9 Osasuna

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„Samu", gleichzeitig zu der rauen Stimme flog ein besorgter Blick in Osamus Richtung. Er saß still am Esstisch, eine leere Tasse Kaffee vor sich und eine Schüssel Frühstücksflocken in welcher er mit einem Löffel herum rührte. Sein Blick war gesenkt, starr auf die Muster die er mit dem Löffel durch die Cerealien malte.

„Samu", diesmal war Sunas Stimme lauter, eigentlich wollte er seinen Partner nur fragen, ob er einen zweiten Kaffee wollte, sie tranken wohl beide etwas zu viel von der braunen Koffeinbombe. Doch das Samu nicht reagierte verwunderte ihn, ein Hauch Besorgnis schlich sich ein, der sich nicht so leicht vertreiben ließ.

„Osamu Miya!", er schrie fast, erlangte nach dem siebten Versuch endlich Osamus Aufmerksamkeit, der, durch den lauten Ton erschreckt, seinen Löffel fallen ließ, welcher platschend in der Müslischüssel landete, einige Tropfen Milch und drei Frühstückzerealien auf dem Tisch verteilte.

„Was sollte das Rin?", fuhr er ihn an, komplett aus seinen Gedankengängen gerissen. „Na endlich, weißt du wie oft ich versucht habe, deine Aufmerksamkeit zu bekommen?", schnauzte der Jüngere, beherrschte sich dann ein wenig und lächelte leicht. „Willst du noch einen Kaffee?", fragte er dann ruhiger.

„Gern, danke", Osamu lächelte leicht, fuhr sich mit beiden Händen einmal fahrig durch das gefärbte Haar, versuchte sich wieder zu konzentrieren, runter zu kommen. „Sorry, das ich dich so angefahren habe", entschuldigend lächelte er seinen Freund an, spürte wie seine Hände weiterhin leicht flattrig zitterten.

„Schon okay", erwiderte Rintaro, stellte die beiden mit Kaffee gefüllten Tassen auf den Tisch, nahm gegenüber von Osamu platz. „Hey, was ist los?", fragte er wenig später, als ihm auffiel wie gestresst und besorgt Osamus Ausdruck war.

„Tsumu", nur ein Wort, ein Name, ein Spitzname für seinen verdammten Zwilling, nicht mehr nur dieses Wort, doch irgendetwas löste es bei ihm selbst aus, irgendetwas Inneres, etwas das sich mit seinem idiotischen Bruder verbunden fühlte. Sein Blick glitt hinab auf seine Kaffeetasse, er betrachtete seine Hände, musterte jeden Finger einzeln, seine Nagelhaut war rau, an manchen Stellen leicht aufgerissen, er sollte sie vielleicht mal eincremen.

„Was ist mit ihm?", Rins Stimme war ruhig, doch das machte Osamu nur noch buschiger, noch unruhiger, normalerweise schaffte er es immer, normalerweise war Rintaro ein wahrer Meister darin ihn runter zu bekommen, zu beruhigen, ihm seine Angst zu nehmen, doch diesmal schafft wer es nicht, immer noch fühlte er sich unsicher.

„Ich weiß nicht, ihm geht es nicht gut, glaube ich jedenfalls", erklärte er, betrachtete nun nicht seine Hände und Finger und die kleinen Risse in der Haut sondern die Müslischale, die kleinen Milchflecken, die wenn er die Augen zusammenkniff etwas von einem abstrakten Dinosaurier hatten.

„Hey Samu, sieh mich an", Osamu spürte den eindringlichen Blick, wusste wie wichtig es Rin war, dass er jetzt aufblickte ihn fest ansah, doch er konnte nicht, betrachtete lieber weiterhin die Dinosaurierflecken.

Rintaro lehnte sich vor, griff nach dem Kinn seines Partners, ließ ihn aufblicken. Osamu versuchte zu entkommen, er ertrug im Moment keinen starren Blick, irgendetwas in ihm, vermutlich sein Siebter-Zwillingssinn oder irgendsoein esoterischer Schwachsinn warnte gerade auf Hochtouren, schlug lauter als laut Alarm.

