Wie lange musst du noch rauchen?", rutschte mir müde heraus. Keine Sekunde später hörte ich ihn auf dem Boden rumstampfen und sein zweiter Arm schlang sich um mich.

"Willst du jetzt dein Geschenk haben?"
"Du meinst mein drittes Geschenk von dir. Vor einem halben Jahr haben wir nicht einmal mit einander geredet oder du mir hinterhergeschaut, aber nun packst du drei Geschenke aus. Noah, eines ist genug."
"Okay, lass mich meine Aussage korrigieren.", atmete er mir in die Haare aus. "Nennen wir es nicht mehr Geschenk, sondern etwas Aufbewahrtes. Eigentlich gehört es nämlich dir."
Verwirrt schoss mein Kopf hoch und unabsichtlich knallte ich ihm dabei gegen sein Kinn. Er wich zischend nach hinten und ich riss geschockt die Augen auf.
"Shit, das tut mir leid.", stotterte ich entschuldigend dazwischen und trat näher an ihn heran. "Das wollte ich echt nicht."
"Passt schon.", meinte er dann und dehnte sich den Nacken. "Ich glaub nicht, dass du mir einen Zahn ausgeschlagen hast."
"Also soll ich noch einmal nachschlagen?" Und ich musste mir bei der Aussage ein fettes Grinsen verdrücken, was aber nicht lange hielt, denn er sackte beinahe im Stehen zusammen.
"Dein Ernst?"
Spaßeshalber formte ich zwei Fäuste und schlug in Zeitlupe so aus, wie er es mir letztens beigebracht hatte. "Ging doch so, oder?"

ᴡɪᴇ ʜᴇɪßᴛ ᴅᴇɪɴᴇ ᴡᴏ̈ʟғɪɴ? ✔️Where stories live. Discover now