Achtunddreißig

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/Leo\

Mein Kopf dröhnte. Er dröhnte so sehr, als wenn ich gestern bei einer Party alles gegeben hätte und alles zu mir genommen hätte. Das wäre mir ehrlich gesagt auch viel lieber, als einfach wegen einer schlechten Nacht mit solchen Kopfschmerzen herumzulaufen. Lieber würde ich den heutigen Tag mit so einem Kopf verbringen, wenn ich wüsste, dass es wegen einer Jägermeisterflasche, ein paar Bier zu viel oder dem ganzen Rauch in der Luft, der einen selbst als Passivraucher benommen macht, war. Stattdessen saß ich hier mit einer Decke über den Schultern auf einem Barhocker in der Küche und starrte den Tee, den mir Isabella gemacht hat so sehr zugrunde, als wenn er Schuld für mein Leid wäre.

"Fieber hast du keines.", atmete Isabella mulmig aus und stützte sich an die andere Seite der Kücheninsel. "Halsschmerzen? Gelenkschmerzen? Schweres Atmen? Irgendwas?" Selbst sie war überfordert mit meiner Diagnose.
"Nein. Nichts.", dröhnte ich genervt zurück.
"Volle Nase? Schwere Muskeln? Müdigkeit? Schwindel?"
"Nein."
"Nur Kopfschmerzen?"
Ich schnaubte. 'Nur'... wie das klang. So simpel. "Ja."
"Willst du eine Kopfschmerztablette?"
Neben der, die ich um 2 Uhr in der Früh in meiner Insomnia eingeworfen habe? Und der Schlaftablette, die ich anscheinend nutzlos gestern Abend geschluckt habe? Darf man überhaupt so viele Medikamente mischen? "Vielleicht später." Von den dreien darf keiner wissen, dass ich inzwischen für ein paar ruhige Stunden auf heimliche Schlaftabletten vertraue.

"Guten Morgen!", rief Tom munter ins Haus hinein, während er gleichzeitig die Eingangstür weit aufschwang. "Frühstück ist da!"
Ich gröllte genervt auf und trank einen Schluck meines Tees, der viel zu warm war und den ich unabsichtlich übersüßt hatte. "Morgen.", wrang ich schlechtgelaunt heraus.
"Guten Morgen, Schatz.", sang Isabella strahlend. Bei ihrem Kuss kam mir beinahe der Tee wieder hoch.
Tom musterte mich dann fragend und ich blickte nur genervt zu ihm hoch. "Was denn?"
"Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen? Ich hab dich noch nie so bleich gesehen." Danke.
"Eine Laus mit Mordabsichten."
Bei Toms unverständlichen Ausdruck mischte sich endlich Isabella ein und nahm ihm das Brot aus der Hand. "Leo geht es nicht gut. Er klang wieder über Kopfschmerzen und Schlafproblemen."
Oh Gott, ich wusste was gleich kommen würde. Ich dröhnte schon einmal im Vorraus genervt auf, als Tom den Mund öffnete. "Daran ist nur diese verfluchte Handysucht der Kinder Schuld."
"Ich hab seit gestern Abend mein Handy nicht mehr benutzt."
"Deswegen liegt es auch so ruhig und teilnahmslos neben dir."
"Tom-", fing Isabella scharf an ihren Mann zurechtzuweisen, aber ich hatte genug.

Endgültig genug von allem und jedem! Meine Toleranzgrenze war schon weit überschritten und ab den Zeitpunkt quälte ich mich nur durchgehend. Da könnte ich mir gleich selbst eine Kugel in den Kopf schießen.
Wütend sprang ich auf. "Wisst ihr! Es ist nicht am allem Leid der Welt das Handy schuld! Menschen waren auch vor dem Handy krank und haben sich vor dem Handy bekriegt! Ich bin es leid mir den ganzen verfluchten Bullshit hier länger anzutun! Ich will nicht mehr! Ihr seid doch alle überhaupt schuld daran, dass unser Rudel zerfallen ist! Ihr Erwachsenen und eure scheiß verfickten Egos! Seit dem Rudelbruch ist mein Leben im Arsch! Ich habe alles verloren! Ich hab keinen Bock mehr! Ihr könnt mich alle mal! Ich dachte, dass es wieder bergauf geht, wenn ich zurückkomme, aber ich kassiere nur Fehlschlag nach Fehlschlag!" Es tat auf eine irre Weise befriedigend gut meinen Frust so heruaszuschreien. Ich sollte das öfter machen. Die Wörter fluteten nur so aus mir heraus, als wäre ein Damm durchgebrochen und die Natur des Wasser würde sich jetzt Wege überall hindurchziehen und machen. "Ihr scheiß Erwachsenen denkt nur an euch! Was wäre denn so schlimm gewesen, wenn Linn ihre Kräfte und Wölfin behalten hätte? Ihr benehmt euch so als ob ihr ihr nicht einmal ein rohes Ei zum Halten zutrauen würdet! Linn ist keine verdammte fünf Jahre alt mehr! Sie kann lernen und sie würde sich ihren Weg finden super mit allem auszukommen! Ihr macht es keinem leichter, wenn ihr euch so verhält wie wenn die große weite Welt vor der Haustür die lebende Hölle wäre und jeder Mensch einem nur das schlimmste wünscht! Ich hab es satt nach anderen zu leben und auf andere zu achten! Wer schaut schon auf mich? Der Dreck unter Fingernägeln bekommt mehr Aufmerksamkeit als ich!" Und die folgenden Worte sprudelten aus mir heraus ohne dass ich wirklich mal daran gedacht hätte. Oder es mal im einer schlaflosen Nacht gescheit durchdacht hätte. "Ich ziehe aus!"

ᴡɪᴇ ʜᴇɪßᴛ ᴅᴇɪɴᴇ ᴡᴏ̈ʟғɪɴ? ✔️Where stories live. Discover now