Neununddreißig

829 53 3
                                    

> Noah <

Da freut man sich Freitag nach der letzten Stunde, dass endlich Schluss ist mit einer verdammt anstrengenden Woche, da fällt einen wieder der noch nervigere Samstagsjob ein. Warum tue ich mir das an? Jeden Freitag spätnachts liege ich dann auf meinem Sofa im Wohnzimmer und zappe durch die Kanäle bis ich einen finde, der ein Fußballspiel oder sonst was überträgt und schicke mir seit neusten mit Linn random irgendwelche Gifs hin und her. In solchen Momenten denke ich darüber nach die Kündigung, die ich schon auf meinem Laptop gespeichert halte zu aktualisieren und meinem Chef morgen breit strahlend in die Hand zu drücken, da fällt mir wieder ein wieso ich das Geld doch gut gebrauchen kann.
Die Teilrate für Jonas Auto... mein neues Bett... Essen für die Freistunden und bei Treffen mit Freunden... und noch allerlei Sachen, die ich auf Amazon auf meinem Wunschzettel halte wobei ich mit dem Großteil davon sowieso nichts anfangen könnte...

Naja. Vielleicht lasse ich meine Kündigung doch noch im Archiv. Immerhin sind es nur ein paar Stunden einmal die Woche. Und ich hab keine Lust länger zur Arbeit zu pendeln, wenn der kleine Supermarkt direkt vor meiner Nase lag und nur wenige aus der Stadt überhaupt dorthin gehen.

Außerdem... wenn ich dann schließlich in der Früh aufstehe, mich umziehe und meine Tasse Tee trinke dann denke ich mir immer locker, dass es nicht so schlimm ist, wie ich es mir ständig einbilde. Die Kollegen sind eigentlich ganz okay, der Chef hat so seine Tage mit Auf und Abs. Nur die Kunden... die kann man nie einschätzen. Vor allem nicht seit Karin herausgefunden hat, wo ich meinen Samstag verbringe und seit da an eben jeden Samstag auftaucht - mit ihren neun Freundinnen und allen sonst, die jetzt wissen wo ich arbeite.

Doch ansonsten kann ich mich nicht beklagen, immerhin arbeite ich schon seit über einem Jahr dort.
"Was passiert, passiert. Kann mir egal sein. Ich bin einmal in der Woche dort.", flüsterte ich, während ich die Stufen zur Stadt hinabstieg und meine Zigaretten aus der Hosentasche zog.

Den Laden betrat ich durch den Hintereingang und ging auf das Büro meines Chefs zu, der mir breit strahlend entgegenkam. Das hieß nie etwas gutes.
"Nathaniel." Mit Namen war er verdammt scheiße. Ich musste mein Namensschild immer vom Stellvertreter noch einmal ausdrucken lassen, weil er statt 'Sebor' manchmal 'Seeborsch' oder 'Zeborg' hinschreibt.
"Noah.", verbesserte ich ihn ausatmend. "Morgen." Ein guter Morgen wird das bestimmt nicht mehr.
"Wie auch immer. Du wirst heute jemanden einschulen." Es wird ein verflucht schlechter Tag werden. Einschulen hieß reden, erklären, überwachen und auf nett tun.
"Also kommt jemand neues?"
"Genau." Und dann änderte sich schlagartig seine Miene. Das Lächeln ließ ihn komischerweise jünger und wacher aussehen. Ohne Lächeln waren seine dunklen Augenringe und schlechte Laune viel sichtbarer. "Vermassel es nicht. Der Junge fängt 'ne Lehre als Einzelhandelskaufmann bei uns an und ich kann wen gebrauchen, den ich meine Arbeit zuschieben kann. Setz dein bestes Lächeln auf und führ ihn gut ein."
"Moment mal.", merkte ich verwirrt an. "Ich soll wen einschulen, der hier eine Lehre anfängt? Machen das nicht normalerweise die Vollzeitkräfte oder Sie? Ich hab doch bisher nur die Samstagkräfte betreut."
Euphorisch schlug er mir mit einem schmierigen Grinsen gegen die Schulter. "Gratuliere! Du bist soeben aufgestiegen."
"Gilt das auch für mein Gehalt?", rutschte mir überfordert heraus.
"Übertreib es nicht, Junge." Mit den Worten ging er von mir weg. "Der Neue kommt um zehn!", rief er mir nach. "Jetzt schnapp dir eine Lade und ab an die Kassa! Und lächel gefälligst nett wenn Kunden da sind!"

Normalerweise muss er mir eine Lade übergeben, aber er macht selten was er tun sollte. Genervt saß ich wenige Minuten später an der Hauptkassa und sah von da aus dem Strom an Menschenmasse zu, der sich durch die Tür drängte. An einem Samstag um halb acht in der Früh.

ᴡɪᴇ ʜᴇɪßᴛ ᴅᴇɪɴᴇ ᴡᴏ̈ʟғɪɴ? ✔️जहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें