Mit gepiercten Nervenenden

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Kapitel 7 Mit gepiercten Nervenenden

Marie wendet sich noch einmal dem Treppenhaus zu bevor sie die Tür schließt und dann zu mir in die Küche kommt. Sie zieht ihre Jacke aus und legt sie über einen der Küchenstühle.

„Hey, guten Morgen. Hast du heute keine Vorlesungen?", fragt sie mich. Ich fühle mich ertappt.

„Hey. Doch schon, aber da ich verschlafen habe, dachte ich, dass ich mich nun auch nicht mehr beeilen muss." Der erste und zweite Block sind soweit fortgeschritten, dass ich eintreffen würde und nur noch 10 Minuten bleiben. Es wäre sowohl für mich peinlich als auch respektlos gegenüber dem Professor. Ich sehe dabei zu, wie sie nickt und sich ihr Näschen schnuppernd Richtung Kaffee neigt. Ich reiche ihr eine der frisch abgewaschenen Tassen, die sie dankend annimmt.

„Und woher kommst du so in den fortgeschrittenen Morgenstunden?", erfrage ich neugierig und sehe dabei zu, wie sie sich das Tuch vom Hals wickelt.

„Von einer Freundin. Sie hat gestern Geburtstag gefeiert. Ich wollte noch fragen, ob du mitkommen möchtest, aber du warst nicht aufzufinden."

„Ja, ich war unterwegs und bin erst abends zurückgekommen." Ich hatte auch ohne zu feiern eine wilde Nacht. Noch immer lehne ich am Küchentresen und sehe dabei zu, wie Marie sich eine Tasse mit dem schwarzen Gebräu füllt. Sie schnuppert. Sie seufzt und dann lächelt sie. danach setzt sie an den Küchentisch und wärmt sich ihre Hände an der Tasse.

„Darf ich dich etwas fragen?", durchbricht sie die Stille.

„Sicher", erwidere ich ruhig und doch merke ich eine leichte Anspannung, die sich vor allen in meinen Schultern zeigt. Ich ziehe sie hoch, straffe sie.

„Du bist schwul, nicht wahr?", platzt es ohne Schonung aus ihr hervor. Weniger fragend, als diagnostizierend. Ich beiße mir leicht auf die Unterlippe.

„Uff, damit habe ich nicht gerechnet. Wie kommst du darauf?", frage ich unbewusst abwehrend zurück.

„Entschuldige, das sollte ganz und gar keine Anfeindung sein. Ich finde das völlig in Ordnung." Ihre Hände wackeln hilflos umher, während sie ebenso aufgeregt hin und her sieht.

„Ich habe mich nur wegen der Zigarettenschachtel gewundert, denn die Telefonnummer war von Luka und ihn kenne ich von der Campuszeitung. Vorausgesetzt natürlich das ist der Luka, den ich denke, aber die Zigarettenschachtel würde zu ihm passen.", plaudert sie mit erhitzter Stimme, holt kurz Luft und spricht, danach beruhigt weiter, „Na ja und der Kerl, der mir eben ihm Treppenhaus entgegen kam, kam eindeutig aus unserer Wohnung." Sie lächelt schief und in der Kombination mit den kurzen Haaren hat es etwas Lausbubenhaftes.

„Du machst Sherlock Holmes Konkurrenz und ja", kommentiere ich ihre brillante Zusammenfassung und bin insgeheim froh, dass sie Antony nicht als einen der Dozent der Uni erkannt hat oder gar nicht mit der Uni in Verbindung bringt. Ich hoffe es jedenfalls.

„Warum hast du nichts gesagt?", fragt sie nach einem Schluck Lebenselixier. Ich lasse mich zu ihr an den Tisch nieder und fahre mir durch die Haare. Ja, warum habe ich nicht schon vorher etwas gesagt? Ich weiß es nicht.

„Ich war unsicher, ob es und wie es vielleicht unser Zusammenleben beeinflussen wird. Ich meine ... na ja... Rick... vielleicht " Marie sieht mich aufmerksam an und beginnt zu kichern, als ich nur rumstammele.

„Ich glaube, der wird sich nur darüber ärgern, dass du nicht gleich mit der Wahrheit herausgerückt bist", stellt sie fest und ich hoffe inständig, dass sie damit Recht hat.

„Hoffentlich. Ich finde nie wieder so eine gute Wohnung mit so netten Menschen", sage ich übertrieben theatralisch und lehne mich zurück. Marie beginnt zu lächeln.

Kiss me hard before you goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt