20 Kuroken

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(Drogenmissbrauch)
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Die Wohnungstür öffnete sich leise, er versuchte keinen Krach zu machen. Das Licht des edlen Flures schien in die gigantische Wohnung, versuchte vergeblich das Dunkel innerhalb der Luxuswohnung zu bekämpfen.

Ein fahler Lichtschein ließ ein heilloses Chaos erkennen. Ein Chaos aus Pizzakartons, Asiapapboxen, leeren Flaschen. Der ehemals saubere Boden, das ordentlich gelegte Laminat war versifft und bedeckt von allerhand wiederwertigem Zeug.

Und in genau dieses Chaos trat er ein, drückte auf den Lichtschalter neben der Wohnungstür, nachdem er diese leise geschlossen hatte. Augenblicklich erhellte ein angenehmes Licht den Flur, ließ noch mehr Unordnung der schlimmsten Sorte erblicken.

Mutig kämpfte wer sich durch die Mülllandschaft, versuchte dabei den beißenden Gestank zu ignorieren, der in der Wohnung vorherrschte.

Er vermutet ihn im Wohnzimmer, da verbrachte er die meiste Zeit. Das Schlafzimmer ertrug Kenma nicht, es erinnerte ihn zu sehr an Vergangenes, an Vergangenes, dass die Realität sein sollte.

Vorsichtig schob er die Tür auf, die Vorhänge waren zugezogen, der Raum genauso dunkel wie der Flur es vorher war. Vorsichtig tastete der Größere nach dem Lichtschalter, der Kronenleuchter warf das teuer eingerichtete Zimmer in sanftes Licht.

Auf dem Boden, umrahmt von Kotze saß ein junger Mann, sein Arm war abgebunden, eine Nadel steckte noch in seinem Armbeuge. Auf dem Couchtisch vor ihm lagen Plastikpäckchen mit reinlich weißem Inhalt, Spritzen, Löffel, ein Feuerzeug. Das reinste Chaos breitet sich durch das Wohnzimmer, zog sich in jeden kleinsten Winkel.

Er hatte nicht genug Zeit sich mit dem Schock zu befassen, betete einfach nur das Kenma noch atmete, noch nicht in das Reich der Toten gewandert war. Er trat durch den Müll, vermutlich klebte an seinen Schuhen bereits Erbrochenes, doch dafür hatte er jetzt keine Zeit.

Er erreichte den Blonden, rüttelte an ihm. Kenma blinzelte, blinzelte noch einmal sanft hoben sich die Augenlieder, schlossen sich wieder, flackerten.

„Was hast du mit deinen Haaren gemacht Tetsuro", beschwerte er sich, strich dem Größeren durch das dunkle Haar. „Die Frisur steht dir nicht, mach sie weg", er war noch völlig im Rausch, strich unbeirrt weiter durch das dunkle Haar.

Haar das genau den gleichen Farbton wie Tetsuros hatte, Haar das ihm aber nicht gehörte.

„Hey Kenma", und da erkannte er es. Es waren nicht nur nicht Tetsuros Haare, auch der Körper, die Lippen die er nun entlang strich gehörten nicht dem Mann, den er so liebte. Seine Stimme passte nicht, nichts passte. Der Mann vor ihm war nicht jener, nachdem er sich sehnte. Er war kein Fremder, aber er war nicht er.

„Kenma komm hoch", starke Arme griffen ihn unter den Achseln, hoben ihn aus der Kotze. Sie waren nicht so mager wie seine, er hatte immer schon ein Problem mit dem Essen gehabt, doch die Drogen täuschten den Hunger, er aß beinah nichts mehr, sie waren stärker, aber sie gehörten nicht ihm, dieser Mann war nicht er.

Vorsichtig wurde er durch die Wohnung getragen, behutsam in der Badewanne abgesetzt. Er bekam alles nur halb mit, bekam nur halb mit wie der Größere ihm aus den Klamotten half, seinen von Erbrochenem bedeckten Körper rein wusch, seine fettigen Haare mit Shampoo spülte.

