6 Soukoku

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Wir sehen uns am üblichen Ort, Mitternacht.

Keine Frage, eine Feststellung. Sie sahen sich oft, aber normalerweise war es eine Einladung, eine Frage die er geschickt bekam, keine Feststellung, keine Anweisung.

Es beunruhigte ihn, was genau war los bei Dazai, dass er das einfach entschied, nicht fragte, sonder es bestimmte. Es regte ihn nichtmal so sehr auf, dass er entschied, es beschlich ihn nur ein schlechtes Gefühl, denn normalerweise fragte er eben, schätzte Chuuya und respektierte, wenn diesem etwas nicht passte.

Vermutlich interpretierte er zu viel in das Satzzeichen, vielleicht hatte sich der Größere auch nur vertippt, wer wusste das schon. Doch irgendwie hatte er ein schlechtes Gefühl dabei, ein Gefühl dass er nicht einmal zu benennen vermochte, so unangenehm war es.

Kurz vor Mitternacht lief er gemächlich, die Hände wie üblich in den Hosentaschen vergraben am Hafen entlang. Den ganzen Tag über hatte ihn die Nachricht beschäftigt, zugegebener Maßen beschäftigte er sich vielleicht gern mit anderen Dingen, Papierkram war nicht unbedingt sein Ding.

Einige Meter entfernt konnte er die übliche Bank erkennen, auf welcher sein Freund bereits saß, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, eine ruhige Melodie summend. Und wie auf Knopfdruck legte sich ein liebevolles Lächeln auf seine Lippen.

„Hey", begrüßte er den Jüngeren, fuhr ihm einmal durch das braune Haar und ließ sich dann neben ihn auf die Bank fallen. „Wie gehts dir?", fragte er nach, sein Blick auf das im Mondlicht schimmernde Wasser gerichtet.

„Hm", machte Dazai nur, wirkte nicht ganz anwesend. Klar, er saß neben ihm, war keine Illusion oder dergleichen, aber geistig schien er noch an einem anderen Ort, mit etwas anderem beschäftigt.

„Hey, was ist los?", besorgt blickte Chuuya auf, traf die braunen Augen Dazais und irgendwas in seinem Inneren verkrampfte sich explosionsartig. „Nichts, nichts, lass uns einfach den Moment genießen", beschwichtigte Dazai ihn, lächelte. Kein echtes Lächeln, nicht das neckische Lächeln, dass Chuuya oftmals so sehr auf die Palme brachte, nein das war es nicht, es war bloß eine Maskerade und zwar keine Gute.

„Verkauf mich nicht für blöd Osamu, was ist los?", leicht gereizt funkelte er den Größeren an. Kurz zuckte dieser zusammen, die Verwendung seines Vornamens war er nicht unbedingt gewohnt, nur sehr selten sprach ihn jemand mit diesem an, wenn war es zwar Chuuya, aber irgendwie passte das nicht in den Moment, machte ihn so tief und dramatisch.

„Es ist wirklich nichts Chuuya", Zaghaft schlang Dazai den Arm um seinen Partner, strich im gefühlvoll über den Arm, dreht seinen Kopf zu sich, blickte ihm tief in die Augen. Irgendwas stimmte nicht, Chuuya wusste das, Dazai war anders als sonst, nicht dass er sonst nicht so liebevoll war, aber irgendetwas in seinen braunen Augen schimmerte komisch, so gänzlich anders, dass er sich fragte, ob Osamu ihm nicht vertraute.

„Hat dir schon mal jemand gesagt, wie wunderschön du bist"; behutsam strich Osamu ihm eine Strähne aus dem Gesicht, blickte ihm verträumt in die Augen und Chuuya war sich sicher, dass er sich noch nie so geliebt wie in diesem verdammten Moment gefühlt hatte.

Irgendetwas stimmte mit Dazai nicht, etwas war anders, sein Ton nicht neckisch, seine Art nicht provozierend, es beunruhigte ihn zutiefst, aber, auch wenn er sich hüten würde das jemals zuzugeben, wenn diese unglaubliche Zärtlichkeit, diese Intensive Liebe eine Nebenproduktion dieses Gefühls waren, er würde sich nicht beschweren, denn dieser Moment war genauso wie Osamu ihn gerade betitelt hatte, wunderschön.

