Die Sehnsucht nach Vertrauen

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Kapitel 20 Die Sehnsucht nach Vertrauen

„Wo hast du deine Gläser?", plappere ich, spüre, wie sich mein Puls beschleunigt und sehe in das verwunderten, aber sanften Augen meines Gegenübers. Ein einzelner Tropfen Wasser löst sich aus meinen Haaren und läuft meinem Hals hinab. Das Kitzeln ist auf meinem vor Aufregung gespannten Körper ganz besonders deutlich zu spüren. Zur Verdeutlichung hebe ich die Weinflasche hoch, merke, wie mich leichte Panik erfasst und mein Inneres zu schleudern beginnt. Die Überraschung in seinem Blick weicht sanfter Freude, die mich augenblicklich beruhigt. Antonys Haare sind ungestylt und glänzen feucht. Er greift die Flasche genau an der Stelle meiner Hand. Seine Finger sind kühl. Genauso wie bei unserer ersten Begegnung.

„Danke", haucht er, statt meine Frage zu beantworten, zieht mich an sich heran und legt dann seinen Mund auf meinen. Diese Berührung lässt augenblicklich jeden Zweifel davon schweben und mich selbst vom Boden abheben. Ich genieße das sanfte Gefühl seiner wohltuenden Lippen, sauge die Wärme in mich hinein und suche Halt an seinem Arm damit ich nicht noch vollkommen wegschwebe. Während des Kusses nimmt er mir die Flasche aus der Hand und umschlingt mich mit der anderen. Die Wärme seines Körpers umschmiegt mich mit einem zufriedenen Zittern.

Ich löse den Kuss als ich merke, wie schwer es mir fällt einen klaren Kopf zu behalten. Ich bin nicht wegen des Sex' hier. Dieses Mantra sage ich mir mehrfach still vor. Meine Augen bleiben geschlossen, während ich das feine Erbeben durch meinen Körper gleiten spüre. Die Wirkung, die der Portugiese auf mich hat, scheint wirklich mit einer Droge vergleichbar. Er entflammt meinen Leib. Verbrennt mich mit Frohlocken und unbändigem Verlangen. Ich verfalle ihm mit jeder Berührung seiner süßen Lippen mehr. Antony zieht mich weiter in die Wohnung und damit mehr ins Licht und schließt die Tür. Eine dunkelgraue Stoffhose umschmeichelt seine schlanken Beine und er trägt den marineblauen Pullover, den er schon einmal während einer Übung getragen hat. Er schmiegt sich perfekt an seinen Oberkörper, betont seine Brustmuskeln und die schlanken, aber doch so starken Arme. Mein Puls erklimmt die wenigen Meter zur vollendeten Raserei.

„Komm, ich hol dir ein Handtuch und ich zeig dir dann, wo die Gläser stehen", sagt er lächelnd und macht mir damit den Weg frei in seine Wohnung.

Ich ziehe mir die nasse Jacke über die Schultern, reiche sie Antony und sehe mich dabei unauffällig im Flur um. Vom schmalen Eingangsbereich geht ein weiterer Flur ab, in dem die Türen der anderen Zimmer sternförmig angeordnet sind. Die Wohnung wirkt auf dem ersten Blick groß und geräumig. Ein Altbau mit hohen Decken. Antony lächelt mir zu, stellt den Wein auf einer Kommode ab und verschwindet ins Badezimmer. Ich nutze die Gelegenheit um meinen Körper unter Kontrolle zu bekommen. Einatmen. Ausatmen. Selbst meine Gedanken rasen, peitschen sich förmlich durch meinen Kopf. Das Zauberwort ist langsam! Langsam einatmen. Langsam ausatmen. Erst nach mehrmaligem Wiederholen scheint mein Körper zu verstehen, dass er das eigentlich von allein tun müsste. Langsam ein und dann wieder ausatmen.

Es ist das erste Mal, dass ich in der Wohnung eines Anderen bin. Ausgenommen sind natürlich alte Schulfreunde. Es ist ein seltsames Gefühl und ein nervöses Kribbeln breitet sich in meiner Brust aus. Unruhig sehe ich mich um und versuche nicht allzu neugierig zu wirken. Wie verhält man sich in solchen Situationen? Zu viel umsehen wirkt zu neugierig. Gar nicht zeigt Desinteresse. Wie hatte sich Antony in der WG verhalten? Ich kann mich nicht daran erinnern. Abgesehen von der Tatsache, dass unsere Aufeinandertreffen zu meist nicht den konservativen Pfad genommen haben, gibt es in der WG oder in meinem Zimmer nicht viel zu sehen. Antony kommt zurück, reicht mir lächelnd ein Handtuch und verschwindet mit dem Wein in die Küche. Aber nicht ohne mir anzudeuten ihm zu folgen. Mir fällt auf, dass er keine Schuhe und keine Socken trägt. Ihn so zu sehen gefällt mir. Gerade als ich ihm folgen will,  beginnt mein Handy zu vibrieren. Es muss Anni sein. Meine Hand zuckt zu meiner Hosentasche und ich bleibe im Flur stehen. Der Anruf ist wirklich von Anni. Sie wird sauer sein. Sie wird es nicht verstehen. Ich tippe ihr eine schnöde Entschuldigung als es endlich aufhört zu vibrieren und schalte alle verräterischen Geräusche ab.

Kiss me hard before you goWhere stories live. Discover now