Umsichtig hob der Schwarzhaarige ihn wieder aus der Badewanne, setze ihn auf dem Wannenrand ab und legte ihm ein großes weiches Handtuch um den Körper. Verschwand kurzzeitig und kam dann mit einer Jogginghose, einer Boxershorts und einem Pullover zurück, bei dem er sich sicher war, dass er Kuroo gehörte.

Er half Kenma beim Umziehen. „Leg dich ins Bett, ich werde ein bisschen aufräumen", und obwohl er ihn so lieb umsorgte, sich um ihn kümmerte, den kaputten Junkie, der nicht mehr ohne Heroin konnte, der ohne Stoff nicht länger als einen halben Tag überlebte, obwohl er doch für ihn da war, ein langjähriger Freund, kam Kozume nicht umhin festzustellen, dass er nicht Tetsuro war, er nicht von diesem Mann geliebte wurde, der Mann den er leibte nicht vor ihm stand.

Der Blonde bewegte sich keine Stück, er konnte nicht, wollte nicht. „Hey, komm schon, leg dich eine weile hin, das wird dir gut tun", versuchte der Größere ihn zu ermutigen. „Lass mich, du bist nicht Tetsuro!", fauchte er.

Wenn sein Gehirn klar gewesen wäre hätte er das nicht gesagt, denn Tetsuro konnte ihm nicht helfen, der Größere tat es, war für ihn da, obwohl er wusste, dass er es nicht konnte, versuchte er es wenigstens.

„Stimmt.", er seufzte einmal tief, ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Ich bin nicht Kuroo. Ich wünschte Kuroo könnte dir helfen, aber er kann es nicht Kenma. Bitte lass mich dir helfen, ja, nur ein bisschen?"

Der Schwarzhaarige war vor ihm in die Knie gegangen, strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich will aber Tetsuro. Ich will ihn wiederhaben, ich will wieder bei ihm sein", schluchzte er, Tränen rollten über seine Wange, befleckten den Pullover, der ihm nun noch viel mehr zu groß war, wie damals als er noch anständig gegessen hatte, noch nicht gespritzt hatte, Tetsuro noch an seiner Seite war.

„Es tut mir leid Kenma.", sagte der Schwarzhaarige, zog den Kleineren an sich, drückte dessen Gesicht in seine Schulter. Ein absolutes Gefühl der Machtlosigkeit erfüllte ihn. Er konnte nichts tun, nichts als zu versuchen ihm zu helfen. Er war nicht Kuroo. Er könnte niemals Kuroo sein. Und es schmerzte, nicht für diesen Mann dasein zu können, weil er nunmal er selbst war.

„Warum?", schluchzte er wieder, schmiegte sich an die warme Schulter, die doch nicht ihm gehörte, nicht dem gehörte von dem er sich wünschte, dass sie ihm gehörte.

„Das weiß ich nicht", erklärte der Schwarzhaarige. "Das weiß niemand."

Er schluchzte weiter und weiter, immer mehr Tränen rannen ihm über die Wange, immer und immer mehr, unaufhaltsam.

Eine Ewigkeit lang war es still, niemand sagte etwas, niemand erfüllte die Luft mit Worten, nur das stille Weinen, die salzigen Tropfen die zu Boden fielen waren zu hören.

„Es tut mir leid, dass ich dich da mit reinziehe Akashi", er entschuldigte sich dafür kaputt zu sein, mit dem Tod nicht umgehen zu können, Akashi mit Tetsuro zu vergleichen, sich bei ihm zu beschweren, weil er nicht Tetsuro war, nicht der Mann war, der ihm die ganze Welt bedeutete.

„Ist okay. Jetzt leg dich schlafen", sanfte drückte er ihn an den hageren Schultern, strich ihm eine Träne aus dem Gesicht.

Und wieder konnte Kozume nicht anders, als zu bemerken, dass es nicht Tetsuros Hand war, nicht er, er konnte das nicht mehr, er war nicht mehr da, und das tat weh, so unendlich weh.

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