Der Erinnerung feinste Komposition

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Kapitel 28 Der Erinnerung feinste Komposition

Nervös lecke ich mir über die Unterlippe, schmecke Reste des tomatigen Chilis in meinen Mundwinkeln und spüre das würzige Ziehen der Schärfe, welches mich daran erinnert, dass ich nicht träume. Ich bin hellwach, nicht mehr ganz fit, aber definitiv wach. Ich drücke Rick abrupt meine halbleere Flasche Bier in die Hand und setze mich endlich in Richtung unerwarteten Neuankömmlings in Bewegung. Ich stolpere über ein Paar achtlos abgestellte Schuhe und komme fast nervös lachend bei dem adretten Portugiesen an. Auch auf seinen Lippen liegt ein kurzes Grinsen. Allerdings wirkt es als würde er mich mehr belächeln. Ich kann es ihm nicht verübeln.

„Oh hey, was machst du hier?", frage ich auffällig atemlos und greife automatisch nach seiner Hand, um mich zu vergewissern, dass er keine alkoholinitiierte Halluzination ist. Dass es Rick war, der mich auf ihn aufmerksam gemacht hat, habe ich fast schon wieder vergessen.

„Sieht aus als habt ihr eine Menge Spaß", erwidert Antony und weicht meiner Frage vermutlich absichtlich aus.

„Es ist eine Party... Partys machen Spaß", witzele ich zurück und sterbe ein bisschen unter seinem ungewöhnlich forschen Blick. Ich bin mir nicht sicher, wieso es mich derartig nervös macht. Statt weiter belämmert rumzustehen, ziehe ich ihn vom Eingang weg, ignoriere die Blicke der anderen und verschwinde geradewegs in mein Zimmer. Zu meiner Überraschung ist es wirklich leer und keiner der Partygäste ist zu sehen.

„Was machst du denn hier?", frage ich noch mal etwas ruhiger, aber trotzdem so irritiert wie zuvor, nachdem ich die Tür hinter uns schließe und uns plötzlich eine seltsame Stille umschließt. Die Stille puscht meine Nervosität nur noch mehr. Antony sieht mich an, senkt seinen Blick auf meine unruhigen Hände, die sich noch immer aneinander reiben. Als ich es bemerke, lockere ich meine Finger und trete unbeirrt auf ihn zu. Es ist Antony. Einfach nur Antony. Der Mann, in den ich mich von der ersten Sekunde an verliebt habe. Es gibt keinen Grund, nervös zu sein.

Er hat noch immer nicht geantwortet und so greife ich nach seiner Hand, wie ich es vorhin schon getan habe. Erst berühren meine Fingerbeeren seine. Dann streiche ich seine Glieder hinauf bis er selbst reagiert und unsere Finger miteinander verschränkt. Seine Hand ist leicht kühl und ich spüre den Unterschied deutlich auf meiner überhitzten Haut.

„Hi", flüstert er mir entgegen. Ein weniger chaotischer Start in die folgende Konversation als meiner.

„Hi", echoe ich lächelnd. Ich erwidere seinen Blick, aber ich schaffe es dennoch nicht, darin zu lesen. Ist seine Ruhe etwas Gutes? Wieso spüre ich doch etwas Anspannung in seiner Hand?

„Ich bin davon ausgegangen, dass du nicht im Traum daran denkst herzukommen, dass du nicht herkommen willst... aber nun bist du hier und...", plappere ich los. Meine Brust pulsiert, weil mein Herz so heftig schlägt.

„Du hast mich gar nicht gefragt, ob ich kommen möchte."

„Das habe ich nicht", gestehe ich ein, „Aber nur, weil ich dachte, du möchtest nicht, dass man uns so zusammen sieht. Du weißt schon, weil du Dozent bist und ich... naja... Student und das hier ist eine sehr studentenlastige Party." Es ist die Wahrheit. Genauso habe ich gedacht. Ich lasse meine Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger zwischen uns hin und her wackeln, so als würde das dazu beitragen, dass meine Worte verständlicher werden, logischer und sinnvoller. Weitgefehlt. Denn obwohl ich es sage, ist es keineswegs das, was ich will. Ich will seine Hand halten, ihn küssen und anschmachten und das möchte ich auch vor anderen Studenten tun können, ohne mich dafür schlecht zu fühlen. Aber mir wird auch klar, dass wir darüber noch immer nicht ausreichend geredet haben. Ich weiß nur, dass auch das von Anfang an zwischen uns stand. Wie so vieles andere auch.

Kiss me hard before you goWhere stories live. Discover now