„Osamu, was ist los?", jedes Wort betonte er einzeln, tiergehend schallten sie in Osamus Kopf, fraßen sich tief in ihn. Ja, was war eigentlich los? Die Frage war gut, aber leider kannte er die Antwort nicht.

Atsumu und er hatten vor gut zwei Wochen das letzte Mal telefoniert, er hatte es wieder und wieder probiert, normalerweise war der Blonde darauf versessen mit ihm zu telefonieren, ihm von seinen Leben zu erzählen und zu Osamus Überraschung interessierte er sich tatsächlich auch für sein Leben und nicht nur für das eigene. Tsumu redete viel, viel von Sakusa, viel von Volleyball und dann hörte er zu, ließ Osamu Zeit zum Reden.

Er erinnerte sich noch an ihr letztes Telefonat, es hatte an einem Donnerstag Abend stattgefunden. Am Wochenende davor hatte Rin ihm den Antrag gemacht, er hatte Atsumu bis zu dem Zeitpunkt des Telefonats nichts davon gesagt, er hatte nicht nur eine Nachricht schreiben wollen, und vorher waren sie einfach nicht zum telefonieren gekommen.

Verwundert darüber, dass sein Bruder zu Anfang keine Redezeit eingefordert hatte, sondern ihn hatte beginnen lassen, hatte er erzählt. Davon dass sie nun verlobt waren, sie ihre Hochzeit planten und dass sie sich nicht einigen konnten, was für eine Torte sie wollten.

Zum Ende seines Monologs hatte er gemeint, dass Atsumu und Sakusa bestimmt auch bald heiraten würden, und wenn sein Zwilling, genauso wie er selbst, plante den Namen seines Partners anzunehmen, es in ihrer Familie wohl keine weitere Generation mit dem Namen Miya geben würde.

Es war ein Scherz gewesen, er war sich sicher Atsumu würde das verstehen, er war sich auch sicher, Kiyoomi und er würden heiraten, sie passten einfach gut zueinander, harmonierten perfekt und waren, er hasste es das zuzugeben, schon länger zusammen als er selbst und Rintaro.

„Mach dir da mal keine Sorgen", hatte der Blonde gesagt, völlig ernst und versteift und Osamu war es kalt den Rücken herunter gelaufen. Das konnte doch nicht Atsumu sein mit dem er da telefonierte, sein Tsumu dieser dämlich grinsende Vollidiot von einem, von seinem Zwillingsbruder.

Dann hatte er kurzangebunden von seinem letzten Spiel berichtet, hatte von einer Anfrage für Olympia berichtet, aber nicht vor Freude sprühend und nervig wie sonst, sondern sachlich und ruhig, so als überlege er noch, ob er das Angebot überhaupt annehmen sollte, und dann hatte er sich verabschiedet, plump und gänzlich ohne zu nerven.

„Ich weiß nicht, er war so komisch vor zwei Wochen und seitdem geht er nicht mehr ans Telefon", erklärte Osamu seinem Freund, sah ihn verzweifelt an, verstand die Welt nicht mehr. Normalerweise legte der Ältere es darauf an ihn so viel wie nur irgendwie möglich zu nerven, aber die letzten zwei Wochen war da nichts gewesen, absolut nichts.

„Hey Samu", zog Rintaro die Aufmerksamkeit wieder auf sich, „vermutlich schmollt er weil Sakusa ihm noch keinen Antrag gemacht hat oder er hat ein Spiel verloren oder was weiß ich. Du kennst Tsumu doch am besten von uns allen, bestimmt geht es ihm gut und er macht nur so eine komische Phase durch, dass soll bei Pubertierenden öfter der Fall sein!"

Ein Grinsen schlich sich auf Osamus Lippen, seinen Bruder als in der Pubertät steckengeblieben zu bezeichnen passte, war er wirklich, bestimmt war es das, eine Sinnlose Schmollphase ohne Grund. „Wahrscheinlich hast du recht."

One-shot Adventskalender, oder soWhere stories live. Discover now