Wahrheit wird Pflicht

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Kapitel 24 Wahrheit wird Pflicht

„Nur eventuell?", hakt Antony lachend nach. Ich gebe ihm nur ein leichtes Zucken zur Antwort und bin fast traurig als Antony schönes Lachen verstummt. Er mustert mich mit einer eigenartigen Ruhe. Seine langen schlanken Finger verweben sich in dem Stoff meiner Jacke.

„Was muss ich tun um aus dem Eventuell ein Definitiv zu machen?", fragt mein Gegenüber in einem sanften, flirtenden Tonfall. Es folgt ein leichter Ruck, der mich noch etwas dichter zu ihm positioniert. Er streicht mit dem Daumen meinem Hals entlang, während er meinen Kragen richtet und seinen Blick nicht von meinen Lippen nimmt. Seine schönen Augen wecken mein Verlangen. Es strömt in mich hinein. Durch jede Pore. In jede noch so winzige Zelle meines Körpers. Dabei reden wir nur über das Teilen von Popcorn.

Seine Lippen sind mir so nah. Ich kann ihn förmlich schmecken. Ich denke nicht lange darüber nach, sondern presse alsbald meinen Mund auf seinen. Etwas härter als gewollt, aber mit all der Erregung, die sich in mir aufgebaut hat. Unser Kuss ist intensiv und tief. Ich spüre seine Zunge, die sich zwischen meinen Lippen bewegt. Jedes Stupsen, jede noch so kleine Berührung löst ein heftiges Prickeln in mir aus. Ein Teil davon verebbt in meinen Zehen und den Fingerspitzen, doch der Löwenanteil bündelt sich in meinen Lenden. Ich merke, wie mich Antonys starke Arme dichter an sich heran drücken. Sein Becken schmiegt sich gegen meines. Auch ihn lässt es nicht kalt und ich spüre jedes Mal wieder Freude und Erleichterung. Der Kuss endet nach einer Ewigkeit. So fühlt es sich jedenfalls an und ich möchte nichts lieber, als dass es niemals endet. Doch ich warte vergebens darauf, dass sich die wohligen Lippen wieder auf meine senken. Als ich meine Augen öffne, sehe ich, dass auch Antonys geschlossen. Er genießt den Moment, so wie ich.

„Wir sollten langsam reingehen", flüstere ich, versuche den letzten Funken dieses Augenblicks in mich einzusaugen und zu bewahren. Mit einem Lächeln auf den Lippen nickt er, legt seinen Arm um meine Schultern und deutet zum Eingang.

Wir treten durch einen schweren Vorhang hindurch und ich habe das Gefühl eine Zeitreise zu machen. Die Innenräume des Kinos sind klein und schummerig. Die Luft ist dicker und es liegt ein süßlicher Geruch darin. Nicht nur nach Popcorn, sondern allerhand anderem. Die Wände sind überzogen von alten, antiquarischen Filmplakaten. Gesichter, die ich nicht kenne. Filmnamen, die ich noch nie gehört habe. Irgendwo erklingt das leise Poppen des klassischen Kinosnacks. Der Geruch von karamellisiertem Zucker wird deutlicher. Ein Rascheln und ich sehe zu dem Tresen, an dem eine ältere Frau steht und uns aufmerksam mustert. Sie scheint das jüngste hier zu sein und das obwohl ihre Haare durch und durch weiß sind. Sie trägt eine ausgewaschene Uniform, die mit noch weniger Farbe einem Schwarzweiß Film entsprungen sein könnte. Sie lächelt, als sie meinen Blick bemerkt und ich fühle mich seltsam ertappt. Antony löst sich von mir und geht auf sie zu. Ich kann nicht ausmachen, ob sie sich kennen oder ob sie nur das allgemeine Geplänkel vollführen. Ich bin an Ort und Stelle stehen geblieben. Meine Augen wandern über die vielen Plakate. Ich suche nach den Namen, die mir Antony vorhin genannt hatte, aber ich bringe sie schon wieder durcheinander. Das wenige Licht lässt alles etwas verrucht wirken. Irgendwie aufregend.

„Ben..." Antony ruft mich zu sich heran. Ich komme der Aufforderung nach, bleibe neben ihm stehen. Ich darf die Größe des Popcorns aussuchen und entscheide mich grinsend für die Megaportion. Wohlwissend, dass ich es niemals schaffen werde es aufzuessen und garantiert Hilfe brauche.

Im Kinosaal selbst habe gerade einmal fünfundzwanzig, maximal dreißig Leute Platz. Es riecht nach altem Polsterstoff und ranzigem Öl.

Noch ist niemand anderes hier. Ich wünschte es würde so bleiben. Die Sitzreihen sind aus Holz, die alten Polster zum Teil angesengt und aufgerissen. Es wirkt wenig einladend. Antony zieht mich in eine der vorderen Reihen und sucht uns zwei mittige Plätze aus. Ich drücke vorsichtig die Sitzfläche meines Platzes nach unten und verliere dabei etwas Popcorn.

Kiss me hard before you goOnde histórias criam vida. Descubra agora