„Was glaubst du passiert nach dem Tod?", fragte Osamu nach einiger Zeit, strich Chuuya kontinuierlich durch das rote Haar, nicht gewillt jemals wieder damit aufzuhören. „Keine Ahnung, Dunkelheit oder so. Ist doch eigentlich egal", seine Beunruhigung wuchs.

Dazai war nicht der Typ für Tiefsinnige Gespräche über den Tod oder das Leben, für die Beantwortung, allein schon nicht für die bloße Beschäftigung, mit der Art philosophische Themen, dass passt nicht zusammen, das gehörte einfach nicht zusammen.

„Wahrscheinlich hast du recht, was nach dem Tod kommt weiß ja sowieso niemand", irgendetwas an Dazais Blick gefiel Chuuya so gar nicht, so nachdenklich, so in Gedanken versunken, so abwesend war er nie, es passte genauso wenig zu ihm wie philosophische Fragen.

Doch all das vergaß er, seine ganze Sorge wurde zur Seite geschoben. Dazai fuhr ihm durch das Haar, öffnete den seitlichen Zopf und begann sich eine der Strähnen um den Finger zu wickeln, zwirbelte sie sachte und bedachte ihn dabei mit einem leibenden Ausdruck. Dann beugte er sich näher, drückte Chuuya noch fester an sich. Himmel genoss er diesen Moment, diese uneingeschränkte Aufmerksamkeit, diese Zuneigung, wie gern er diesen Mann doch hatte, auch wenn er es nicht sollte.

Ein warmes Hauchen, nicht mehr nur ein warmes Hauchen genügte um ihn weiter vergessen, weiter verdrängen, mehr lieben, mehr genießen zu lassen. Das wortloses Hauchen streifte seine haut hinter dem Ohr, ließ seinen gesamten Nacken kribbeln, irgendeine unerklärliche Mischung aus Erregung und purer Liebe.

Hätte ihm jetzt Jemand sein Herz ausgerissen, es hätte so schnell geschlagen, es wäre so warm, so aktiv gewesen wie nie zuvor, wie nie wieder. Es hätte Osamu gehört, nur Osamu allein ohne die winzigste Einschränkung.

Wenn er seinen Kopf in diesem Moment hätte sinnvoll verwenden können, er hätte sich selbst für Irre und diese Gedanken für gefährlich gehalten, gesund war das sicherlich nicht. Aber er konnte ihn nicht verwenden, nicht sinnvoll, er schrie, genau wie alles andere an ihm, allen voran sein Herz, einfach nur nach Osamu.

„Glaubst du an Gott?", normalerweise hätte ihn diese Frage daran zweifeln lassen, ob der Mann neben ihm wirklich Osamu war, aber sein Kopf war eingenommen von diesem Mann, Osamu Dazai, seinem alten Partner, die erste und letzte Person die er jemals lieben würde.

„Nein.", antworte er klar, dabei war sein Kopf es nicht, darin existierten keine klaren Gedanken mehr, nur noch jene die dem Brünetten galten, ihn so sehr liebten, dass es ihn beinah zerriss.

„Wahrscheinlich kommen wir beide nach dem Leben in die Hölle.", sagte der Größere völlig platt, fuhr das Schlüsselbeins seines Partners nach, drückte federleichte Küsse darauf. „Vermutlich, ist aber egal solang wir zusammen sind, wird selbst die Hölle ein angenehmer Ort", Himmel er sollte Angst vor sich selbst haben, hatte er nicht.

Alles wovor er Angst hatte betraf Dazai, ihre Liebe, vor allem die des Jüngeren, ihre Vernichtung, das Verschwinden dieser Liebe, die ihm Dazai entgegenbrachte. Es war alles egal, solang sie zusammen waren, solang er sich an ihn klammern konnte, diesen Halt hatte, war die Hölle doch ein schöner Ort.

Gesund war das nicht, aber das wusste er nicht, reflektierte er nicht. Er war eben auch nicht für tiefsinnige philosophische Dinge wie die Komplexität von Liebe gemacht, und in diesem Moment wäre ihm das definitiv auch egal gewesen, wenn er richtig hätte denken können.

One-shot Adventskalender, oder soTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang