Der feige Weg in die falsche Richtung

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Kapitel 16 Der feige Weg in die falsche Richtung

In der WG angekommen, führt mich der erste Gang in mein Zimmer. Direkt in mein Bett. Ich lasse mich auf das zerwühlte Nachtlager fallen, schließe die Augen und spüre sofort, dass ich nicht einschlafen werde. Die Frustration darüber, unendlich müde zu sein und dennoch nicht schlafen zu können, legt sich auf meine Glieder, wie tonnenschwere Steine, die mich tiefer und tiefer in die katatonische Dunkelheit ziehen. Was spricht dagegen für eine Weile einfach still liegen zu bleiben? Ein paar Stunden. Ein paar Tage? Nichts spricht dagegen, außer der Tatsache, dass auch ein temporärer deprimierter Anfall nicht gesund ist und ich es gar nicht erst dazu kommen lassen will. Mit diesen Gedanken richte ich mich wieder auf und sehe auf die Uhr. Es ist noch viel Zeit bis Rick endlich aus der Uni eintrudelt. Wann Marie zurückkommt, weiß ich nicht. Da ich ihr aber Bescheid gegeben haben, nehme ich an, dass sie rechtzeitig eintrudelt. Ein weiteres Mal sehe ich auf die Uhr. Keine Veränderung.

Ich beschließe in Ruhe duschen zugehen und meinen Körper etwas auf Vordermann zu bringen. Eine Rasur war dringend notwendig und insgesamt kann mir eine Grundreinigung nicht schaden. Vielleicht schaffe ich es ja, die Geschehnisse der letzten Tage von mir zu waschen. Reines Wunschdenken, aber was schadete es? Als ich mich entkleide und vor der Badewanne stehe, entscheide ich mich um und lasse Wasser in die Keramikschüssel laufen. Ich greife nach einem Badezusatz 'Glückliche Auszeit', der auf dem Wannenrand steht und der eindeutig von Marie ist. Ich erschnuppere den zarten Duft von rotem Mohn und Hanf. Wenn das mal keine Ansage ist. Während die Wanne vollläuft, durchstöbere ich ganz unschicklich das kleine Körbchen, in dem Marie weitere Pflegeprodukte aufbewahrt und finde noch ein paar weitere Zusätze. Kuschelbad. Stressfrei. Tiefenentspannung. Nichts davon würde ich in diesem Moment ablehnen. Ich schnuppere mich durch die umfangreiche Auswahl und kann mich im Endeffekt nicht entscheiden. Kurzerhand kippe ich von jedem ein Bisschen hinein und bin der Überzeugung, dass das die beste Variante gewesen ist. Die Gerüche sind so durcheinander, dass ich nicht mehr heraus riechen kann, was zu was gehört.

Stressfreie und kuschelige Tiefenentspannung voller Glück. Was will ich mehr?

Sie hält eine viertel Stunde an und dann wandern meine Gedanken langsam wieder zurück zu dem Portugiesen. Antonys Blick. Ein tiefreichender Stich, der sich derartig mit Sehnsucht umhüllt, dass ich unbewusst lautstark aufstöhne. Meine Hand gleitet an die Stelle über meinem Herzen. Wann wird es nicht mehr wehtun?

Die allumfassende Wärme des Wassers macht mich noch schläfriger. Als ich meine Augen schließe, denke ich darüber nach, wie sein Haar riecht und wie seine Lippen schmecken. Ich fühle, wie der Geschmack über meine Zunge schleicht, blüht und giert und wie der Duft, so klar erinnert, eine Welle der Zufriedenheit durch meinen Körper jagt. Was musste ich mich auch so sehr in diesen Kerl verlieben? Es ist nicht mal logisch. Wir kennen uns kaum, schreit mein Gehirn und mein Herz antwortet, dass das nun so bleiben wird. Ein Seufzer perlt von meinen Lippen.  Ein Abenteuer schallt es durch meinen Kopf. Ein Schmerzhaftes. Ich lasse meine Augen geschlossen.

Ein Klopfen und ich schrecke hoch. Wasser spritzt durch die heftige Bewegung über den Wannenrand und benetzt den Boden. Ein weiteres Klopfen.

„Ben?" Ricks Stimme. Er klingt besorgt.

„Ja,...", sage ich fahrig und benommen. Ich sehe mich um, greife nach meinem Handy und stelle fest, dass ich fast 45 min geschlafen habe. Mittlerweile ist das Wasser nur noch eine lauwarme Brühe. Ich sehe, wie die Tür einen Spalt aufgeht und dann Ricks Profil hervorlugt. Er schaut absichtlich nicht zu mir.

„Alles okay?"

„Ja, ich bin nur eingeschlafen. Wirklich wirksam diese pure Tiefenentspannung", kommentiere ich Ricks Frage und sehe, wie er wissend grinst.

Kiss me hard before you goWhere stories live. Discover now