Der einfache Weg in die falsche Richtung

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Kapitel 4 Der einfache Weg in die falsche Richtung

Ein lautes Telefongespräch weckt mich am Morgen. Ricks Stimme ist aufgebracht und energisch. In Shorts schleiche ich zur Tür und öffne sie. Nur einen Türspalt breit, doch ich kann ihn zwischen seinem Zimmer und dem Flur hin und her laufen sehen. Ich schaue zur anderen Seite und erkenne Marie, die ihren wuscheligen Kopf durch die Tür gesteckt hat und mich nun fragend ansieht.

Ich zucke mit den Schultern und gebe ihr zu erkennen, dass ich nicht weiß, worum es geht. Mit Händen und Füßen diskutieren wir darüber, ob wir ihn ansprechen sollen. Ich möchte, dass Marie geht, doch sie deutet mir dasselbe an. Okay, das ist albern.

Ich winke Marie heran und nach kurzem Zögern, gehen wir gemeinsam zu seinem Zimmer. Rick sitzt auf seinem Bett. Das Telefon liegt auf seinem Bauch und er hat seine Augen geschlossen.

„Alles in Ordnung?", frage ich vorsichtig in den stillen Raum hinein und ein wenig erschrocken schaut er auf. Wir müssen ein seltsames Bild abgeben. Ich in Shorts, Marie in ihren Schlafklamotten und Rick trägt noch seine Straßenschuhe.

„Entschuldigt bitte, wenn ich euch geweckt habe." Rick steht auf und kommt auf uns zu. Er fährt sich ermattet durch die Haare. Wir lassen ihn vorbei und folgen ihm tapsend in die Küche. Dort lässt er sich auf die Strecke fallen. Marie berührt meinen Arm und sie setzt zu ihm an den Tisch. Ich bleibe neben der Tür stehen.

„Was ist denn los?", fragt Marie einfühlsam und kitzelt damit ein weiteres schweres Seufzen aus Rick heraus. Er sieht uns abwechselnd an.

„Cora hat Schluss gemacht", entflieht ihm gequält. Oh man. Die beiden waren eine Ewigkeit zusammen. Seit der Schulzeit, soweit ich mich erinnere.

„Was ist passiert?", erkundigt sich Marie und sieht genauso verwundert aus, wie ich mich fühle.

„Tja, sie ist der Überzeugung ich gehe fremd und würde mich nicht mehr für unsere Beziehung interessieren. Totaler Blödsinn. Ich meine, ich pendele, wie ein Bekloppter hin und her, nur damit wir uns sehen. Da quatscht mich einmal eine alte Bekannte auf einer Feier an und sie wird so eifersüchtig, dass sie denkt ich gehe fremd?", platzt es energisch aus ihm heraus. Begleitet wird seine Tirade mit stetigen kleinen Seufzern. Wir lassen ihn reden, denn anscheinend braucht er es. Ich lehne mich in den Türrahmen und lasse mich von den Problemen dieser Beziehung berieseln. Mit jedem Wort, das er über ihre Äußerungen und Problematiken verliert, bin ich erleichterter schwul zu sein. Meine bisherigen Beziehungen waren auch nie unkompliziert und mit Anni führe ich, in der Hinsicht eine Art Hetero-Ersatzbeziehung, denn ich kämpfe oft mit genau denselben Problemen bei ihr. Seinen gesamten Frust lässt er raus, schimpft über Reaktionen und Kleinigkeiten. Zum Schluss lässt er sich ermattet zurückfallen und legt den Kopf in den Nacken.

„Wow, du liebst sie wirklich, oder?", frage ich ihn danach, denn trotz der kritischen Worte ist eindeutig zu hören, dass er niemand anderen will, außer sie. Er sieht mich verblüfft an und auch Marie tut es.

„Ach komm, du hast uns zwar gerade ihre Fehler aufgezählt und dich sagenhaft über sie aufgeregt, aber eigentlich sind das alles Gründe, weshalb du sie liebst, sonst würde dir vieles davon gar nicht auffallen oder wäre dir total egal." Sie sehen mich an, wie Goldfische.

„Warte ein paar Stunden und dann fahr zu ihr. Redet in Ruhe miteinander. Wahrscheinlich ist ihre Eifersucht schlichtweg eine Angstreaktion und sie will sehen, ob du noch um sie kämpfst. Eifersucht ist immer der einfache Weg, aber der falsche. Eine derartig lange Beziehung wirft man nicht einfach weg und das weiß sie ganz sicher." Damit stoße ich mich vom Türrahmen ab, streiche mir über den schlanken Bauch und schlendere ins Badezimmer. Nach dem Frühstück hält mich Rick noch einmal zurück.

Kiss me hard before you goWhere stories live. Discover now