F ü n f z i g

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÷ Julian ÷

Ich erinnerte mich daran, dass ich nie so einen angenehmen Schlaf hatte. Es warf mich in Zeiten zurück, die ich nur mit den allerersten Nächten mit Miriam gleichstellen konnte. Wie wenn die ich auf Zuckerwatte liegen würde und von der Sonne selbst gewärmt wurde. Wie wenn mich jemand wie ein kleines Kind zugebettet hätte und mich nun der wohlige Schutz einer Decke umgab.

Plötzlich schien auch das Bett auf dem ich lag weicher als sonst zu sein. Durch meinen Traum konnte ich Miriam neben mir schlafend murren hören und das beruhigte mein Herz noch mehr. Unbewusst suchte ich mit der Hand das Lacken neben mir ab, bis ich sie nicht ertasste und zog sie näher zu mir. Das Leben schien in diesem Moment perfekt. Beinahe schon vollkommen.

Bis mich nicht etwas am Arm striff und ich aus dem Schlaf aufsprang. Wie wenn purer Strom durch mich fließen würde. Atem suchend blickte ich mich um und sah Noah neben mir stehen. Nur ähnelte es nicht mehr wirklich Noah. "Scheiße.", rutschte mir heraus und ich warf einen Blick auf meinen digitalen Wecker, um zu sehen wie lange ich geschlafen habe.
"Wir müssen reden.", sprach er tief und mein Kopf schoss wieder zu ihm hoch.
Ich konnte nicht anders. "Noah, bist du das wirklich?" Das Gesicht, die Statur... das war Noah, aber mein Sohn hat nach dem Stand meines letzten Wissens weder rote Augen gehabt noch schwarze Haare. Er sah aus wie ein Emo-Noah. "Was hast du gemacht?"
"Wir müssen reden.", wiederholte er nur ausdruckslos. "Im Wohnzimmer. Ich werde warten." Kaum blinzelte ich kurz, war er schon weg und ließ die Tür weit offen. Verwundert blickte ich ihm nach.

Was war das? Was sollte das?
Während ich mich vorsichtig aufsetzte und vor schmerzendem Rücken aufstöhnte, musste ich unweigerlich einen Blick aus dem Fenster vor mir werfen. Es... es sah aus als hätte jemand die Sonne geklaut. Draußen schienen die letzten Strahlen und ich klopfte besessen meine Taschen ab, um mein Handy zu finden. Es war fünf Uhr Nachmittags und ich wunderte mich, wann ich je zuletzt an einem Nachmittag ein Nickerchen gemacht habe. Wahrscheinlich als Jonas und Noah noch welche gemacht haben.

Verwirrt fuhr ich herum und versuchte Miriam wach zu rütteln. "Schatz, steh auf. Komm. Es ist spät. Wir sollten nach den Kindern schau-" Dann kam mir alles Vergangene der letzten Stunden wieder in den Sinn und ich rüttelte sie stärker. "Verdammt, Miriam! Steh auf. Wir müssen nach Linn schauen!" Zu meinem Entsetzten wachte sie aber nicht auf, obwohl sie eigentlich sonst immer einen leichten Schlaf hatte. "Miriam!"
"Ich will jetzt nur mit dir reden.", erklang in meine Kopf die tiefe Stimme und ich fuhr herum. Noah stand aber weder im Raum noch konnte ich ihn auf dem Gang sehen. "Kommst du jetzt? Es ist wichtig."

Bestimmt zog ich meine Nachttischschublade auf und krallte mir aus einer Ecke die leere Tischlampenverpackung in der ich einen geheimen Vorrat an den Vergessenspulver hatte, den mir Clarissa für Notfälle anvertraut hat. Während ich die kleine Packung fest in der Hand hielt, haderte ich nun im Türrahmen stehend, ob ich auch meine Waffe mitnehmen soll. Etwas an der Situation gerade stimmte mich mulmig und ich fühlte mich blöd bei dem Versuch genau zu bestimmen was es war.

Den Tiefschlaf meiner sonst leichtschläfrigen Frau? Das Schnarchen, das aus dem Obergeschoss kam und gefühlt im ganzen Haus zu hören war? Die ungewohnte Ruhe im Haus? Noahs plötzliche Typveränderung und erneuter Stimmbruch? Ich konnte nicht anders als mir die Theorie auszudenken, ob Miriam nicht damals vielleicht mit Zwillingen schwanger war und eines auf mysteriöse Weise aus dem Krankenhaus verschwunden ist und sie uns nur ein Kind übergeben haben. Auf der letzten Stufe schüttelte ich den Kopf. Schwachsinn. Ich war damals bei der Geburt dabei. Miriam hatte mir allein für Noahs Geburt beinahe drei Finger gebrochen. Ich hätte doch die ganze Hand im Gips gehabt, wenn sie noch ein zweites Kind an dem Tag geboren hätte.

ᴡɪᴇ ʜᴇɪßᴛ ᴅᴇɪɴᴇ ᴡᴏ̈ʟғɪɴ? ✔️Where stories live. Discover now