Kapitel 5

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Meine Augen waren wie Blei.

Egal, wie sehr ich es auch versuchte, ich konnte die Lider nicht heben.

Meine Ohren dröhnten und alles drehte sich.

Ich hörte ein dumpfes Piepsen und verzerrte Stimmen, konnte aber nicht ausmachen, woher sie kamen.

Ich bekam alles mit und doch nichts.
Ich erinnerte mich an alles und doch nichts.
Die Zeit in mir verstrich quälend langsam, während sie um mich herum raste.

Jede Faser meines Körpers tat weh.

Ich hatte das Gefühl, dass sich der Schmerz in sämtlichen Nervenbahnen ausbreitete. Dabei war das Epizentrum eindeutig der Punkt zwischen meinen Augen.

Ich sah tiefstes Schwarz, jedoch wurde es von einem scharlachroten, länglichen Fleck in der Mitte durchbrochen. Er musste sich tatsächlich in meine Netzhaut eingebrannt haben.

Die Erinnerung an die letzten Momente trafen mich wie ein Schlag.

Der Anruf.
Das Dach.
Das Rauschen.
Die Linie.
Die Gestalt.
Der Fall.

Hatte mich jemand gefunden? Wurde ich ins Krankenhaus gebracht? Oder lag ich immer noch auf dem nassen Gras hinter dem Kinderheim?

Hatte ich den Sturz überhaupt überlebt?

Oder fühlte sich so sterben an?

Dann war der Tod aber kein bisschen friedlich.

Von überall kamen Stimmen, sie hallten in meinen Ohren. Mein Körper wurde hoch gehoben und wieder runtergelassen, herumgedreht, befestigt.

Ich hatte keine Ahnung, ob ich gerade saß, stand oder lag. Oder nicht doch kopfüber von der Decke hing.

In all dem Chaos verlor ich den roten Fleck jedoch nie aus den Augen. Genauso hörte ich das Piepsen durchgängig.

Und eine Frage bildete sich immer klarer heraus:
Was war in dieser Nacht mit mir passiert?

---

Sonne schien auf meine Nase.

Unter normalen Umständen hätte ich sie dem warmen Licht entgegengestreckt, aber das schien im Moment unmöglich.

Mein Körper war wie versteinert und ich konnte nicht mal einen Finger rühren. Wenigstens hatte das Drehen aufgehört und der rote Fleck vor meinem inneren Auge war auch am verblassen.

Ich konnte immer noch nur schwer meine Augen öffnen, nahm meine Umgebung aber auch so wahr.

Dem unverkennbaren Geruch von Desinfektionsmittel nach zu urteilen, befand ich mich im lokalen Krankenhaus.

Irgendwie hatte ich es also doch hierher geschafft.

Das bedeutete... ich war nicht tot.

Qualvoll hob ich ein Augenlid an und das zweite folgte. Mein Blick war verschwommen und wollte sich nicht scharf stellen. Alles, was ich sah, waren blaue und hellgelbe Flächen.
Mit der Zeit erkannte ich aber immer besser die Umrisse des Zimmers, in dem ich lag und begutachtete es.

Obwohl ich meinen Kopf nicht drehen konnte, hatte ich schnell den kompletten Raum erfasst, was den minimalistischen Ausmaßen geschuldet war.

Scheinbar hatte ich eine Zimmergenossin.

Ihr Bett stand in einem rechten Winkel zu meinem und ich konnte erkennen, dass das Mädchen darin ähnlich alt war wie ich, vielleicht ein bisschen jünger.

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