23 Dabihawks

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Regen prasselte auf ihn nieder, kalt erbarmungslos, er prasselte weiter und weiter und doch war es ihm egal. Ihm waren die kühlen Tropfen egal, er ignorierte sie nicht einmal, er nahm sie gar nicht erst war, sie existierten für ihn einfach nicht diese Tropfen.

Tief atmete er ein, nahm gierig einen füllenden Atemzug der guttuenden Luft. Er brauchte diese reine Luft, diese Klarheit, die er hoffte mit ihr in seinen Körper zu befördern.

Er hatte sich noch nie so elendig gefühlt, ihm war es noch nie derartig dreckig gegangen. Alles schien so verworren, so unpassend, so kompliziert, zu unbegreifbar, schrecklich, nichts passte, nichts ergab Sinn.

Er hinterfragte alles, vor allem sich selbst. War er derartig blind gewesen?

Er hatte ihn nicht bemerkt, seinen Verrat. Und er hatte sich noch nie so abgefuckt und scheiße gefühlt. Er hatte sich das Glück der Welt erhofft, er dieser kaputte Typ der an Aggressionsproblemen litt, hatte gedacht Glück geschenkt zu bekommen, welch glorreicher Sarkasmus.

Er hatte kein Glück erhalten, keine Liebe geschenkt bekommen. Stattdessen war er verraten worden, hatte sich nun damit abzumühen sein zerschmettertes Herz wieder zusammenzuflicken. Ein Herz das immer schon kaputt war, ein Herz von dem er gedacht hatte, es sein längst völlig hinüber.

Doch es war wieder erwacht, wie aus einem langen Schlaf, hatte kräftig zu schlagen begonnen, und nun war es gänzlich gebrochen, wie ein fragiles Glas bei minimalstem Druck in aber Millionen kleinster Teilchen zersprungen.

Er zückte ein Feuerzeug, fischte sich eine Kippe aus der Manteltasche, zündete sie an. Eigentlich bräuchte er dafür kein Hilfsmittel, eigentlich sollte er jetzt aber auch glücklich sein. Eigentlich, war ein beschissenes Wort, er würde sich hüten es jemals wieder zu verwenden.

Der Regen wurde weniger, die Zigarette brannte weiter, wurde nicht von Wasser vernichtet, blieb erhalten. Das winzige Klühen wäre machtlos gewesen gegen den prasselnden Regen, es wäre gewesen, hätte dieser nicht nachgelassen.

Er war machtlos gewesen, machtlos gegen diesen Mann.

Wenn er ehrlich mit sich gewesen wäre, ehrlich alles wahrgenommen hätte, sich nicht selbst besänftigt hätte, er müsste all dies gerade nicht fühlen. Tja, das hatte ja mal so gar nicht funktioniert.

Er hatte es verdrängt, jedes ungute Gefühl davon gedrückt. Er hatte es nicht akzeptieren wollen. Sie waren sich so nah gewesen, er hatte sich seit langem wieder einmal verstanden gefühlt. Er hatte Sicherheit empfunden, Sicherheit vor sich selbst. Er machte sich kaputt, immer weiter, ob er wollte oder nicht, er ging immer weiter kaputt, egal was er tat.

Jener Mann hatte ihn davor beschützt, hatte ihn davor gerettet, für ihn gekämpft.

Egal wie oft er sich vor die Augen hielt wie kalt er ihn verraten hatte, ihn getäuscht hatte, er wollte es nicht akzeptieren. Er wollte der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen, verstehen, dass alles, absolut alles eine Lüge war.

Er wollte es nicht wahrhaben, sein Innerstes machte es nicht mit. Er hoffte inständig, dass nicht jedes Wort eine Lüge war, das wenigstens dieser eine gehauchte Satz in der Stille des Dunkels der Wahrheit entsprochen hatte. Er hoffte es, idiotisch.

Dieses 'Ich liebe dich', es hatte so echt geklungen, seine Berührungen hatten sich so wirklich angefühlt, so als ob es stimmte, so als ob es der Wahrheit entsprach, er zerrissen war.

Seine Küsse hatte sich so gut angefühlt, nicht weil er ein Genie darin war, war er unbestreitbar auch, aber vor allem weil es keine kalten stumpfen Küsse waren, es waren teilgehende intime Momente, die er mehr genossen hatte als alles andere auf der Welt.

„Scheiße alter!", er trat gegen ein Motorrad, wem es gehörte war ihm verdammt nochmal egal, das tat nichts zur Sache. Das Motorrad kippte um, er warf seine Zigarettenstummel daneben, ihm war egal ob er noch glühte oder nicht. Ihm war alles egal. Die ganze Welt konnte sich seinetwegen getrost ficken, war doch sowieso alles korrupte Scheiße, was auf ihr ablief.

Er atmete nochmal tief durch, er hatte ihm das beigebracht, hatte ihm erklärt, dass ihn das runterbringen würde. Scheiß auf runterkommen! Er hatte keinen Bock sich zu entspannen, keine Lust auf klare Gedanken. Er war einfach nur wütend, verdammt nochmal wütend.

Es war wie ein Plattenspieler mit Fehlfunktion, die gleiche Leier, eintönig immer konform, es gab keine Abweichung, jedenfalls keine wenn er ihm nicht das ei half. Scheiße wie gern er ihn hassen würde, wie sehr er sich wünschte das zu können. Er konnte es nicht. Es funktionierte nicht, er konnte ihm nicht egal sein, geschweige denn ihn hassen, das funktionierte einfach nicht.

Scheiße er hasste im Moment wirklich alles.

Die ganze Welt war ein beschissener Drecksort, und egal wo er auch sein mochte sie wurde nicht besser. Kurzzeitig war sie schön gewesen, er hatte sich so unglaublich wohl gefühlt, doch nun war sie noch schlimmer als zuvor, sie war die reinste Hölle.

Der Junge der einst sein einziger Freund gewesen war, der Mann den er geliebt hatte, obwohl ihre Leben doch so unterschiedlich waren, die Person der er sein Leben anvertraut hätte, auch wenn er gewusst hatte, dass er es nicht beschützt hätte.

Dieser Jemand, hatte sein Herz aus seiner Brust gerissen. Doch das hatte ihm nicht gereicht, danach war er freudig grinsend darauf herum gesprungen, hatte dabei sein Leid ignoriert, und dann, als hält er nich schon genug zerstört, hatte er ihm das ruinierter blutende Herz wieder in die Brust gedrückt, ihn weiter leiden lassen, ihn fühlen lassen wie kaputt er doch war, wie verletzlich.

Er wusste es, doch er glaubte es nicht.

Er glaubte nicht das dieser Junge, der Junge der in seiner Kindheit gelitten hatte, kaltherzig von der Kommission ausgebeutet, um seine fröhlichen Kindertage betrogen worden war, jemandem, nein ihm, seinem einzigen Freund aus dieser schmerzhaften Zeit, einen derartig zerschmetternden Schmerz zufügen würde.

Und egal wie sehr er hoffte dass es nicht stimmt, egal wie sehr er sich ausmalte wie alles wieder gut werden würde, sie wieder glücklich beieinander seien würden, er wieder ein gehauchtes 'Ich liebe dich' in seinem Ohr haben würde. So wusste er dass es nicht stimmte, nicht real werden würde, es nicht funktionierte. Er wusste er, und das tat so unendlich weh, es machte ihn einfach kaputt. Es war klar, er versuchte es zu verdrängen, aber es war nun einmal so.

Er war Keigo egal, völlig egal.

One-shot Adventskalender, oder soWo Geschichten leben. Entdecke jetzt