Kapitel 23

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Die Atmosphäre in dem halligen Foyer glich der aufgeladenen Stille vor einem Sommergewitter.

Wenn allen Tieren unterbewusst schon klar war, dass sich ein gewaltiger Sturm über ihnen zusammenbraute und sie sich schnell in irgendwelchen Löchern verkrochen, um den Naturgewalten zu entfliehen.

Wenn dann tagsüber das Vögelzwitschern auf unnatürliche Art verstummte und sich kein Lüftchen mehr regte.

Wenn als einziges die flimmernden Dämpfe knapp über dem Boden übrig blieben, die das Bild merkwürdig verzerrten und eine unangenehme Hitze abstrahlten, die alles um sich herum zu absorbieren schien.

Ich trat aus dem Aufzug und hielt den Blick gesenkt.

Vielleicht bildete ich mir diese Stimmung auch einfach nur ein und nahm mich selbst viel zu wichtig. Wahrscheinlich hatten sie nur alle zufällig zur selben Zeit zu mir geguckt. Einfach ignorieren...

So schnell wie möglich bahnte ich mir einen Weg durch die Massen, wobei ich allerdings nicht wirklich behindert wurde, weil mir sowieso jeder auswich.

Ich spürte, wie die stechenden Blicke der Anderen mich verfolgten, so als hätten sie sich an mir festgesaugt.
Sobald ich eine Gruppe Schüler passiert hatte, fingen diese wieder an leise zu tuscheln und es bildete sich ein unruhiger, aggressiver Klangteppich.

Ich verstand die Welt nicht mehr.
Das konnte ich mir doch nicht nur einbilden...

Aber was hatte ich ihnen denn bitte getan, dass sie mich wie eine Aussätzige behandelten?
Bis jetzt hatte ich sogar das Gefühl gehabt, dass ich erfolgreich unter dem Radar geschwommen war und da ich noch nicht mal mit anderen Schülern zusammen Unterricht gehabt hatte, war ich quasi unsichtbar gewesen.

Doch jetzt schien plötzlich jedem hier bewusst zu werden, dass ich existierte, und darüber waren sie anscheinend alles andere als glücklich.

Krampfhaft versuchte ich anhand der geflüsterten Gespräche auszumachen, um was es hier denn nun ging. Aber alles, was ich hörte, war nur ein halblautes "Echt?!".

Die Strecke zum Ausgang fühlte sich quälend lang an und ich war mehr als froh, als ich endlich den Türgriff in der Hand hielt und in die Freiheit fliehen konnte.

Doch als die schwere Tür hinter mir ins Schloss fiel, erwartete mich nicht die erhoffte frische Luft und ein blauer Himmel, sondern nur Tod.

Buchstäblich Tod.

Nichts, was ich irgendwie wahrnehmen konnte, hatte einen Funken Leben in sich und ich hatte Mühe, überhaupt atmen zu können.

Der Himmel war seltsam gelb und drückend und die Wolken hatten sich über der Akademie aufgetürmt. Vor mir lag der sonst satte, grüne Rasen in einem einzigen versengten Teppich da, bei dem sich die braunen Grashälme kräuselten. Die Büsche waren kläglich zusammengeschrumpft und die wenigen Bäume des Gartens ließen leblos ihre Blätter hängen.

Alles, was vor wenigen Stunden noch kräftig und gesund ausgesehen hatte, war nun unwiderruflich zerstört.

So, als hätte man ihm jegliche Lebensenergie geraubt und nur noch die leeren Hüllen stehen gelassen.

Verstört blieb ich vor dem Unterrichtsgebäude stehen und konnte mich nicht vom Fleck rühren.

Was war hier nur passiert?

Wie in Trance bückte ich mich und fuhr mit den Fingern über die vertrockneten Pflanzen.
Die Blätter zerfielen bei der kleinsten Berührung zu Staub.

"Sue?"

Ich erschrak und drehte mich ruckartig um, wobei ich das Gleichgewicht verlor und nach hinten kippte.

liquidWhere stories live. Discover now